LIBREAS.Library Ideas

It’s the frei<tag> 2012 Countdown (1): Eine Karte, viele Motive

Posted in LIBREAS Veranstaltungen by libreas on 16. August 2012

Morgen, faktisch in fast genau 24 Stunden, öffnet die Unkonferenz frei<tag> 2012 endlich ihre Tore.  Man darf gespannt und in freudiger Erwartung sein, welche Themen in welcher Form dort verhandelt werden. Einen kleinen Vorgeschmack bieten bereits einige im Wiki niedergelegte Sessionvorschläge. Für die tags darauf stattfindende Summer School sind die Felder bestellt, vier – jeweils zwei parallel stattfindende – Workshops erwarten interessierte Teilnehmende. Bleibt die Mitgliederversammlung (Jahressitzung) des LIBREAS. Vereins in der zweiten Hälfte des Samstagnachmittags nicht zu vergessen. In dieser werden unter anderem auf die zwei Veranstaltungstage zurückgeblickt und Pläne für die Zukunft geschmiedet.

Update: Spät aber nicht zu spät gibt es für Anmeldung, Austausch und Nachlese nun auch passende Facebook- und Google+-Events.

Mit diesem abschließenden Ausblick endet auch der diesjährige frei<tag>-Countdown. Eine Vielzahl von Themen wurden (an-)diskutiert, garniert von und mit Fotoaufnahmen, in denen die Komposition der eigens für die Veranstaltung produzierten Einladungskarte sinnstiftend war. Viele, viele  gemachte Bilder haben aus  den unterschiedlichsten Gründen bis dato nicht ihren wohlverdienten Countdown-Platz bekommen, ein Umstand der so nicht stehen gelassen werden kann. Aus diesem Grund sei als kleine visuelle Einstimmung auf die kommenden zwei Tage eine Bilderserie der „hidden frei<tag>-pictures“ gezeigt; man kann es auch als einen Vorgeschmack auf die LIBREAS. Ausgabe #21 verstehen, deren Schwerpunkt „Bilder, Graphen, Visualisierungen“  ist. Deren Fertigstellung wird das erste Ziel der LIBREAS. Redaktion nach frei<tag> 2012 sein. In diesem Sinne –  viel Vergnügen mit dem Fotoreigen, bewusst unbetitelt und unkommentiert – für sich sprechend!

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It’s the frei<tag> 2012 Countdown (2): Vereinsmitglied werden

Posted in LIBREAS.Verein, Uncategorized by Karsten Schuldt on 15. August 2012

Im Anschluss an die Summer School findet am 18.08. in Berlin die erste Jahressitzung des LIBREAS. Verein statt. Der Ort ist der gleiche wie die Summer School, eingeladen sind alle Mitglieder.

Und das ist das Stichwort. Als wir vor einem Jahr bekanntgaben, dass wir den LIBREAS. Verein zur Förderung der bibliotheks- und informationswissenschaftlichen Kommunikation gegründet hätten, hatten wir ehrlich gesagt etwas unterschätzt, wie arbeitsreich das Vereinsgründen in Deutschland so sein kann. Deshalb ging dies alles nur sehr langsam voran. Untergegangen ist dabei vielleicht, dass der Verein nun schon seit einiger Zeit eine eigene Homepage besitzt (http://www.libreas-verein.eu/) und das es möglich ist, ihm als Mitglied beizutreten. Die Mitgliedsbeiträge betragen 12 Euro pro Jahr für Einzelpersonen, 24 Euro pro Jahr für institutionelle Mitglieder und 48 Euro pro Jahr für Fördermitglieder. Mit dieser Mitgliedschaft kann man nicht nur direkten Einfluss auf die Arbeit des Vereins nehmen, sondern unterstützt, wie im Vereinsnamen angegeben, die Kommunikation im Feld der (erst einmal deutschsprachigen) Bibliotheks- und Informationswissenschaft. [Selbstverständlich kann man das auch mit Spenden an den Verein tun, wir sind ein e.V.]

Now that we found love, what are we gonna do with these?

Es ist nicht unser Ziel, mit dem Verein Geld zu verdienen oder in Konkurrenz zu anderen Organisationen und Vereinigungen im bibliothekarischen und bibliotheks- und informationswissenschaftlichen Feld zu treten. Vielmehr wollen wir einen Teil zum grossen Ganzen beitragen. Aber wir würden uns selbstverständlich über jedes Mitglied freuen, da dies auch bedeutet, gemeinsam grössere Sprünge, als „nur“ die LIBREAS und die Unkonferenz zu machen.

Vereinsmitglied kann man über die Homepage werden (http://www.libreas-verein.eu/mitgliedschaftsantrag/), aber man kann uns selbstverständlich auch direkt fragen, zum Beispiel am 17.08. in Potsdam und am 18.08. in Berlin.

It’s the frei<tag> 2012 Countdown (3): Zeit- & Projektmanagement im Forschungsprozess (Workshop)

Posted in LIBREAS Veranstaltungen by Karsten Schuldt on 14. August 2012

Forschen ist eine grossartig einsame Tätigkeit. An Schreibtischen in Büros, die erleuchtet sind, wenn der Rest der Welt schläft, sitzen und lesen; im Arbeitszimmer Texte vor sich hin tippen, während alle Mitbewohnerinnen und Mitbewohner die Wohnung verlassen haben; im Café die Pärchen ignorieren und Skizzen zeichnen; auf dem Bahnhof nachdenken, während der Zug eintrifft: Selbstbestimmt, zeitlos. Fertig sein, wenn man die Antworten auf die Fragen gefunden hat, wenn der Algorithmus läuft, das Buch fertig ist. Und niemand redet rein. Ein grossartiges Bild. Ehrlich gesagt auch eines, in das ich gerne selber verfalle.

…An Schreibtischen in Büros, die erleuchtet sind, wenn der Rest der Welt schläft, sitzen und lesen; im Arbeitszimmer Texte vor sich hin tippen, während alle Mitbewohnerinnen und Mitbewohner die Wohnung verlassen haben; im Café die Pärchen ignorieren und Skizzen zeichnen …… 

Aber: Wer forscht, kann nur selten so forschen. Insbesondere, wenn es um Projekte geht, die irgendwer finanziert – die Bibliothek, eine Stiftung, die DFG, der SNF, die EU –, wenn es Auftraggeber gibt und die Deadlines drücken, geht dieses einsame Forschen, dass sich nur am Thema orientiert, nicht mehr. Und kaum ein Forschungsprojekt wird heute noch alleine durchgeführt. Mal sind es vier Leute, mal mehrere Dutzend Arbeitsgruppen; aber selten ist man wirklich so alleine für sich verantwortlich.

Das führt dazu, dass Forschung, auch in der Bibliotheks- und Informationswissenschaft, heute zu einem grossen Teil Managementaufgabe ist. Deadlines einhalten, sich koordinieren, Teilprojekte planen und einfordern. Oft ist das ein ärgerlicher Teil der Forschung, weil teilweise der Inhalt hinter das Managen zurücktritt. (Bekanntlich geht das so weit, dass bei grossen Projekten Leute angestellt werden, die mit der Forschung selber nichts zu tun haben, sondern nur mit der Organisation.)

Im Workshop IV der LIBREAS. Verein Summer School 2012 am 18. August wollen wir dieses Thema bearbeiten. Wie planen und managen wir Forschungsprozesse, sowohl einsame als auch solche in Partnerschaft? Und zwar am Besten so, dass sie uns möglichst viel Platz und Zeit für das eigentlich Interessante an der Forschung schaffen? Thema werden auch die ganzen Fallstricke sein: Wie mit den Krisen umgehen, wenn Mitarbeitende abspringen, Deadlines überzogen werden, Auftraggeber kurz vor Ende des Projektes feststellen, dass sie was ganz anderes haben wollen? Wie mit zu viel Zeit umgehen?

Wie gesagt: Das ist der eher unspannende Teil an jeder Forschung, aber leider ein notwendiger. Wir sind halt alle keine Gentlemen des frühen 20. Jahrhunderts, die das Geld und die Zeit haben, uns in kleinen französischen Städtchen in den Nachlass eines vergessenen Diplomaten zu vergraben.

It’s the frei<tag> 2012 Countdown (4): Verteilt Arbeiten, zusammen Publizieren (Workshop)

Posted in LIBREAS Veranstaltungen by libreas on 13. August 2012

Matti Stöhr

In den Naturwissenschaften ist es schon länger selbstverständlich, in den Geistes- und Sozialwissenschaften freilich ebensowenig neu aber es etabliert sich sukzessive erst durch die modernen, elektronischen Forschungs- und Publikationsmöglichkeiten: das kollaborative Arbeiten und Publizieren. Dass Werkzeuge zur gemeinschaftlichen Forschungsarbeit und Publikationstätigkeit bei (nahezu?) allen Wissenschaftsdisziplinen angekommen sind bzw. für wichtig und zukunftsfähig erachtet wird, zeigt neben den seit 2005 existierenden GRID-Projekten in Deutschland nicht zuletzt das sogenannte Handlungsfeld „Virtuelle Forschungsumgebungen“ im Rahmen der Schwerpunktinitiative „Digitale Information“ der Allianz deutscher Wissenschaftsorganisationen. Vor dem Hintergrund dieser Strategie wird einiges an Fördergeld für die Entwicklung und Etablierung von Angeboten investiert um eine auf Zusammenarbeit fußende Wissenschaftspraxis zu unterstützen respektive anzuschieben. Als Beispiel sei hier für die Geschichtswissenschaft das DFG-Projekt „Historisches Forschungsnetz“ erwähnt.

Vor diesem wissenschaftspolitischem und infrastrukturellen Hintergründen werden die Teilnehmenden des am frühen Samstagnachmittag stattfindenden Summer School-Workshops „Verteilt arbeiten,  zusammen Publizieren“ in die Welt etablierter, alternativer sowie zukünftiger Werkzeuge der kollaborativen Wissenschaftspraxis eintauchen. Es soll vornehmlich anwendungsorientiert um den (beispielhaften) Analyse und  Austausch von Erfahrungen in der Arbeit mit aber auch um die Reflektion von Erwartungen an einschlägige Tools gehen.

"It’s time to change the way we do research"

„It’s time to change the way we do research.“: (Kommerzielle) Webplattformen wie Mendeley oder ResearchGate, welche mit dem Angebot verschiedenartigster Funktionen Wissenschaftskommunikation inkl. das Publizieren von Forschungsergebnissen ermöglichen, werden unter AkademikerIinnen immer beliebter. Als Bibliotheks- und InformationswissenschaftlerIn sollte man diese kennen und einschätzen können, wenn nicht gar selbst aktiv nutzen…

Immer wieder interessant dabei ist es sich dabei zu vergegenwärtigen, wie wenig es prinzipiell an technisch-funktionalen Voraussetzungen doch braucht um am Wissenschaftsgeschehen teilzuhaben – ein internetfähigen Computer!  Über die „Details“ – z.B.  über den tatsächlichen Zugang zu Forschungserkentnissen als Basis bzw Quelle eigener Untersuchungen (Stichwort: Lizenzen) oder über die Nutzungsfreundlichkeit von Publikationswerkzeugen – lässt sich freilich streiten; sehr gerne im hiermit angekündigten Workshop der LIBREAS. Summer School!

It’s the frei<tag> 2012 Countdown (5): Die Stadt als Text, die Straßenbahn als Bibliothek

Ben Kaden

Die Reihe Neue Dichtung aus Österreich des Wiener Bergland Verlags schenkte der Literaturwelt, vermutlich ohne dass die Lektoren es so ahnten, 1956 zwei Ouvertüren zu maßgeblichen Werkgeschichten der deutschen Literatur, eher im Stillen aufgeführt, was den antiquarischen Wert der Erstausgaben heute erheblich macht: Friederike Mayröcker debütierte in der Serie mit dem Bändchen Larifari. Ein konfuses Buch (Band 18) und von Ernst Jandl folgte als Band 21 der Reihe der Erstling Andere Augen.

In letzterem wird „menschliches Leben […] aus skeptischer Distanz reflektiert und vorzugsweise im Kleinen und Alltäglichen dingfest gemacht“, meinte Monika Schmitz-Emans in ihrem Artikel zu Ernst Jandl für Hartmut Steineckes Übersicht (Berlin: Erich Schmidt, 1994, S. 677). So richtig widersprechen kann man ihr nicht.

Auch ihre Einschätzung, die Themen „Hunger, Kälte, Armut, Krankheit, das Ich – und sein Schreiben“ klängen hier an (ebd.), lässt sich nur in zwei Aspekten relativieren. Einerseits klingen sie nämlich nicht an, sondern stehen in aller Klarheit da (so im Gedicht „Sich zu erinnern“ über die Traumata der Internierungslager „Jung und zurückgekehrt / in seine Heimat / auf ein Holzquadrat / für sieben Köpfe, / begann er bei Nacht / im Schlaf zwischen Hunger und Kälte / sich zu erinnern / an die Fruchtbarkeit der Ferne“.) Und andererseits unterschlägt sie ein Thema, das zeitlebens in Ernst Jandls Werk mitschwingen wird und sich auch in Andere Augen findet: Die Erotik u. a. des Alltags und im Alltag sowie ihre Brüchigkeit und Vergänglichkeit.

Besonders schön fast Ernst Jandl dieses Element in seinem ersten  Band in dem Gedicht „Züge der Zeit“ zusammen, das eine Grunderfahrung aufmerksamer junger Männer auch in den Trambahnen des 21. Jahrhunderts in scheinbar ewiger Aktualität abbildet. Da hier die Konstellation Buch, Lektüre und Bibliothek ihr ganzes Attraktionspotential ausspielt, ist es ein idealer Sonntagstext für den Endspurt vor Unkonferenz und Summer School:

Züge der Zeit

Wenn Männer in die Straßenbahn steigen,
schauen sie, wer darin ist.
Eine Straßenbahn ist ein halbes Kaffeehaus:
wenn einer Glück hat, kann er
bei einer angenehmen fremden  Frau
einige Zeit sitzen.

Auch ist die Straßenbahn ähnlich einer
Bibliothek, in der Leute sitzen und lesen;
hier allerdings in Büchern aus den
eigenen Taschen und in Zeitungen.
Die Straßenbahnschaffner sind keine
Bibliothekare.

Doch auch die der Lektüre Ergebenen
messen die Nachbarn.
So kann es geschehen, daß einer,
aufblickend vom Buch,
den Wuchs eines Mädchens umarmte
mit seinen Augen, sie aber wieder zurück
führte in das leichter erreichbare
Zwiegespräch mit dem willig geöffneten Buch.

Daß ihm darauf hinter den Augen ein Bild saß,
das ihm die Sätze des Buches dreimal verknotete,
bis er den Blick aus den Zeilen herauszog,
läßt sich begreifen.

Dann aber sah er am gleichen Platze wie vordem
eine Frau, die ihre Runzeln
schon mit Ergebeneheit trug und ihr farbloses Kleid
wie den härenen Kittel des, der sich aufgibt.
Und er erkannte die gleichen Züge wie vordem.
Und er ahnte die schlimmen Züge der Zeit.

(Text folgt dem Band 1 von Klaus Siblewski (Hrsg.) ernst jandl poetische werke in 10 bänden. München: Luchterhand, 1997. S. 68)

„Die Stadt als literarische Gattung läßt sich mit dem Roman vergleichen.“, notierte Michel Butor in seiner Betrachtung über die „Stadt als Text“ (Graz: Literaturverlag Droschl, 1992, S. 16) Dieter Mersch schränkte diese Zuordnung ein Stück weit ein: „Von der Stadt als einem stabilen Text sprechen, bedeutet, wie Italo Calvino es in seinem Roman [sic!] Die unsichtbaren Städte formuliert hat, sie mit der Rede zu verwechseln, die sie beschreibt.“ (Dieter Mersch: Erotik der Stadt. In: Helmut Bott (Hrsg.) Stadt und Kommunikation im digitalen Zeitalter. Frankfurt/Main: Campus, 2000. S. 189-209, S.191) Wenn Stadt als Roman dann vielleicht also eher als ein Nouveau Roman, als ständig herum moirierendes Ensemble Sarraute’scher Tropismen?

Trambahn und Roman

Die Trambahn ein Roman? Oder eine Bibliothek? Oder ein Gedicht? In jedem Fall ist sie ein Medium, d.h. ein Übermittler. Und da das, was sie übermittelt, sinnliche sowie beständig auf Sinn orientierte Wesen sind (=Menschen) nimmt dieses Meta-Medium unzählige Submedien, Texte und Lesarten in sich auf, schafft Ereignisse, Begegnungen, Sehnsüchte und Bedeutungen. Sogar auf Leerfahrten. Allerdings ist nicht bekannt, ob den Straßenbahnlenkern und -schaffnern diese mediale Rolle auch bewusst ist. Denn: „Die Straßenbahnschaffner sind keine Bibliothekare.“

Ernst Jandl zeigt in „Züge der Zeit“, dass es vielleicht sogar naheliegender ist, die Stadt als Ansammlung potentiell poetischer Begegnungen zu interpretieren. Dass sie also eher mit Bildern aufwartet, die man mit etwas Aufwand eventuell zu romanhaften Handlungslinien nach-arrangieren und ausdeuten kann, deren Klammer aber immer eine interpretative und individuelle bleiben muss. Jedenfalls wenn man mitten darin steckt und sich in der Trambahn mit der einen Hand am klebrigen Haltegriff festhält und mit der anderen versucht, eine Zeitung so zu halten, dass man wenigstens den Leitartikel halbwegs erfasst. Die Gedanken freilich sind nicht unbedingt auf diesen allein fixiert, sondern folgen in dieser an Ablenkungen reichen Umgebung jedem Stoß des Wagens und manchmal auch leicht verschämt ein paar unverschämt schlanken Waden, die unweit in der Ballung der Fahrgäste zum Stehen kommen.

Wer jedenfalls aufmerksamen Auges die Fahrt der M1 in Berlin absolviert, fährt mit einiger Wahrscheinlichkeit in einer Art Jandl’schen Straßenbahnzug der Zeit: vom bunten Text des quasi-zeitlosen touristischen Ballungspunkts am Hackeschen Markt mit seinen immer neuen desorientierten internationalen Wochenendtouristen hinauf über den furchtbar jugendlichen Rosenthaler Platz durch die Kastanienallee in den Prenzlauer Berg mit seinen überabgeklärten (Post-)Hipstern und (Post-)Hipsterinnen, alle mit fast identisch abweisend anziehender Mimik und ähnlichem gertenschlanken Wuchs, dabei den Beckett oder Danielewski aus der Tote Bag blitzend, aber am Ende doch im Messaging des Smartphones die Distanz zur Restwelt haltend, bis hinein ins runzligere Weißensee, wo die sitzen bleiben, die das Leben nicht mehr studieren, abschreiben, mitteilen und erobern, sondern die selbst sichtbar Schreibfläche ihrer Jahre wurden und nun demütig oder mit einem abstoßend vorwurfsvoll bitteren Zug der vergehenden Zeit um die Mundwinkel in die Einsamkeit der kleinen Stuben der verpassten Chancen ihres Lebens heimkehren. (Selbstverständlich konfrontiert die Realität dieses Musterbild aus Stereotypen herzlich gern mit Ausnahmen, aber wie es oben steht, ist die Stadt als Text immer eine unbedingt subjektive Lektüre, die genau das herauszulesen versucht, was dem Leser jeweils in den Tag passt.)

Ein Kaffeehaus ist die Tram in Berlin freilich nicht. Eher ein ewiger Spätkauf und nicht selten wird mehr Flaschenbier auf den Schößen gehalten, als Bücher, Zeitschriften oder iPads. Dennoch gehören auch hier nach wie vor Druckwerke aller Art zur Profanität urbanen Unterwegsseins. Das regelmäßige passive Queren längst vertrauter Straßenzügen gesäumt von zeitstabilen Fixpunkten (Haltestellen, Häuserzeilen, Kreuzungsanlagen) motiviert geradezu zum Auffüllen der Museminuten mit Beschreibungen anderen Welten. Selbst wenn man dazu neigt, die Stadt so zu durchqueren wie die Figur des schüchternen Erwin in Nabokovs „A Nursery Tale“, das dem Impuls von Ernst Jandls Gedicht gar nicht so fern zu liegen scheint („Twice daily, from the tram he took tot he office and back, Erwin looked out of the window and collected his harem.“ – dank einer buchstäblich teuflischen Frau Monde schließt sich sogar der Kreis des Scheiterns, Vergehens und auch Vergeblichen nicht vollends unähnlich, aber mit doch deutlich größerer Fallhöhe), bietet sich ein Druckwerk als im Zweifel schützende Aufmerksamkeitsmaske an. Selbst wenn die Sätze „dreimal verknotet“ und der Inhalt unbegriffen bleiben. So sitzt man dann seine Tage und Wege in den Waggons herunter und liest und liest, wenn es sich ergibt, dabei keine Zeile, sondern vor allem die Züge der Zeit. In dieser Art von ubiquitärer Bibliothek sticht das sich plötzlich offenbarende Bild jedenfalls immer noch mit Leichtigkeit jeden erklärenden Satz.

Berlin, 12.08.2012

It’s the frei<tag> 2012 Countdown (6): Ist das Thema Digitalisierung mittlerweile ein ‚Alter Hut‘ oder immer noch eine ‚Herausforderung‘?

Posted in LIBREAS Veranstaltungen by libreas on 11. August 2012

Ulf Preuß

Mit Bezug auf Beitrag (10): Denkraum von Manuela Schulz greife ich das Thema ‚kulturelles Erbe‘ und dessen Nutzbarmachung via Digitalisierung auf. Immerhin wird mittels digitaler/virtueller Informationssammlungen ein Betrag zum Konzept des Denkraums geleistet, wobei dieser auf eine ortunabhängige, quasi freie, Ebene gesetzt wird.
Bibliotheken nehmen in Punkto Digitalisierung, mit Bezug auf ihre Bestandsdaten und repräsentative Einzelmedien, seit Jahrzehnten eine Vorreiterrolle unter den Informationswissenschaftlichen Institutionen ein. Hat sich deshalb das Thema Digitalisierung zur puren Alltäglichkeit entwickelt? Sind alle damit verbundenen Herausforderungen angenommen worden und mit nachhaltigen Lösungsansätzen hinterlegt? Hier seien nur einige Aspekte  erwähnt, wie Finanzierung der Digitalisierungsvorhaben, Qualitätssicherung auf technischer und vor allem personeller Ebene, Entwicklung und Implementierung einer nutzerfreundlichen und gleichzeitig ökonomischen Infrastruktur etc.

Großformatscanner im Einsatz an der FH Potsdam

Licht am Ende des Digitalisierungstunnels oder doch der sprichwörtliche ‚entgegenkommende Zug‘ voller neuer Problemstellungen? Mit einer Digitalisierung werden keine informationswissenschaftliche Probleme gelöst, sondern eine Vielzahl von Herausforderungen geschaffen. Das fängt mit der Frage ‚Was soll Digitalisiert werden?‘ an und hört noch lange nicht mit einer Klärung der langfristigen Nutzbarkeit der erzeugten Digitalisate auf.

Als ein probates Mittel der Finanzierung gilt die Public-Privat-Partnership, welche in großen Bibliotheken gern in Verbindung mit Google eingegangen werden. Hierzu hatte der Kulturstaatsminister mit Blick auf das Projekt ‚Deutsche Digitale Bibliothek‘ folgende Anmerkung:
„Mit der Deutschen Digitalen Bibliothek bleibt die digitale Verfügungsgewalt für die dort zugänglichen Kulturgüter in öffentlicher Verantwortung. Da Kulturgüter Teil der kulturellen Identität von Nationen und damit genuin öffentliche Güter sind, sei dies besonders wichtig, hatte Kulturstaatsminister Bernd Neumann im Mai 2009 anlässlich der Debatte über die Google-Aktivitäten („google books“) im EU-Ministerrat erklärt.“[1]
Schön das es Sicht der Politik die Verfügungshoheit über die Kulturgüter unseres Landes, auch in der digitalen Welt, in öffentlicher Hand bleiben soll. Wie immer gilt auch hier: ‚leichter gesagt als getan‘. Folgt man den Aussagen aus dem Kompetenznetzwerk DDB, so konzentriert sich deren Finanzierungsmodel auf den Aufbau und Betrieb der eigenen Infrastruktur. Der Bereich Digitalisierung, also die Generierung des Inhaltes der DDB, liegt allein bei den Institutionen welche sich an ihr beteiligen wollen. Hierbei wird einerseits auf die Möglichkeit der Finanzierung unter Beteiligung privater Geldgeber – ACHTUNG GOOGLE – und anderseits auf die Verantwortung der Träger, der meist klammen Kultureinrichtungen, verwiesen – ACHTUNG GENERELLES HAUSHALTSDEFIZIT -.[2] Es kommt bei allen Herangehensweisen auf eine sachliche Abwägung und letztendlich auf rechtlich tragbare und faire Vereinbarungen an.
Wenn man davon ausgeht, dass digitale Informationssammlungen per se ein Thema für das Informationsmanagement sind, so gilt es auch zu klären welchen Beitrag wir für andere spartenfremde Kultureinrichtungen beim Thema Digitalisierung erbringen könnten.
[1] Beauftragter für Kultur und Medien: Beta-Version im Herbst 2012 online. URL http://www.bundesregierung.de/Webs/Breg/DE/Bundesregierung/BeauftragterfuerK
ulturundMedien/medien/dtDigitaleBibliothek/_node.html (letzter Aufruf: 08.08.2012)
[2] Parzinger, Hermann ; Schleh, Bernd: »Der große Traum von der Demokratisierung des Wissens«. In: Forum Bibliothek und Information 64 (2012), Nr. 03, S. 208–212

It’s the frei<tag> 2012 Countdown (7): Der letzte Freitag…

Posted in LIBREAS Veranstaltungen by libreas on 10. August 2012

Matti Stöhr / Christoph Szepanski

… vor der nahezu auf die Stunde genau in einer Woche im Schaufenster der FH Postdam stattfindenden Unkonferenz hat begonnen. Die letzten organisatorischen Aspekte werden geklärt, (Moderations-) Verantwortlichkeiten und Vorbereitungen getroffen – dann und wann auch in entspannter Atmosphäre bei vergeistigten Getränken.

Stillleben im Aufsturz

Stillleben der gestrigen frei<tag> 2012-Arbeitssitzung im Aufsturz, einer Lokalität bei der man sich angesichts der immensen Sortenauswahl oft lange nicht entscheiden kann, welchen Gerstensaft, man als nächstes verköstigen möchte.

Getränke ist das passende Stichwort: Wir wollen natürlich nicht, dass das leibliche Wohl in Brandenburgs wohl schönster Stadt und tags darauf in Berlin zu kurz kommt. Selbstverständlich ist es nicht zwingend, die Teilnahme an einem oder beiden Tagen auf dieser Seite im frei<tag>-Wiki zu bekunden. Wir möchten es euch jedoch nicht nur zu unserem, sondern vor allem zu eurem Vorteil ans Herz legen, um einen adäquaten, dem Hunger und Durst einer ungefähr kalkulierbaren Teilnehmendenschar begegnenden, Einkauf zu realisieren. Merci!

It’s the frei<tag> 2012 Countdown (8): Über Leidenschaft, Routine und Philatelie

Posted in LIBREAS aktuell, LIBREAS.Feuilleton by libreas on 9. August 2012

Ben Kaden

Wer lebt, der weiß, dass es die kleinen stabilen Rhythmen des Alltags sind, die uns die notwendige Orientierung geben, um nicht permanent anfällig für innere und äußere Rebellionen zu werden. Routinen geben Sicherheit und bilden somit im besten Fall die Voraussetzung, auf ihnen als Fundament eine Glanzleistung nach der anderen herunter zu polieren. Nun ist die postmoderne, spätkapitalistische und hochbeschleunigte Lebenswelt nicht mehr unbedingt rundum darauf ausgelegt, balancierte, auf Muße setzende, soziale institutionalisierte Wiederholungshandlungen (vom Kirchgang bis zum konzentrierten dreigängigen Mittagessen) überhaupt zu akzeptieren. Selbst wer sehr selektiv seine Blogrundschau und E-Mail-Kommunikation angeht, erkennt schnell, dass ganz wie von selbst am Morgen die entsprechenden Sammelbecken wieder vollgelaufen sind, die am Vorabend mühsam leergeschöpft wurden. Wer hier in diesem Kontext kommunizieren will, muss andere Strategien finden.

Die neuen Routinen sind also solche, die aus den Dingen selbst entstehen (häufig spricht man vom Sachzwang) und vor allem erst einmal ein Phänomen der Masse. Glücklicherweise gibt es darin nur wenige Akteure, die durchgängig originell kommunizieren. Denn hochqualitative und –relevante Informationen in dieser Frequenz würde uns endgültig über die Kante stoßen und eine informationelle Emigration in die Offline-Welt quasi aus Gründen der Selbsterhaltung erzwingen. Daher erweist sich die Mehrzahl der zu verarbeitenden vermeintlichen Informationen am Ende erfreulicherweise doch als redundant und also verzichtbar.

Es bleiben zwei Probleme: Erstens weiß man vorher nicht unbedingt, wo etwas redundant ist und wo nicht und muss leider doch die meisten Nachrichten erst einmal öffnen und sichten. Und zweitens gibt es trotz allem irgendwo erstaunlicherweise immer wenigstens ein oder zwei Leute, die offensichtlich kein Problem haben, ein informationelles Dauerfeuer mit höchster Relevanz in ihre Umwelt strahlen zu lassen, also Leuchtturmdenker und -rhetoriker neuer Generation, die auf Hochleistungsdenken und -analysieren trainiert in einer für Außenstehende nicht nachvollziehbaren Geschwindigkeit immer sofort exakt das sagen oder schreiben, was man selbst nach langer Überlegung nicht besser hätte ausdrücken können. Das sind die Olympioniken der intellektuellen Arbeit und wer mit ihnen zu tun hat, vergöttert sie entweder, eifert ihnen nach oder hasst sie.

Ich weiß nicht genau, wie die Routinen dieser diskurslenkenden Protagonisten unserer Gegenwartskultur aussehen und ob sie sich wie ich jeden Monat auf den ersten oder zweiten Donnerstag freuen, an dem die Deutsche Post traditionell ihre Briefmarkenneuausgaben an die Schalter bringt. Ganz sicher würde es ihnen aber nicht passieren, dass sie einen Monat zu früh (nämlich an diesem Donnerstag) in der Erwartung, einen Text über die Briefmarkenemission zur Deutschen Nationalbibliothek für den LIBREAS-Countdown schreiben zu können, zu der ihnen nahe liegenden Poststelle eilen, um dort nur Zuschlagsmarken mit Dampflokomotiven und eine Würdigung von Kaiser Otto I. vorzufinden. Die Peinlichkeit ist deshalb besonders groß, da ja erst vorgestern in diesem Weblog das korrekte Ausgabedatum der Bibliotheksbriefmarke genannt wurde (13.09.). So stimmt zwar die Routine, nicht jedoch ihr Inhalt. Die daraus entstehende Irritation ist naturgemäß erheblich.

Wenn also die philatelistische Feier von 100 Jahren Nationalbibliothek verschoben werden muss, kann man vielleicht wenigstens zur Kompensation ein kleines selbstgewähltes dazwischen schieben: Vor 55 Jahren (leider auch nur ein Circa-Wert, der Ausgabetag war nämlich der 18.10.1957), also noch im vorrevolutionären Kuba, erschien eine Sonderbriefmarke zu Ehren der kubanischen Nationalbibliothek, begleitet von einer zweiten, die ihren ersten Direktor, Domingo Figarola Caneda, mit seinem berühmten Seitenblick zeigt.

Briefmarken Kuba Nationalbibliothek José Marti

Bibliophilatelisten sehen sofort die Lücke auf diesem Bild. Es fehlt die Tarifa general de precios de medicina, also die dritte Marke im Satz zur kubanischen Nationalbibliothek. Die Apothekenpreisliste aus dem Jahr 1723 war immerhin die erste Publikation die auf Kuba gedruckt wurde. Und die 4 Cent-Marke fehlt nicht nur auf dem Bild, sondern sogar in meiner Sammlung. Die Nationalbibliothek José Marti hat die Broschüre, die mittlerweile natürlich selbst eine Preziose ist, dagegen im Bestand. Und berichtet auf dieser Seite darüber.

Die Einrichtung selbst wurde 1901 gegründet und zwar per Militärerlass der USA, die zu dieser Zeit als Ergebnis des „Splendid Little War“ (John Hay) zwischen Spanien und den USA die Insel kontrollierten. Die Briefmarke zeigt den Neubau aus der Mitte der 1950er Jahre, der dann auch erst den Namen José Marti erhielt und offensichtlich erst im Juni 1957 offiziell übergeben wurde, was zwar das Ausgabedatum nicht jedoch die Jahreszahl 1956 erklärt. Möglicherweise feierte man damit einfach nur die Fertigstellung des 15 Stockwerke zählenden Gebäudes. Finanziert wurde der Bau übrigens über eine zeitweilig erhobene gesonderte Zuckersteuer – eine Hingabe an das Bibliothekswesen, die heute und in unseren Breiten kaum mehr denkbar ist.

Domingo Figarola Caneda, dessen 160sten Geburtstag man in diesem Jahr hätte feiern können, hat dies allerdings nicht mehr mitbekommen. Aber es hätte ihn sicherlich gefreut. Zwar ein Bibliophiler, bibliothekarisch aber doch ein Quereinsteiger bekam er eine Expressweiterbildung im British Museum und musste zeitlebens mit schwindenden Etats kämpfen. Seine eigene Sammlung war ohnehin bereits in den Bestand der Bibliothek integriert. Zusätzlich finanzierte er jedoch Ankäufe für die Nationalbibliothek mit Teilen seines nicht sonderlich üppigen Gehalts – auch hier ist eine bewundernde Anerkennung der Hingabe mehr als angemessen, selbst wenn die Bibliotheksgeschichte sicher zahlreiche Beispiele eines solchen Idealismus‘ enthält. Dass er sich permanent mit seinen Vorgesetzten anlegen musste, die der Nationalbibliothek weitaus weniger Wertschätzung angedeihen ließen, ist vielleicht eine ähnliche Konstante der Bibliotheksgeschichte. Das Hauptproblem leidenschaftsgetriebener Idealisten im Kontrast zu pflichtbewussten Routinearbeitern ist ja seit je, dass sie sich ausgerechnet in ihrem Überborden an Fantasie nicht vorstellen können, dass jemand anderes gar kein Interesse daran haben könnte, sich von der Begeisterung anstecken zu lassen.

Dabei ist es erfahrungsgemäß für die Sache fast gleichgültig ob es sich dabei um Vorgesetzte oder Untergebende handelt. Wo der Funke nicht zündet, die Routine also nicht gebrochen wird, da brennt man in der Regel als Fackelträger schnell aus, während die anderen das für sie Beste aus dem Licht machen, nämlich es von der sicheren Seite betrachten.

Domingo Figarola Caneda wurde immerhin von den Nachgeborenen mit einer Sonderbriefmarke bedacht. Und eine Bibliothek in der Güte, von der er immer träumte, haben sie schließlich auch noch gebaut. Insofern gleicht sich in der Weltgeschichte so manches ein bisschen aus. Eventuell hätte ja der Schriftsteller José Lezama Lima, dessen 36sten Todestag man heute in der kubanischen Nationalbibliothek gedenkt, erklären können, weshalb. Denn sein Steckenpferd war der Taoismus und zu diesem veröffentlichte er einmal (1965) einen schönen Aufsatz, von dem man heute nur noch den Titel als Metapher zitiert: Las eras imaginarias: la biblioteca como dragón. Unsere rationale Zeit hätte vermutlich aus Brandschutzgründen etwas gegen solche Verknüpfungen. Aber immerhin war Lao-tse, bevor er eine Art Gottheit wurde, ein Bibliothekar. Und entsprechend fällt es José Lezama Lima nicht schwer, zu folgender Einschätzung zu kommen:

„Así, toda biblioteca es la morada del dragón invisible, se apoya sobre la tortuga de espaldar legible.” (So erweist sich jede Bibliothek als eine auf den lesbaren Panzer einer Schildkröte gestützte Wohnstatt des unsichtbaren Drachen. / meine Langenscheidt-Wörterbuch-Übersetzung)

Man weiß also nie, woher die Flammen oder Wogen, die zwischendurch immer mal wieder alles verändern, eigentlich kommen. Weiß man aber, dass der Drache im Chinesischen Long genannt wird, lässt sich das Long-Tail-Prinzip auch anders interpretieren. Und dass man die Schildkröte im Chinesischen gui nennt und ein Graphic User Interface (GUI) als sichtbar machende Schnittstelle zu den dem Auge verborgenen Prozessen in der Maschinerie des Digitalen dient, dürfte Buchstabenmystiker zu abenteuerlichen Schlüssen hinreißen.

Ob man aber über eine Beschäftigung mit der biblioteca como dragón eine Art Tao der Bibliothek erkennen kann und ob dieses Gegenstand der Unkonferenz sein sollte und ob es schließlich angemessen es, auf das metaphorische Potential der Wundertiere aus der Pangu-Welt (der Vogel Phönix und das Qilin fehlen noch) einzugehen, muss an dieser Stelle offen bleiben.

Dass das Wechselspiel von Leidenschaften, Interessen und Routinen das Drehmoment unserer Arbeit prägt, lässt sich dagegen kaum bestreiten. Und könnte dort thematisieren werden, wo wir nach den höchst seltenen Erden utopischer Elemente in unserem Fach fragen.

It’s the frei<tag> 2012 Countdown (9): Citavi oder – wie verändert sich die bibliothekarische Arbeit durch Literaturverwaltungsprogramme?

Posted in LIBREAS Veranstaltungen by libreas on 8. August 2012

Matti Stöhr

Citavi Logo

Citavi Logo

An dieser Stelle ist bisher unerwähnt geblieben, dass die nahende Unkonferenz / Summer School von Swiss Academic Software, der Softwareschmiede des so nützlichen wie erfolgreichen Literaturverwaltungsprogramms  Citavi, finanziell unterstützt wird und damit zur Realisierung der Veranstaltung beiträgt. Vielen Dank dafür!

Citavi, welches durch die Kombination von klassischer Literaturverwaltung mit Funktionen zur Wissensorganisation und Aufgabenplanung, nicht zuletzt mit einer sehr einfachen, intuitiven Bedienung besticht, ist – nicht nur – im deutschen Hochschul- und  (wissenschaftlichen) Bibliothekswesen inzwischen hinlänglich bekannt. An einer Vielzahl von Universitäten, Fachhochschulen, aber auch außeruniversitären Einrichtungen können Institutionsangehörige (Studierende, wissenschaftl. MitarbeiterInnen etc.) Citavi kostenlos benutzen – ermöglicht durch Abschluss von Campuslizenzen. Nach eigener Angabe des Herstellers profitieren davon mittlerweile 2/3 der Studierenden im deutschsprachigen Raum – vgl. zur Übersicht die Citavi-Doku über Campzslizenznehmer.

Dass Bibliotheken jedoch mehr tun als Citavi und andere kostenpflichtige Literaturverwaltungssoftware durch Lizenzabschluss zur institutionsweiten Nutzung bereitstellen, ist nicht neu. Mit der Umfrage „Serviceangebote der wissenschaftlichen Bibliotheken im Bereich Literaturverwaltung“ aus dem Jahre 2010 hat dies Thomas Stöber (damals UB Augsburg, nun UB der LMU München) unlängst systematisch erhoben, auf der Webplattform „Litereraturverwaltung & Bibliotheken“ wird der Themenkreis seit Beginn 2011 fortlaufend dokumentiert,  analysiert und diskutiert. (Das jüngste Produkt ist dabei eine dynamische Karte, welche die Verbreitung von bibliothekarischen Dienstleistungen für Literaturverwaltung visualisiert.)

Services zur persönlichen Literaturverwaltung bzw. zu entsprechenden einschlägigen Programmen – genannt seien neben Citavi nur: EndNote (Web), Refworks, Mendeley, Zotero, Papers, Bibsonomy, JabRef, Bibliographix, Qiqqa, BibTeX, CiteUlike, WizFolio, Connotea, Colwiz … –  sind also offensichtlich ein immer wichtiger werdendes, wenn nicht unlängst etabliertes bibliothekarisches Aufgabenfeld. Was mich zunehmend gedanklich beschäftigt, aber bis dato leider (noch) nicht systematisch bearbeiten konnte, ist der Aspekt der Auswirkungen bzw. Konsequenzen der bibliothekarischen Beschäftigung mit Literaturverwaltungssoftware.  Kurzum: Wie verändert sich die bibliothekarische Arbeit durch Literaturverwaltungsprogramme?

Citavi-Desktop mit Karte

Formschön: Citavi-Desktop mit frei<tag>-Karte

Hieraus ergeben sich für mich augenblicklich zwei Teilkomplexe:

  1. Inwiefern verändert sich der  bibliothekarische Alltag durch Entwicklung und Angebot von Literaturverwaltungsservices? Stichworte sind hier u.a.:
    • Arbeitsaufwand / verfügbare Ressourcen (z.B. Personalstunden)
    • Vereinbarung / Existenz von Zuständigkeiten
    • Erkenntnisse in der theoretische wie praktischen Auseinandersetzung mit einzelnen Programmen oder einer Brandbreite
    • Schulungs- und Supportkonzepte /-inhalte
    • Nutzerfeedback / -wünsche und deren Auswirkungen auf die Weiterentwicklung von Services
    • Evaluation
    • Kooperationen / Kooperationspotentiale
  2. Inwiefern werden Literaturverwaltungsprogramme zur Erleichterung bzw. Optimierung der genuin bibliothekarischen Arbeit eingesetzt? Stichworte sind hier u.a.
    • Einbindung von Literaturverwaltungsprogrammen in den Geschäftsgang (Beispiel: Medienakquise durch FachreferentInnen an der UB Bamberg)
    • Integration in Workflows für moderne Informationsservices – z.B. Nutzung von Literaturverwaltungssoftware zur Erstellung von  Hochschulbibliographien (Beispiel: Hochschulbibliographien UB Bochum / UB Dortmund)
    • Softwarenutzung für die individuelle / kollaborative Literaturrezeption und -organisation z.B. für die Sichtung und Auswertung einschlägiger Fachzeitschriften und den darin publizierten Artikeln
    • Nutzung für die individuelle / kollaborative Organisation von bibliothekarischem Fachwissen
    • Nutzung für das Schreiben von Fachpublikationen

frei<tag> 2012 bietet sich daher als Chance, Litereraturverwaltung / Literaturverwaltungssoftware und deren vielgestaltige Implikationen für Bibliotheken in einer eigenen Session zu thematisieren und damit gleichzeitig eine längerfristige, intensive wissenschaftliche Auseinandersetzung zu initiieren.

It’s the frei<tag> 2012 Countdown (10): Denkraum

Posted in LIBREAS Veranstaltungen, LIBREAS.Feuilleton by libreas on 7. August 2012

Manuela Schulz

Jüngst erreichte die 3. Ausgabe des Jubiläumsmagazins der Deutschen Nationalbibliothek meinen Schreibtisch. Ein sehr hübscher Ausdruck ziert die Titelseite: DENKRAUM. Die  auf den Prozess der geistigen Tätigkeit orientierte Metapher trifft für die Bibliothek in einer gewissen Hinsicht besser zu als beispielsweise „kulturelles Erbe“, denn sie verweist auf lebendiges bewusstes Handeln und damit auf die Gegenwärtigkeit der Bibliothek, wogegen das „Erbe“ die Vergangenheit und damit auch dessen Verwaltung in den Mittelpunkt rückt.

Entspricht das Erbe dem Vermögen, verweist das Denkräumliche auf die Aktivierung und Gestaltung. Der Bibliotheksbestand wird dabei Quelle, Werkzeug und Material. Die acht Buchstaben DENKRAUM umfassen sowohl den physischen Raum, das Gebäude wie auch die Prozesse, die in ihr stattfinden sowie die Menschen, die in ihm in aller möglichen Vielfalt denken. So setzt sich auch der Titel logisch fort: Von Forschungsquelle bis Wissensspeicher: Bibliotheken als Ort der Erkenntnis. Hieran wird der Kern der Institution Bibliothek sichtbar: Der (ewige) Kreislauf von Produktion und Dokumentation.

„Was konstituiert einen Denkraum: die Gedanken, die in dem Raum entstehen, oder die Denkerinnen und Denker selbst? Was gibt einem Denkraum seinen einzigartigen Charakter: Lediglich die Architektur, die Ausstattung und die Lesematerialien?“ (B. Venkat Mani, S. 30)

Die Sommer-Ausgabe schließt thematisch an die bisherigen Ausgaben der Jubiläumshefte Klangraum und Sprachraum an. Die in der dritten Ausgabe enthaltenen Beiträge beschäftigen sich mit der sozialpolitischen und kulturellen Betrachtung von Bibliotheken weltweit (B. Venkat Mani), fragen wie Räume des Wissens beschaffen sein müssen, um „Wissen gleichzeitig sammeln, ordnen und zugänglich machen zu können“ (Anke Te Heesen), blicken auf Beispiele ungewöhnlicher Forschungsarbeiten (Martin Schmitz-Kuhl), erinnern an Zensur und Verbot freien Denkens mit „Abgestempelt und Weggesperrt“ (Nils Kahlefendt) und illustrieren deutsche Dichter und Denker von Immanuel Kant bis Johann Wolfgang von Goethe mit einer Rangliste anhand der jeweiligen Bestandszahlen der Nationalbibliothek.

Auch für die Unkonferenz frei<tag> lässt sich der Topos der Bibliothek als DENKRAUM weiterdenken (sowie in seinen verschiedene Dimensionen be-, über- und unter Umständen auch zerdenken). Denn es bleibt trotz der generellen Schönheit des Bildes die Rolle der Aktiven, dieses tatsächlich greif- und handhabbar zu füllen.

Letztlich ist die Bibliothek aber auch immer wieder eine gesellschaftliche Institution, die nicht nur zur Generierung neuer Erkenntnis existiert, sondern der jeweiligen Kultur auch als Spiegelbild gilt. Inhalt und Form sind Ausdruck unseres Denkens. Diese in ein Gleichgewicht zu bringen, das positive und produktive Erkenntnis ermöglicht, ist vielleicht die zentrale Aufgabe intellektueller Arbeit. Diese Arbeit nach Möglichkeit optimal zu rahmen ist vermutlich die zentrale Aufgabe der Bibliotheken.

Denkraum

Die Deutsche Nationalbibliothek, die sich erst seit ein paar Jahren wieder so nennt, ist 100 Jahre. Briefmarkenfreunde können sich ab 13. September die Briefmarke zum Jubiläum holen.

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