LIBREAS.Library Ideas

LIBREAS Call for Papers: #45: The Sound of Libraries. Ein Impuls in fünf Stationen

Posted in LIBREAS Call for Papers by libreas on 3. November 2023

I.

Sommer 2023. Eine Kantonsbibliothek. Die automatische Tür geht auf. Innen, in der ersten Etage, eine Ruhe, aber keine Stille. Links, der Kaffeeautomat in der Zeitschriftenecke gibt Töne von sich. Die beiden älteren Herren dort blättern in den Zeitungen, die sie vor sich haben. Rechts, an der Theke, unterhalten sich zwei Nutzer*innen mit eine*r Bibliothekar*in. Weiter oben, in der zweiten und dritten Etage, ist es ruhiger. Aber durch die offenen Fenster sind die Vögel vom Weinberg, der am Rande der Altstadt liegt, zu hören. Dennoch: Wer die Ausstellung in der obersten Etage besuchen will, verfällt fast automatisch ins Schweigen, in der Angst, jemanden zu stören. Dabei liegt der eigentliche Lesesaal, in dem explizit um Ruhe gebeten wird, anderswo, im Anbau, den er sich mit dem Kantonsarchiv teilt.

Bibliotheken haben einen eigenen Sound. Aber er wird eher selten und nur selektiv beschrieben. In der bibliothekarischen Fachliteratur finden sich vor allem Anmerkungen dazu, dass es falsch wäre, die Bibliothek mit Ruhe und stereotypen Bibliothekar*innen, die «Pssst» machen, zu verbinden. Aber wie man unschwer hört, ist da noch mehr. Es gibt einen Sound, wegen dem Menschen überhaupt in bestimmte Bibliotheken kommen. Dieser Sound ist nicht – ausser vielleicht in Magazinen – vollständige Ruhe. Er ist lebhaft, aber in einer gewissen, eigentümlichen, schwer greifbaren Form, die ein wenig ausserhalb der normalen Realität liegt.

II.

Geht man in der Kantonsbibliothek in den langen Gang rechts hinter dem Tresen, findet sich dort, ganz am Ende, ein Tisch mit drei Rechnern, die gerade niemand nutzt. Neben allen liegen Kopfhörer. Es sind Hörstationen für die fonoteca nazionale svizzera, die schweizerische Nationalbibliothek für Musik. Deren Tonaufnahmen kann man benutzen, wenn man direkt zu ihr nach Lugano fährt oder aber solche spezifischen Stationen in Kantonsbibliotheken, der Nationalbibliothek in Bern, Archiven oder Musikhochschulen in der Schweiz nutzt.

Musik in allen ihren Medienformen gehört zum Bestand von Bibliotheken. Ob Noten, Aufnahmen, Monographien über Musik, Zeitschriften oder auch – vor allem in Musikbibliotheken – Nachlässe von Musiker*innen und Instrumente selber – sie alle spielen eine Rolle im Bibliothekswesen. Nicht umsonst gibt es eigene Musikbibliotheken mit eigenem Weltverband (IAML) und einer deutschsprachigen Fachzeitschrift (Forum Musikbibliothek). Gerade in grösseren Öffentlichen Bibliotheken ist es normal, auch eigene Hörstationen und extra ausgebildete Musikbibliothekar*innen zu finden.

III.

Der gleiche Tag im Sommer 2023, einige hundert Meter von der Kantonsbibliothek entfernt, hinter dem Bahnhof. Vor der Bibliothek der Höheren Fachschule für Medizinberufe sitzen Studierende und blättern in Unterlagen. Einige sitzen alleine, einige in Paaren. An den weiter entfernten Tischen sitzen auch Gruppen und arbeiten gemeinsam an Aufgaben. Sie haben Fallberichte vor sich ausgebreitet, Bücher in Stapeln und folgen jetzt Anweisungen aus Arbeitsblättern. Öffnet man die Tür der Bibliothek, tritt an der Theke vorbei, setzt sich dies fort. Hinter den Buchregalen sitzen, am Fenster aufgereiht, an kleinen Tischen, Studierende alleine oder zu zweit. Sie schauen auf Rechner, sie notieren Dinge, sie blättern in Büchern. Nicht vollkommen ruhig, aber  nicht laut. Weiter hinten im Raum, teilweise auch in kleinen, extra dafür angebauten Ecken, sitzen wieder kleine Gruppen angehender Pfleger*innen und bearbeiten selbstständig Fälle. Sie diskutieren, aber es ist kaum zu hören. Sehr diszipliniert gehen sie der Reihe herum vor, niemand fällt sich ins Wort, niemand wird laut. Dazwischen gehen die Bibliothekar:innen zwischen den Regalen und stellen Bücher ein.

Spätestens seit den 1990er Jahren sind Bibliotheken in Hochschulen daran interessiert, für die Nutzer*innen Arbeitsräume und Landschaften einzurichten, in denen sie anders, lauter, intensiv, angeregt miteinander arbeiten können. Als Idealfall scheint die flexible Gruppenarbeit zu gelten, auch wenn gleichzeitig immer Möglichkeiten zur ruhigen Arbeit an Einzelarbeitsplätzen eingerichtet werden.

Grundsätzlich wollen Bibliotheken eine möglichst abwechslungsreiche Nutzung ermöglichen. Und abwechslungsreich heisst auch, in unterschiedlicher Lautstärke.

IV.

Am späten Nachmittag, zurück vom Bahnhof zum Rand der Altstadt. Hier findet sich die Stadtbibliothek. Gruppen von Tourist*innen gehen an ihr vorbei, ohne sie gross zu beachten. Das Gebäude scheint ihnen oft nicht interessant genug. Aber die Bewohner*innen der Stadt frequentieren das Café im rechten Anbau recht intensiv. Das Café hat einen direkten Durchgang zur Bibliothek, doch meistens wird der Eingang von der Strasse benutzt. Im Bibliotheksraum ist es auffällig ruhiger als im Café. Keine Musik, kein Geklapper von Geschirr. Aber doch Leben. Menschen gehen durch den Raum, sitzen an den Tischen, in den Sitzecken. Auf der ganz anderen Seite, im linken Anbau, spielen Kleinkinder in der Ludothek. In der Bibliothek befindet sich wiederum eine Poststelle, die von den Bibliothekar*innen mitbetreut wird. Hier ist manchmal Leben, wenn Briefe verschickt und Päckchen eingescannt werden. Im Augenblick aber ist die Hauptbewegung anderswo im Raum. Bibliothekar*innen beginnen, Regale zur Seite zu schieben, Stühle aufzubauen, eine Bühne zu bereiten. Dafür wird die heute Mittag benutzte Sitzecke der «Schenk mit eine Geschichte»-Veranstaltung, in der Kindern in einer Fremdsprache vorgelesen wird, fortgeräumt. Aber morgen muss sie wieder aufgebaut werden, weil die nächste Gruppe Kinder kommt. In einigen Stunden hat einer der bekannten lokalen Autoren hier eine Lesung, inklusive Musikbegleitung. (Für jedes neue Buch macht er bei einer Lesereihe auch hier in der Stadtbibliothek halt. Es wird dann immer sehr voll.)

Bibliotheken sind Veranstaltungsorte. Während man bis nach der Mitte des 20. Jahrhunderts dafür gesonderte Räume, Auditorien, gar Konzertsäle in Bibliotheken einbaute, gilt heute der normale Bibliotheksraum als der bevorzugte Ort dafür. Das hatte beispielsweise Auswirkungen auf die Möblierung von Bibliotheken. Es ist mittlerweile nahezu unmöglich, bei den bekannten Anbietern Regale zu kaufen, die nicht flexibel durch die Gegend gefahren werden können. Ebenso selten findet man noch Bibliotheken, die nicht irgendwo einfach aufzustellende Stühle und Tische, Sitzsäcke, aber auch Mikrophone und Mischpulte verstaut haben. Ein Veranstaltungsbudget gehört heute ebenso zur Bibliothek wie regelmässige Angebote für Kinder und Familien.

Und darüber hinaus wird kontinuierlich versucht, Bibliotheken mit weiteren Angeboten zu verbinden. Bibliothekscafés sind so alltäglich geworden, dass sie kaum noch gesondert erwähnt werden. Postfilialen, kleine Läden für lokale Produkte, Automaten mit Büromaterialien – die Frage ist heute eher nicht mehr, ob Bibliotheken etwas in dieser Art betreiben, sondern nur, was genau.

Diese Veranstaltungen und Angebote verändern auch die Soundlandschaft der Bibliotheken – einige mehr, andere weniger. Die Geräusche werden anders, die Gespräche haben einen anderen Ton.

Keine Kantonsbibliothek sondern das Stiegenhaus der Slowenischen Nationalbibliothek in Ljubljana, fotografiert von Thomas Ledl, der die Aufnahme unter einer CC-BY-SA 4.0-Lizenz für die Wikipedia bereitstellte. Wir haben uns für diese Illustration entschieden, weil sie perfekt ein unter einer PDM 1.0 DEED-Lizenz im Internet Archive bereitgestelltes Klangbild aus dem Lesesaal eben dieser Bibliothek begleitet. Der Klick aufs Bild spielt die Feldaufnahme ab.

V.

Klacken, murmeln, sirren, rascheln, flüstern, zwitschern, scharren, hallen, knarzen, klappern, brummen, piepen, knistern. Was noch? Die Ausgabe #45 der LIBREAS. Library Ideas fragt genau danach: Was ist dieser Sound der Bibliotheken? Was macht ihn aus, wer bestimmt ihn und wen beeinflusst er? Verändert er sich und wenn ja, wie und warum? Dabei soll es um die ganzen verschiedenen Sounds gehen: Wie «klingt» die Bibliothek für Nutzer*innen? Wie «klingt» sie für Bibliothekar*innen selber? Wie «klingen» der Bestand und das Magazin? Wie klingt die Grossstadtbibliothek, die Bibliothek einer kleinen Hochschule oder der Bücherbus?

Dabei soll es um die konkreten Klänge gehen, also das, was gesagt, gesungen, an Geräuschen gemacht wird, wenn etwas durch die Gegend geschoben wird; aber auch um die Sounds, die in der Bibliothek angeboten werden. Sicher: In Musikbibliotheken und -abteilungen ist das konkreter zu fassen, all die Noten, Tonträger, Instrumente, Streams. Aber es gilt auch für den ganzen Rest der Bibliotheken.

Für diese Ausgabe ruft die LIBREAS. Library Ideas also zu Einreichungen auf, die sich dem Sound der Bibliotheken widmen. Ganz besonders freuen würden wir uns über kreative Einreichungen (Geschichten, Songs, Collagen oder Ähnliches), die sich dem Thema in einer passend offenen Weise nähern. Aber auch Berichte aus Musik- und anderen Bibliotheken, wissenschaftliche oder historische Arbeiten sind gerne gesehen oder gehört. Falls Sie Ihre / du deine Idee für eine Einreichung im Vorfeld besprechen möchten / möchtest, ist die Redaktion dafür gerne bereit.

Einreichungsschluss für diese Ausgabe ist der 30.04.2024. Über Beiträge, Beitragsideen und weitere Anregungen freuen wir uns. Kontakt: redaktion@libreas.eu

Eure Redaktion LIBREAS. Library Ideas

(Berlin, Chur, Göttingen, Hannover, München, Potsdam)

CfP #43: Soziologie der Bibliothek

Posted in LIBREAS Call for Papers by Karsten Schuldt on 18. November 2022

Soziologie als Wissenschaft stellt grundsätzlich die Frage, wie Gesellschaft funktioniert und in welcher Beziehung das Individuum und das Kollektiv stehen. Sie fragt: Welche Regeln und Strukturen gibt es und welche Wechselwirkungen existieren im menschlichen Miteinander. Und sie schaut nicht nur auf die Menschen, sondern auch auf Institutionen. Diese manifestieren und objektivieren die Regeln des Miteinanders funktional. Und sie erweisen sich als außerordentlich beständig. Die Soziologie beobachtet, beschreibt und versteht bestenfalls. Das daraus resultierende Wissen bietet, so die mehr oder minder explizit gemachten Prämisse, auch immer die Möglichkeit, diese Prozesse, die Institutionen und damit auch die Gesellschaft zu gestalten. Wenngleich die Diskurse der traditionellen Soziologie mit Theoretikern wie Max Weber schon viele Schleifen durchlaufen haben, bleibt die Relevanz der grundsätzlichen Fragestellungen, die auf interkulturelle und kritische sowie interdisziplinäre Ansätze erweitert worden sind, bestehen.

Dabei gibt es in der Soziologie selbstverständlich unterschiedliche Ansätze, beispielsweise stark theoretische, die vor allem beschreiben, systematisieren und aus diesen Beschreibungen Schlüsse ziehen. Oder auch fast vollständig empirische, die aber notwendig sind, um die Beschreibungen der Theorien in der Realität zu prüfen und gegebenenfalls anzupassen.

Keine Bibliothekssoziologie

Eigentlich könnte man erwarten, dass Bibliotheken für die Soziologie einen interessanten Untersuchungsbereich bieten. Zugleich wäre es sinnvoll, wenn Bibliotheken in ihre Entwicklungsplanungen und der alltäglichen Arbeit soziologisches Wissen einfließen lassen würden.

Bibliotheken sind Institutionen, die direkt in der Gesellschaft wirken, auf die aber auch gesellschaftliche Entwicklungen unmittelbar wirken – man denke nur an die zunehmenden Schwierigkeiten von Bibliotheken, Personal zu rekrutieren, die viel mit demographischen Entwicklungen und anderen gesellschaftskulturellen Veränderungen zu tun hat. Gleichzeitig sind sie – manchmal zum Leidwesen einzelner Engagierter – Institutionen, also Strukturen, die sich nicht sofort, nicht beliebig und auch nicht unendlich weit verändern lassen. Diese Spannung analytisch zu durchdringen, könnte ein Interesse von beiden Seiten, der Soziologie und dem Bibliothekswesen, sein. Zumal es nicht wenige “Bindestrich-Soziologien” gibt, welche sich mit einzelnen Institutionen beziehungsweise institutionalisierten Gesellschaftsbereichen befassen.

Und dennoch gibt es keine Bibliothekssoziologie. Es finden sich einzelne Artikel oder Monographien, die immer wieder neue Ansätze zu so einer spezifischen Soziologie versuchen – dann aber nicht weiter aufgegriffen werden. Ein Beispiel für so einen Artikel aus unserer eigenen Zeitschrift wäre “Zur Legitimation Öffentlicher Bibliotheken” von Fabio Tullio (2016), der Öffentliche Bibliotheken organisationssoziologisch untersuchte.

Abgesehen davon scheint im Bibliothekswesen eher mit Schlagworten aus der Soziologie gearbeitet zu werden, die dann oft aus ihrem eigenen Kontext gelöst und nicht immer begriffsgeschichtlich besonders stabil unterlegt re-interpretiert werden. Dafür symptomatisch war in den letzten Jahren wohl die Nutzung des Begriffs “Dritter Ort”. Ursprünglich eigentlich eher auf Trinkhallen oder Kneipen bezogen, wurde seine Bedeutung im Bibliothekswesen sehr offen für Konzepte und Aussagen adaptiert wurde, die mit dem Originalbegriff nicht mehr in jedem Fall viel zu tun haben. Auch fungieren insbesondere Öffentliche Bibliotheken oftmals, wenn man bei der Zählweise bleiben möchte, sogar eher als eine Art „Zweiter Ort” für Menschen, die beispielsweise keinen anderen Arbeitsort oder Zugang zur Informationsstrukturen haben.

Drei Themenbereiche

Unter den wenigen längeren Werken, die sich explizit mit einer Soziologie der Bibliotheken befassen, stechen drei heraus. Sie stehen für verschiedene soziologische Fragestellungen und zeigen, dass an Bibliotheken als Untersuchungsgegenstand sehr unterschiedlich herangegangen werden kann.

In seinem 1954 zuerst und dann, in einer erweiterten Auflage, nochmal 1965 veröffentlichten “Studien zur Soziologie der Bibliothek” fokussierte Peter Karstedt sehr darauf, wer Bibliotheken und Veranstaltungen in Bibliotheken besuchte, wie von diesen Personen gelesen wurde und welche Auswirkungen dieses Lesen auf diese Personen hatte. (Karstedt 1965) Er ging dabei vor allem beschreibend vor und beschränkte sich auch nicht alleine auf die Soziologie, sondern bezog andere Disziplinen mit ein. Hingegen auf die Institution Bibliothek selber fokussierte Frank Heidtmann in seiner Dissertation “Zur Soziologie von Bibliothek und Bibliothekar”. (Heidtmann 1973) Er analysierte, wie sich die Institution Bibliothek – also das Zusammenspiel von Prozessen, Abläufen, koordinierten Handlungen, Entscheidungen des Personals – immer wieder so reproduziert, dass am Ende erwünschte Ergebnisse entstehen, also bei ihm vor allem Nutzer*innen mit Literatur versorgt werden. Auch er ging beschreibend vor, dabei aber von organisationssoziologischen Prämissen aus. In gewisser Weise nutzte er die Bibliothek als Anwendungsbeispiel soziologischer Theorie.

Das Bibliothekspersonal selber, deren soziale Schichtung und Veränderungen dieser Schichtung, nahm Bernadette Seibel – allerdings für Frankreich – in “Au nom du livre – analyse sociale d’une profession: les bibliothécaires” in den Blick. (Seibel 1988) Sie ging empirisch vor, wenn auch gestützt auf soziologische Kenntnisse über Sozialschichten.

Und diese Perspektive steht denn auch, wenngleich mehr biografisch als akademisch geprägt,  für uns als Redaktion hinter der Themenwahl. Wir als Redaktion fanden zum Thema “Soziologie der Bibliothek” als Desiderat, als wir darüber diskutierten, mit welchen gebrochenen, suchenden und unerwarteten Biographien viele von uns ins Bibliothekswesen eingestiegen sind. Diese, wenn man so will, vermeintlich Zufälligkeit in der Entscheidung schien uns kein Zufall zu sein, sondern strukturell angelegt. Wir merkten auch, dass das Bibliothekspersonal – wer arbeitet in Bibliotheken, auf welchen Stellen, mit welchem Einfluss, mit welchem sozialen Hintergrund – bislang nicht Thema der deutschsprachigen Forschung war. Wir wissen also nicht belastbar, ob wir in der Redaktion Ausnahmen oder typische Fälle darstellen.

Die oben benannten Arbeiten sind Jahrzehnte alt. Seitdem gab es immer wieder einzelne Artikel und auch Abschlussarbeiten. Grundlagenwerke wie die von Peter Karstedt, Frank Heidtmann oder Bernadette Seibel gab es aber unserer Wahrnehmung nach kaum noch. Ihre Stärke liegt auch heute noch darin, mögliche Herangehensweisen und Fragenkomplexe aufzuzeigen: Die Nutzer*innen, das Personal und die Institution Bibliothek als Untersuchungsgegenstände und die soziologische Beschreibung, die Anwendung soziologischer Theorien sowie die konkrete empirische Forschung als Herangehensweisen. Sollte sich in Zukunft einmal eine eigenständige Bibliothekssoziologie entwickeln, wird sie sich zwangsläufig in diesem Rahmen bewegen.

Einladung zur Mitarbeit

Im Schwerpunkt der Ausgabe #43 der LIBREAS. Library Ideas wollen wir gerne einen neuen Versuch wagen, Soziologie und Bibliothek zusammenzubringen. Nicht nur scheint es weiterhin, dass die Potentiale dazu groß sind, sowohl für die Soziologie als auch für das Bibliothekswesen und die Bibliothekswissenschaft. Zudem verändert sich die Gesellschaft aktuell merklich – die Demographie, die soziale Schichtung, vor allem die abnehmende soziale Durchlässigkeit, die soziale Struktur der Städte aber auch der ländlichen Gebiete sind merklich in Bewegungen.

Es scheint, als wäre die Zeit reif, auch die Bibliothek wieder mehr soziologisch zu beschreiben, um zu verstehen, wie sie innerhalb dieser Entwicklung funktioniert und sich gleichzeitig verändert.

Das Feld für verschiedene Beiträge ist durch die drei oben genannten Werke gut umrissen. Uns interessieren zum Beispiel Beiträge, die die Funktion von Bibliotheken soziologisch beschreiben: Wer arbeitet in ihnen? Und in welchen Bereichen? Wie funktioniert die Bibliotheken als Institution und mit Bezug zu anderen Institutionen? Ist sie Teil von Systemen und wenn ja, von welchen?

Interessant fänden wir auch die exemplarische Anwendung soziologischer Theorien auf Bibliotheken: Ist sie mit Niklas Luhmann als sich selbst erhaltendes System zu beschreiben? Ist sie mit bildungssoziologischen, stadtsoziologischen oder auch lebensraum-fokussierten Theorien zu beschreiben? Oder lässt sich sinnvoll eine Analyse der sozialen Schichtung von Nutzer*innen und Personal durchführen?

Nicht zuletzt sind Berichte oder Überlegungen dazu, wie in der Bibliothekspraxis soziologische Methoden angewandt werden können, ein mögliches, interessantes Thema für Beiträge in diesem Schwerpunkt.

Dabei wünschen wir uns Beiträge ganz unterschiedlicher Art, sowohl aus der Bibliothekspraxis und -wissenschaft als auch der Soziologie, so wie auch die drei oben genannten Monographien ganz unterschiedlich sind. Gerne lesen wir ausgearbeitete empirisch basierte Studien ebenso wie soziologische Beschreibungen und Theoriediskussionen. Zur Einreichung der Zusammenfassung von Abschlussarbeiten mit soziologischen Fragestellungen rufen wir explizit auf. Und schließlich interessieren uns natürlich auch die biografischen Linien, die die Menschen in bibliothekarische Professionen brachten. Selbstreflektive Texte zu diesem Thema sind entsprechend auch willkommen.

Gerne diskutiert die Redaktion im Vorfeld auch erste Ideen oder Entwürfe von Beiträgen.

Einreichungsfrist für die Ausgabe #43 ist der 30. April 2023. Hinweise zur Einreichung finden sich in den Autor*innenhinweisen / Author guidelines auf der Homepage der LIBREAS.

Eure/Ihre Redaktion LIBREAS. Library Ideas

(Berlin, Hannover, Göttingen, Lausanne, München)

Literatur

Heidtmann, Frank (1973). Zur Soziologie von Bibliothek und Bibliothekar : betriebs- und organisationssoziologische Aspekte. Berlin: deutscher bibliotheksverband, 1973

Karstedt, Peter (1965). Studien zur Soziologie der Bibliothek. (2., durchgesehene und vermehrte Auflage) Wiesbaden: Otto Harrassowitz, 1965

Seibel, Bernadette (1988). Au nom du livre analyse sociale d’une profession: les bibliothécaires. Paris: La Documentation française, 1988

Tullio, Fabio (2016). Zur Legitimation Öffentlicher Bibliotheken. In: LIBREAS. Library Ideas, #30 (2016), https://libreas.eu/ausgabe30/tullio/

CfP LIBREAS. Library Ideas #32 Wirkt Open Access? Oder: Wo ist die Utopie geblieben?

Posted in LIBREAS Call for Papers by Karsten Schuldt on 14. Juni 2017

Little proof exists to warrant an overturn of the current publishing system—a system that has been refined over many decades and works to the mutual benefit of various stakeholders.

Brian D. Crawford, 2003

 

An old tradition and a new technology have converged to make possible an unprecedented public good.

Jean-Claude Guédon, 2017

 

Wir, die Unterzeichner, fühlen uns verpflichtet, die Herausforderungen des Internets als dem zunehmend an Bedeutung gewinnenden Medium der Wissensverbreitung aufzugreifen. Die damit verbundenen Entwicklungen werden zwangsläufig zu erheblichen Veränderungen im Wesen des wissenschaftlichen Publizierens führen und einen Wandel der bestehenden Systeme wissenschaftlicher Qualitätssicherung einleiten.

Berliner Erklärung, 2003

 

 

Oktober 2003: Die „Berlin Declaration on Open Access to Knowledge in the Sciences and Humanities” wird veröffentlicht und sukzessive von Forschungseinrichtungen, Institutionen der Forschungsförderung und Bibliotheken unterzeichnet. Es scheint ein Wind der Veränderung zu wehen: Open Access gilt als Lösung der Zeitschriftenkrise, als zeitgemäße Reaktion auf die technischen Entwicklungen in der Wissenschaftskommunikation, als Möglichkeit, wissenschaftliches Wissen mehr und besser und für alle zu teilen, und auch als Möglichkeit, Wissenschaft zu verbessern, etwa indem sich wissenschaftliche Ergebnisse zeit- und ortsunabhängig replizieren und idealerweise nachnutzen lassen. Eine Utopie, gewiss, aber eine, die zum Greifen nahe scheint: Freies Wissen für alle, das wissenschaftliche Publikationswesen wieder näher an der Wissenschaft und das wissenschaftliche Kommunizieren wieder stärker von der Wissenschaft und ihren Bedürfnissen selbst geprägt und nicht von externen Stakeholdern mit Renditeüberlegungen.

 

Mai 2017: Es scheint einen gewissen Katzenjammer zu geben. Auf der einen Seite hat sich ein Konzept von Open Access durchgesetzt, sind Open Access-Büros geschaffen und -Beauftragte bestimmt worden und Infrastrukturen wie Open-Access-Journale und Repositorien entwickelt worden. Aber gleichzeitig scheint der Schwung der Utopie in Ängste vor der Usurpation durch die großen Wissenschaftsverlage umgeschlagen zu sein. Vorherrschend ist eine reine Institutionalisierung ohne wissenschaftsverändernde oder gar gesellschaftsverändernde Konsequenzen und vor allem eine Bevorzugung schon etablierter Strukturen. (Cambridge Economic Policy Associates 2017) Die Punkrockphase des aufregenden und befreienden Do-It-Yourself scheint vorbei, die Phase des Pop ist da. Die Stakeholder mit ihren Profitinteressen sind es ebenfalls. Und dank “Goldwashing” und so günstigen wie öffentlichkeitswirksamen APC-Waivern für bestimmte Ländern haben sie sogar informationsethische Grundideen der Bewegung eingekauft.

Ulrich Herb (2017) stellt in seinem Rückblick auf 15 Jahre Open Access fest, dass die Wissenschaftsverlage, die zu Beginn der Debatten in den Utopien gar nicht mehr vorkamen, heute aus Open Access ein einträgliches Geschäftsmodell geformt haben, das anfänglich über Kampagnen gegen Open Access und später über Open-Access-Gebühren, Aufschläge für Freie Lizenzen für Artikel und Verhandlungen auf Konsortialebene funktioniert. Ironischerweise scheinen gerade die Nutznießer der Zeitschriftenkrise auch die Gewinner der Gegenbewegung zu sein. Forschungsfördereinrichtungen und Hochschulen finanzieren heute Open-Access-Gebühren oder richten Förderlinien ein, die die Umwandlung vorhandener Zeitschriften wissenschaftlicher Verlage in Open-Access-Zeitschriften finanzieren. Konsortialverhandlungen, auch im Bezug auf Open Access, werden heute mit harten Bandagen ausgetragen, und zwar auf der Ebene der nationalen Wissenschaftsstrukturen.

 

Für Bibliotheken verändert sich die Situation dahingehend, dass sie neben oft zunehmend reduzierten Beständen Publikationsfonds verwalten. Sie stehen nach der Etablierung vernetzter, digitaler Medienformen seit den frühen 1990er Jahren daher ein zweites Mal vor einer Legitimationskrise. Argumentierte man damals, dass Online-Strukturen des Publizierens und Kommunizierens und damit eine “Verflüssigung” des Bestands in eine Bildschirmwelt außerhalb der Lesesäle und Magazine Bibliotheken als Versorgungsorte überflüssig machen würden, so nähert sich nun eine Herausforderung über eine organisatorische Frage: An welcher Stelle im Prozess der wissenschaftlichen Kommunikation sollen und dürfen sie aktiv werden? Genauer gesagt: Wie viel Bibliothek wird für das Open-Access-Publizieren überhaupt benötigt?

 

Für Bibliotheken und Verlage gibt es eine Art unwillkommenes Dejavu, nachdem Modi für die digitale Simulation analoger Abhängigkeitsketten halbwegs etabliert werden konnten. Folglich wird hauptsächlich mit urheberrechtlichen und lizenzrechtlichen Barrieren versucht, der Auflösung der Prinzipien der Analogkultur durch digitale Medialitäten entgegen zu wirken. Der Dynamik und Unabgrenztbarkeit digitaler Kommunikationsstrukturen versuchen sie etwas Handfestes entgegen zu halten, getrieben von der Angst, Wissenschaft könnte früher oder später doch an ihnen vorbei kommunizieren.

 

So entdecken beide zum Beispiel den Wert von digitalem Erfolgsmonitoring für die Wissenschaft, dessen Verfahren in der Regel kaum transparenter als der Impact Factor sind. Wo die digitale Barriere den Zugang zum Medium nur mühsam erhält, entwickelt man Mehrwertdienste und neue Barrieren. Sind das Rückzugsgefechte? Oder Neuinterpretationen der eigenen Rolle?

 

Die kommende Ausgabe von LIBREAS möchte die Gemengelage hinter dieser Zuspitzung betrachten. Selbstverständlich lässt sich heute fragen: Werden Bibliotheken (und die klassischen Verlage) zur Organisation einer (utopischen) wissenschaftlichen Publikations- und mehr noch Kommunikationskultur, die rein digital und komplett Open Access ist, überhaupt noch benötigt? Zugleich kann man gegenfragen: Wenn nicht sie, wer dann? Welche institutionellen Alternativen gibt es für die Organisation der wissenschaftlichen Kommunikation?

 

Über all dem schwebt seit Anbeginn die Frage der Finanzierung. Die Intransparenz der Publikationskosten steht auf der einen Seite, der Overhead des Betriebs von Bibliothekssystemen auf der anderen. Beides steht unter Legitimationsdruck, wobei der Open-Access-Diskurs interessanterweise vor allem die Verlage in den Blick nimmt. Oder ist es doch alles anders? Wir suchen für die Ausgabe #32 Beiträge, die gern auch sehr offen und schonungslos die Wechselbeziehung zwischen den drei Komponenten – Open Access, Bibliotheken und Verlage – in den Blick nehmen, hinterfragen, dekonstruieren, vermessen und analysieren.

 

Eine wichtige Rolle in der Ausgabe sollen auch Beiträge aus der Praxis spielen. Welche Fragestellungen und Ansätze gibt es an Bibliotheken, Open Access empirisch zu begleiten? Auf welche Werkzeuge und Datenquellen wird für das “Open Access Monitoring “ etwa im Rahmen der jährlichen Berichtspflichten für das DFG-Programm “Open Access Publizieren” zurückgegriffen? Ob und inwieweit werden die Ergebnisse diskutiert und geteilt? Welche alternativen Zugangsmöglichkeiten zu Open-Access-Literatur gibt es? LIBREAS. Library Ideas ruft für die empirischen Beiträge insbesondere zur Publikation dynamischer Formate wie R Markdown auf, so dass sich Analysen technisch nachvollziehen lassen. Mittels GitHub, über das LIBREAS. Library Ideas quelloffen gehostet wird, ist auch die gemeinsame Veröffentlichung von dynamischen Abbildungen, Daten oder Skripten möglich. Denn selbstverständlich folgen wir als erste originäre bibliothekswissenschaftliche Open-Access-Zeitschrift im deutschsprachigen Raum nach wie vor der Utopie der frühen 2000er Jahre, die wir zwar nun kritischer sehen, aber nach wie vor ernst nehmen. Dass sie in der Open-Source-Welt und nicht bei Bibliotheken und im wissenschaftlichen Publizieren ihre eigentliche Entfaltung fand und immer noch findet, zählt eben auch dazu.

 

Deadline ist der 22. Oktober 2017

 

Eure / Ihre Redaktion LIBREAS.Library Ideas

(Berlin, Chur, Dresden, Göttingen, München)

Literatur

Cambridge Economic Policy Associates (2017). Financial Flows in Swiss Publishing. Final Report.

 

Crawford, Brian D (2003). Open-Access publishing: where is the value? In: The Lancet, Volume 362, Issue 9395, 8 November 2003, Pages 1578–1580. DOI: 10.1016/S0140-6736(03)14749-6.

 

Guédon, Jean-Claude (2017). Open Access: Toward the Internet of the Mind.
http://www.budapestopenaccessinitiative.org/open-access-toward-the-internet-of-the-mind.

 

Herb, Ulrich (2017). Open Access zwischen Revolution und Goldesel: Eine Bilanz fünfzehn Jahre nach der Erklärung der Budapester Open Access Initiative. In: Information. Wissenschaft & Praxis 68 (1) 2017:1-10. https://hcommons.org/deposits/item/hc:11549/

 

Edit:

Im Literaturverzeichnis einen Link zu einer OA-Version des Artikels von Ulrich Herb eingefügt. (21.07.2017, KS)

Call for Paper LIBREAS #25: Women and Libraries.

Posted in LIBREAS Call for Papers by libreas on 1. April 2014

(A German version of this CfP can be found here.)

Preliminary remark

LIBREAS will publish a “Women’s issue” this summer. And there is a good reason for it. As we would love to include more international angles, we translated the respective Call for Papers and we would appreciate if you would read it, share it, and possibly contribute a paper, an essay, even a work of art. And yes, it can be in English and will be published in English.

Bona-Peiser-Bibliothek in Berlin-Kreuzberg

In Berlin (located at the much less-hipsterized end of the Oranienstraße) there is, somehow expectedly, a small public-library-branch named after Bona Peiser. Alas, one has to say, there still is. The branch was opened in 1964 and there are plans to close the library for good this September. (photo: Heike Stadler)

Call for Papers 

A long time ago, libraries were a male domain. Today they are a quite often considered more or less to be female realms. (A fact continuously validated; for example see Schiller 1974.) Thomas Adametz referred in two papers, published 1987 and 1992, tp Bona Peiser as the „first people’s librarian“ [Volksbibliothekarin] . ( Adametz 1987, 1992) Frauke Mahrt -Thomsen (Mahrt -Thomsen 1995) termed Bona Peiser to be „Germany’s first librarian“ and reaffirmed this claim recently in the first monograph on Bona Peiser. ( Marth -Thomsen 2013)

What does this small difference between the “people’s librarian” and “librarian” distinguish? Or is, in hindsight, this question not even of importance? Does the fact that she chaired a public Bücherhalle in Berlin-Kreuzberg (which was operated by the Deutsche Gesellschaft für ethische Kultur [German Society for Ethical Culture], which itself was inspired by the US Public Library principles) and not the book collection of some college? If one considers the historical context, it should not be forgotten that it would be still about 20 more years after Bona Peiser went into managing this public library before Rahel Hirsch was appointed to be the first female professor of medicine in Germany. At this time, female librarians were already rather common. The monthly magazine “Deutsche Monatsschrift für Russland” reported the news in 1912: “More than 400 women are now working in this profession […]”( Sprengel 1912 , 320)

Bona Peiser was born April, 26th 1864 in Berlin. Consequently, 2014 marks the 150th anniversary of her birth 2014. This special date is the reason for LIBREAS to dedicate our 25th issue to the women in librarianship. How did they shape librarianship in Germany? How did they in other countries ? What names should be or become (more) present and why?

Who are the heroines of librarianship ? Or do libraries and librarianship need no heroines ? How do women shape the present as well as the future of libraries? Why is the library today considered to be a “female” space ? Surely there is an interplay between status, income , career prospects and gender, but how exactly does this interplay take place in librarianship ? Will the library of the future remain a “female space” ?

As noted by several feminist scholars, women were introduced by Melvil Dewey as staff in the U.S. librarianship because he believed they could work accurately and socially , while their employment cost less than men. This ambivalent attitude which stressed „feminine virtues“ opened a labor market which was not only cost-conscious, but rather sexist (Vann 1977), is also present in German library history:

 „Dieses Persönlich-Geistige des bibliothekarischen Berufs zieht die Frauen erfahrungsgemäß stark an, und es ist keine Frage, daß die Frau für dieses Gebiet gute Eigenschaften mitbringt. Ist es ihr nicht von Natur gegeben, auf andere einzugehen, besitzt sie nicht Schmiegsamkeit des Geistes und die Elastizität, die es allein ermöglichen, Menschen mit den verschiedensten geistigen Bedürfnisssen zu verstehen? Fühlt sie nicht und sieht, wonach gesucht wird, während der Mann noch des erklärenden Wortes bedarf? Und ist es nicht gerade ihre ‘Liebe zu den Büchern’, die sie in die Bibliothek führt? Das alles ist, obwohl auch hier nicht verallgemeinert werden darf, richtig, und das alles sind wichtige Voraussetzungen für erfolgreiches Wirken.“ (Hoffmann-Bosse 1915, 11)

[„The interpersonal intelligence of the library profession attracts woman predominantly, according to experience, and there is no question that the woman possesses good properties for this field of work. Is it not given to her by nature to be responsive to others , doesn’t she possess suppleness of mind and an elasticity , which allow her to understand people with various intellectual needs ? Doesn’t she feel and see what is sought for, where the male still needs a word of explanation? And isn’t it especially her ‚ love for books ‚ which brings her to the library ? All this is, though it may not be generalized here and all those are important prerequisites for successful work. “ ( Hoffmann- Bosse 1915 , 11)]

In Danilo Vetter’s documentary „Geschlecht – (k)eine Frage in Bibliotheken?“ Margit Hauser, Elisabeth Wiesenbaum and Monika Bargmann, a library professional named Helga Luedtke speaks up ( Vetter 2013). She does not consider herself primarily as a librarian „but as a freelancer woman who’s still interested in libraries.“ In his film, Vetter takes on four themes : feminization , feminist criticism , gender mainstreaming and stereotypes and image. He provides four so-called snapshots that invite self-reflection. We would like to invite to reflect on those themes in LIBREAS as well.

Obviously, it is not only about library staff . In many libraries, the number of female users exceeds the number of males. Especially public libraries (at least in Germany) appear partly as a overall female domain. But is that true? And if so, what does this mean? Is that just right or is there a need for change?

Finally, this leads to the question of whether or how the associated libraries with feminine gender roles affect men who are active in libraries as staff or users. For example, a Onleihe –advertisment tries to break the expectation and puts a decidedly butch librarian to the shelves , who, again rather typically, informs a female user that she now might borrow e-books. ( ekzLibraryServices 2013) So how does the rise of IT in libraries influence role models, since (again: at least in Germany) technology is widely associated with masculinity?

If one discusses „women in/and libraries“ of course variations of gender relations can/should be taken into account. One might ask, why there have been dedicated women’s libraries for decades.

LIBREAS is especially looking forward to contributions that go cutting edge. We would love to receive contributions about women by women and/or men, which point out more than the constantly recurring clichés, but try to take up the threads of previous debates and discussions about the topics specified above, possibly to revivify and deconstruct the particular aspects over and below the surface. Formally, as always, we are open for almost every take on this subject. We welcome scientific analysis as well as essays as well as even artistic approaches.

Please feel free to ask the editorial board if you have any question regarding this or other issues of LIBREAS or LIBREAS in general. The deadline for the upcoming issue is set on May, 15th 2014 –  redaktion@libreas.eu.

Yours,

The Editors
(Berlin , Bielefeld, Chur , Mannheim, Potsdam)

References

Adametz, Thomas: Bona Peiser – Berlins erste Volksbibliothekarin. In: Der Bibliothekar 41(1987), S. 111-113.

Adametz, Thomas: Bona Peiser (1864-1929) : Wegbegleiterin der Bücherhallenbewegung und Deutschlands erste Volksbibliothekarin. In: Leidenschaft und Bildung, Berlin 1992, S. 133-141.

ekzLibraryServices: Onleihe – Der Kinospot. http://www.youtube.com/watch?v=G6TOOclDBps [17.11.2013].

Hoffmann-Bosse, Elise: Die Frau im Dienste der volkstümlichen Bibliothek: Eine Auskunft für weitere Kreise über den Beruf der Bibliothekarin an der volkstümlichen Bibliothek (Schriften der Zentralstelle für volkstümliches Büchereiwesen ; 2). Leipzig : Theid. Thomas Verlag, 1915.

Mahrt-Thomsen, Frauke: „Die öffentliche Bücherei muß jederzeit für jedermann unentgeltlich offenstehen“ : Bona Peiser – Deutschlands erste Bibliothekarin. In: BuB 47 (1995) 1, 56-60.

Mahrt-Thomsen, Frauke: Bona Peiser : die erste deutsche Bibliothekarin. Berlin: BibSpider, 2013.

Schiller, Anita R.: Women in Librarianship. In: Advances in Librarianship 4 (1974), 103-147.

Sprengel, Auguste: Die Berliner Ausstellung “Die Frau in Haus und Beruf” und der deutsche Frauenkongreß. In: Deutsche Monatsschrift für Rußland 1 (1912) 4, 307-312 ; 1 (1912) 5, 385-397 ; 1 (1912) 6, 502-512.

Vann, Sarah K.: Melvil Dewey: His Enduring Presence in Librarianship (The Heritage of librarianship series ; 4). Littleton, Co : Libraries unlimited, 1977.

Vetter, Danilo: Geschlecht – (k)eine Frage in Bibliotheken? http://www.youtube.com/watch?v=uWR-YQz2Pp8[08.03.2013].

Guten Morgen 2013, komm doch (auch) nach Potsdam altes Haus

Posted in LIBREAS aktuell, LIBREAS Veranstaltungen, LIBREAS.Feuilleton by Karsten Schuldt on 2. Januar 2013

Für den ersten Post des Jahres 2013 – das hoffentlich besser und erfolgreichen und interessanter und aufregender wird als 2012, wie man das sich ja immer wünscht – ein Hinweis auf das, was im laufenden Jahr mit der LIBREAS und dem LIBREAS. Verein passieren wird.

  1. Am 22. März 2013 wird, als Satellit des ISI, die nächste frei<tag>, also eine Unkonferenz des LIBREAS. Vereins, stattfinden. Das Motto lautet vorwärtsdrängend raum:shift [information science], es soll um nichts geringeres als eine Richtungsbestimmung des gesamten Wissenschaftsgebiets gehen. Die gesamte Einladung findet sich auf der Homepage des LIBREAS. Vereins. Mehr Informationen finden sich unter www.libreas-verein.eu/freitag. Das Social Event wird auf dem Theaterschiff Potsdam stattfinden (was alleine den Besuch schon lohnt). Wir würden uns über einen großen Zuspruch freuen.
  2. Wie auf der Mitgliederversammlung im letzten Jahr beschlossen – auf der übrigens alle Mitglieder des LIBREAS. Vereins stimmberechtigt sind – wird die LIBREAS im Jahr 2013 mit mindestens drei Ausgaben erscheinen. Die Call for Papers für die ersten zwei Ausgaben wurden schon veröffentlicht. Noch bis 31.01.2013 können Beiträge für die Ausgabe #22 Recht und Gesetz eingereicht werden. Bis zum 31.05.2013 ist der Call for Papers für die Ausgabe #23 Forschungsdaten, Metadaten, noch mehr Daten. Forschungsdatenmanagement geöffnet. Die Themen der folgenden Ausgaben werden sich in Zukunft zeigen. Wir hoffen aber wie immer auf zahlreiche, interessante, vorwärtszeigende und zum Denken anregende Einreichungen (auch außerhalb der Schwerpunktthemen).
  3. Am Ende des Jahres 2013 wird die LIBREAS ein anderes Aussehen haben als am Ende des Jahres 2012.
  4. Wir sind im letzten Jahr gewachsen. Wir hoffen, nicht nur quantitativ, sondern auch qualitativ. Die Redaktion umfasst seit Kurzem neun Personen – und damit erstmals nicht nur Personen, die an der Humboldt Universität studiert haben, was sich bestimmt auch auf die Ausrichtung des Zeitschrift auswirken wird -, der Verein hat einen steigenden Stamm an Mitgliedern. Wir deuten das unter anderem als ein steigendes Interesse an einer Kommunikation im Feld der Bibliotheks- und Informationswissenschaft, hoffen aber auch, mit der Zeit wirklich eine Infrastruktur anbieten zu können, die solche Diskussionsprozesse unterstützt. Neben der Zeitschrift selber veranstalten wir 2013, wie schon gesagt, die dritte Unkonferenz. Wir haben noch nicht entschieden, ob das eine regelmäßige Veranstaltung wird; aber egal wie diese Entscheidung ausgeht, wir haben ein Interesse an mehr Veranstaltungen. (Deshalb auch ein Verein, bei dem Personen sich anders engagieren können, als „nur“ mit Redaktionsarbeit.)
  5. Ein persönlicher Wunsch: Möge im Jahr 2013 die Selbstverständlichkeit (und der Mut) wachsen, mit der an Debatten der Bibliotheks- und Informationswissenschaft teilgenommen wird, mit der auch Personen aus „den praktischen Felder“ (also den Bibliotheken, Informations- und Dokumentationseinrichtungen, dem Information Brokering und so weiter) an ihnen teilhaben. Jedes Jahr schaue ich nach Silvester auf den philosophischen Teil meiner privaten Bibliothek und denke, wenn ich Kant sehe: „Sollten wir nicht längst im aufgeklärten Zeitalter leben? Gehört da nicht ein aufgeklärter Diskurs dazu?“ (Daneben steht dann die Dialektik der Aufklärung und der gesammelte Foucault. So naiv bin ich dann auch nicht, den Kant alleine zu nehmen. Und es geht selbstverständlich immer um das große Ganze, nicht nur die Bibliotheks- und Informationswissenschaft. But…) Einen solchen Diskurs, bei dem wir alle danach streben aus der selbstverschuldeten Unmündigkeit uns zu befreien – einen solchen muss man üben. Ich hoffe, dass wir 2013 viel üben werden.
  6. 2012 gab es einige Debatten darüber, ob wir neue Pubikationsorgane im Bibliothekswesen und der Bibliotheks- und Informationswissenschaft benötigen. Und ja: Wir brauchen sie. Jetzt, Anfang 2013, sind diese Publikationsorgane nicht aufgetaucht (stattdessen vollkommen unerwartet eines aus München). Mögen diese Debatten nicht einfach einschlafen.

So denn auf ein Neues: Mehr Texte lesen, mehr Theoriearbeit machen, weniger Marketing, mehr Mut haben, Dinge zu sagen die wahr sind und Dinge, die falsch sind, falsch zu nennen. Mehr Unterschiedlichkeit in den Texten zulassen. Mehr Menschen in die Vereinsarbeit einbinden. Mehr Spass haben weniger Stress. Täglich ein gutes Gedicht lesen. Daran arbeiten dass es besser wird (alles). Die LIBREAS nicht nur in Berlin lassen. Auf ein neues. Auf 2013.

Karsten Schuldt, Berlin 02.01.2013

Call for Papers für LIBREAS Ausgabe 16: Kinder

Posted in LIBREAS Call for Papers by Ben on 28. April 2009

– english version –

Für Öffentliche Bibliotheken in Deutschland sind Kinder die maßgebliche Zielgruppe und ein wichtiger Identifikationspunkt: ein Großteil der bibliothekarischen Veranstaltungen findet für Kinder statt; in Imagebroschüren, auf Webseiten und überall, wo es der Öffentlichkeitsarbeit auf eine symbolische Aussage ankommt, finden sich regelmäßig Bilder, die Kinder lesend, lauschend oder vor Bücherregalen zeigen. Fragt man nach besonderen Bereichen einer Öffentlichen Bibliothek, werden mit hoher Wahrscheinlichkeit die Kinder- und Jugendabteilungen assoziiert.

Aussagen, dass Kinder (ein Symbol für) die Zukunft sind, werden dadurch unterstrichen, dass der Fokus in Bibliotheken seit einigen Jahren verstärkt auf der intensiven Förderung von Kindern liegt, zum Beispiel durch bibliothekarische Projekte und Angebote speziell für diese Altersgruppe. Dem steht zwar der Anspruch der Bibliotheken gegenüber, für alle Altersstufen Angebote und Dienstleistungen bereitzustellen. Die praktische Bevorzugung von Kindern in Öffentlichen Bibliotheken wird jedoch allgemein akzeptiert – nicht nur in Bibliotheken, sondern auch in Gesellschaft und Politik.

Wieso ist das so? Was macht Bibliotheken für diese Altersgruppe so ansprechend und warum schenken Bibliotheken dieser Altersgruppe überproportional viel Aufmerksamkeit? Warum schmücken sich Bibliotheken bevorzugt mit Bildern von lesenden Kindern? Diese Fragen öffnen ein weites Themenfeld, in dem es darum gehen muss, wie die tatsächliche Arbeit jenseits öffentlichkeitswirksamer Kampagnen aussieht, in dem geklärt werden müsste, ob Bibliotheken für Kinder tatsächlich als Lerneinrichtungen dienen sollen und können, ob sie eher Spielplatz sein sollten oder Partner formeller Erziehungsinstitutionen. Es drängt sich zudem die Frage auf, ob Forschungen zu Kindern aus den Erziehungswissenschaften, der Familiensoziologie oder der Kulturwissenschaft in Bibliotheken wahrgenommen werden. Nicht zuletzt wäre es interessant, wenn einmal das Phänomen, dass Kinder aufhören im Jugendalter Bibliotheken zu nutzen, genauer untersucht würde. Leisten Bibliotheken an dieser Stelle einfach nicht genug für eine erwachsene(re) Nutzerschicht? Oder können sie den Spagat zwischen frühkindlicher Förderung und Erwachsenenbildung sowohl personell, finanziell, aber auch aus inhaltlichen Gründen einfach nicht erbringen? An dieser Stelle steht auch das Konzept des Lebenslangen und Lebensbegleitenden Lernens, welches durch die EU und die Bundesregierung forciert wird, auf dem Prüfstand: welchen Stellenwert nehmen Bibliotheken innerhalb dieses Konzeptes ein?

LIBREAS möchte in der Ausgabe 16 einen gewohnt kritischen Blick auf die bibliothekarische Arbeit mit der größten Nutzergruppe werfen. Dazu sind Beiträge aus allen Bereichen des Bibliothekswesens willkommen. Aber auch Perspektiven anderer Fachgebiete auf das Phänomen Kindheit, das in der bekannten Form ein Kind der Aufklärung ist, sind willkommen. Kindheit ist immer auch als eine Erscheinung der Gesellschaft zu verstehen und steht in Wechselwirkung zu Entwicklungen in dieser. Daher lässt sich z.B. fragen, welche Konsequenzen aus den Ergebnissen der Arbeitsmarktsoziologie für die Kindheit gezogen und auf die Arbeit in Bibliotheken und anderen kulturellen und Bildungseinrichtungen übertragen werden können.

Welche Lerntheorien, welche Ergebnisse aktueller Lernforschung, Lesetheorien und -konzepte sind nützlich für Bibliotheken? Ist die beständige diskursive Verbindung von Kindern und Bibliotheken mit Leseförderung und Bildung eher kontraproduktiv? Brauchen Kinder in Bibliotheken Spieleecken oder eher Bücherregale? Wäre es schlimm, wenn Kinder Bibliotheken eher als Spielplatz und sozialen Raum wahrnehmen und nutzen? Und wie betrachtet man diese Themenvielfalt in anderen Ländern?

Wie immer begrüßt LIBREAS auch Beiträge, die sich allgemein mit den gesellschaftlichen Veränderungen befassen, die Bibliotheken betreffen. Der demographische Wandel und die wachsende Zahl von Kindern mit sehr unterschiedlichen „Migrationshintergründen“, die sich verändernde soziale Zusammensetzung der Kinder, die Bibliotheken nutzen und der Kinder, die sie nicht nutzen wie auch die umstrittene Analyse, heutige Kinder als Digital Natives zu identifizieren, sind die augenfälligsten Themen, die weit mehr Einfluss auf Bibliotheken haben werden als angenommen.

Außerdem kommt man in einer globalisierten Welt nicht darum herum, auch einen globalen Blick einzunehmen. Ist beispielsweise der One Laptop per Child-Computer nur für südamerikanische Bibliotheken ein Thema? Wie gehen japanische Bibliotheken mit dem Kinder- und Jugendmedium Purikura um und was ist daraus zu lernen? Bei alledem dürfen mehrere Fragen nicht vergessen werden, zu denen sich scheinbar in bibliothekarischen Texten zu Kindern zurückhaltend bis gar nicht geäußert wird: Wie entwickelt man eigentlich einen kindgerechten Bestand? Und welche Qualifikationen müssen die Mitarbeiter/innen von Bibliotheken dafür besitzen und wer soll ihnen diese Qualifikationen vermitteln? Sind Bibliothekar/innen, die sich nicht in ihrer Freizeit in sozialen Netzwerken tummeln, Computerspiele spielen oder mit einem MP3-Player umgehen können, etwa ungeeignet, um mit Kindern kompetent umzugehen? Hier prallen unterschiedlichste Lebenswelten und Ansprüche an Kompetenzen aufeinander – gibt es einen Weg, eine Brücke zwischen ihnen aufzubauen?

Deadline für Papers ist der 31.01.2010.

Call for Papers Issue 16: Children in the Library

Posted in LIBREAS Call for Papers by Ben on 28. April 2009

deutschsprachige Version

Children represent one of the largest groups of patrons served by the public library. This may be one of the reasons why many positive associations are linked to these institutions in society. Despite their importance, children lack representation within the LIS literature or, if they are subjects of literature, authors refer to well-intentioned but more paternalistic strategies which result in one-sided approaches. For instance, literacy is one of the main issues at which libraries work is aimed. However, a short glance in public libraries reveals that literacy programs constitute only one small portion of the children’s interaction with the library – children mostly make use of a library as a playground and a place for adventure.

Apart from the practice-oriented discussion, LIS literature also lacks interdisciplinary connectivity to fields such as pedagogy, educational research, anthropology and sociology to name a few. One may assume that the already achieved knowledge which scrutinizes one-sided approaches to learning activities may influence the discussion. One may also expect a growing influence of the ongoing debate about new perspectives on early childhood education in the LIS literature.

Last but not least, recent demographic changes within western societies are changing the social structure that children inhabit. On one hand, immigration leads to a higher proportion of children with multi-cultural backgrounds; on the other hand children are growing up in a more distinguished media landscape. These developments are undeniable and cause new challenges in practise. Nevertheless, there is a striking discrepancy between reality and scientific discourse.

LIBREAS aims at shedding light on this discrepancy and proposes an interdisciplinary symposium held in Berlin complementing issue #16. Our purpose is to bring together representatives from the respective disciplines and librarians in order to debate the benefits and limits of library work for children.

General sample questions for discussions are:
• What is the impact of library work on children and how can it be assessed in an evidence-based manner?
• What is the relationship between libraries and educational institutions?
• Do librarians take enough advantage of educational research?
• What does an appropriate learning environment of children look like? What kind of needs must such an environment fulfill?
• What are children doing in the library and what keeps them there?
• Why do children stop going to a library when they grow up?
• How does library work reflect diverse cultural and social backgrounds of children?
• Are children really „digital natives“?
• What kind of media do children expect in the library and elsewhere?
As an E-Journal with an editorial board both in Berlin (Germany) and St. Paul, Minnesota (US) we aim to compare the situation in the US and Germany both on a national and on a local level.
• Social and demographic conditions
• Ambitions and realities of library programs
• The role of immigrants (e.g., in Germany it seems that library services are often aim at white, middle-class kids)
• Personal experiences of parents, librarians, teachers and children
• Best-Practises apart from read-aloud, gaming and Harry Potter parties
LIBREAS is looking forward to your fresh and controversial contributions on the topic of “Children in the Library”. Indeed, we welcome new perspectives on that issue not outlined above, too. If you have any questions, please do not hesitate in contacting us.

Proposed submission deadline: 31 January 2010

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Call for Papers LIBREAS #15: Nach der Semantik – eine neue linguistische Kehrtwende

Posted in LIBREAS Call for Papers by Ben on 14. März 2009

english version

Eine zentrale Herausforderung für die Bibliotheks- und Informationswissenschaft liegt in der grundlegenden Veränderung ihres Gegenstands: War das Bezugsobjekt traditionell ein physischer Datenträger, der als die Inhalte repräsentierende Instanz behandelt wurde, erfordert das digitale Auftreten dieser Inhalte eine fundamental andere Perspektive.

Gewisse Vorläufer lassen sich im Dokumentationswesen und der Dokumentationswissenschaft sehen. Die Form, in der Inhalte vorliegen, erweist sich in digitalen Umgebungen als flexibler Aspekt. Inhalte werden hier hypertextuell offen erzeugt, dynamisch distribuiert und automatisch erschlossen. Die Anwendung traditioneller intellektueller Erschließungsverfahren erweist sich angesichts der schieren Menge an Material als nicht einlösbar.

Nimmt man die Dreiteilung der Semiotik in Syntaktik, also die Beziehung von Zeichen zueinander, Semantik, die Beziehung zwischen Zeichen und den sie symbolisierenden Objekten sowie die Pragmatik als Beziehung zwischen den Zeichen und den sie Verwendenden als Bezugsrahmen, so bewegen sich die technischen Erschließungsmöglichkeiten momentan überwiegend auf der syntaktischen Ebene. Diese ist aufgrund der eindeutigen binären Struktur digitaler Texte auf der Zeichenebene zu 100 % präzise: Es müssen nur die richtigen Relationen algorithmisiert und angewandt werden.

Auf der semantischen Ebene, die die Relation zwischen dem Zeichen und dem dahinter stehenden Bedeuteten betrifft, finden sich im so genannten Semantic Web z.B. im Bereich der Ontologiekonstruktion, technische Ansätze, die aber in ihrer tatsächlichen Wirksamkeit momentan eher eingeschränkt sind. Um Bedeutungsverhältnisse praktisch zu realisieren, ist nach wie vor ein intellektueller Eingriff notwendig.

Die pragmatische Ebene entzieht sich bisher nahezu völlig einer technischen Umsetzung. Sie gewinnt aber in dem Maße, in dem sich die Kommunikation digital vermittelt vollzieht, an Relevanz. Es vermischen sich an dieser Stelle explizit als Publikation intendierte Inhalte mit eher persönlichen Äußerungen. Syntaktische und auch semantische Technologien können hier nur schwer differenzieren.

Die zu diskutierende Leitthese der nächsten LIBREAS-Ausgabe lautet, dass eine zeitgemäße Beschäftigung mit Zeichen und Zeichenstrukturen den gesamten semiotischen Rahmen einbeziehen muss. Eine Beschränkung auf syntaktisch-strukturelle Aspekte führt zu einer Verkürzung des Blicks hinsichtlich der tatsächlichen Nutzung solcher Umgebungen. Ein rein intellektuell-pragmatischer Ansatz scheitert zwangsläufig an der Fülle des Materials. Erst durch die Verbindung der drei Ebenen kann die Bibliotheks- und Informationswissenschaft der Komplexität vernetzter, digitaler Inhalte gerecht werden.

Unklar ist bislang, wie diese Verbindung realisiert wird. Für die nächste Ausgabe von LIBREAS suchen wir daher Beiträge, die sich konzeptionell und/oder methodologisch mit diesem Kontext im engeren und auch weiteren Sinn befassen und/oder die Leitthese diskutieren. Ziel ist es, die Beziehungen zwischen Zeichen und Texten mit ihrem syntaktischen und semantischen Eigenschaften und den menschlichen Akteuren, die diese in digitalen Netzen verwenden, zu elaborieren sowie Einsatzfelder und methodische Potentiale der Bibliotheks- und Informationswissenschaft in diesem Zusammenhang zu formulieren. Redaktionsschluss ist der 24. Juli 2009. Bitte achten Sie auf unsere Autoreninformationen. Sie erreichen die Redaktion unter redaktion@libreas.eu.