LIBREAS.Library Ideas

It’s the frei<tag> 2012 Countdown (18): Bibliothek und Tagpfauenauge bei Vladimir Nabokov.

Ben Kaden

Vorbemerkung: Es ist unvermeidlich Sommer und wer dieser Tage ins Berliner Institut geht, findet es zwar aufgeschlossen, aber doch verlassen vor. Was in gewisser Weise auch vernünftig ist, denn auf hoher Rotation ganzjährig durchzuarbeiten, erweist sich selten als nachhaltig gesundheitsfördernd. Zuviel Sommerfrische dann offenbar auch wieder nicht und wir wissen nicht ganz genau, wie es geschehen konnte, dass uns der Countdown-Beitrag Nummer 18 einfach verloren ging. Damit wir dem nicht weiter nachgehen (und uns womöglich ebenso verlieren) müssen, deklarieren wir einfach den heutigen Beitrag zur Nummer 18. Und erinnern uns damit wieder zurück an das schöne Wochenende und die dazu gehörende Stimmung, die schwerwiegenden Überlegungen zu Bibliotheks- und Informationswissenschaft wenig und einem lockerem Querlesen auf der Wiese im Park viel Raum lassen sollte. Umso mehr, als es ja ein Wochenende in den Sommerferien war. Und damit sollte zugleich für diesen Countdown auch unsere Rubrik Die Bibliothek in der Literatur angemessen bedient sein.

Tage wie dieser späte Julisamstag sind typischerweise durch Besuche von Freunden und/oder Verwandten gekennzeichnet. In Berlin jedenfalls sieht man derzeit an den touristischen Sammelstellen (Museumsinsel, Hackescher Markt, Rosenthaler Platz, Bernauer Straße) häufiger, wie jüngere Semester der hiesigen Hochschulen improvisierte Stadtführungen für die, die ihnen hoffentlich am Herzen liegen, veranstalten.

Ob sich dabei auch derart an biografischen Rückblenden reiche Dialoge entwickeln wie zwischen Fjodor Godunow-Tscherdynzew, Hauptfigur in Vladimir Nabokovs letztem in Russisch verfassten Romans „Die Gabe“  (entstanden 1935-1937, enthält eine wunderbare Beschreibung der Pfalzburger Straße) und seiner in Paris lebenden Mutter Jelisaweta Pawlowna, die ihn in Berlin besucht und damit die Erinnerungstür zu Kindheit und verlorenem Vater weit aufstößt, lässt sich freilich nicht beantworten. Nicht ganz unwahrscheinlich ist jedoch, dass sich etwas wie die folgende Szenerie auf den Abreisebahnsteigen abspielt, wenn beispielsweise Studenten der Bibliothekswissenschaft ihre Mütter verabschieden:

„ «Ich mache dir einen Vorschlag», sagte seine Mutter fröhlich, als sie sich trennten. «Ich habe etwa siebzig Mark übrig, mit denen ich nicht viel anfangen kann, und du mußt besser essen. Ich kann nicht mitansehen, wie mager du bist. Hier nimm sie. » – «Avec joie», erwiderte er und sah im Geist sofort eine Jahreskarte für die Staatsbibliothek, Milchschokolade und ein käufliches deutsches Mädchen, das er in manchen schwächeren Momenten sich zu beschaffen gedachte.“ (Vladimir Nabokov: Die Gabe. Reinbeck: Rowohlt, 1993. S. 157)

Das ist natürlich nicht so einfach dahin geschrieben. Wenn sich auch die eventuell nicht jedem schickliche Fantasie eines käuflichen Mädchens nicht erfüllt, so taucht doch ganz nahe liegend (fünf Zeilen) eine Tafel Schokolade und in einiger Entfernung (zwei Kapitel) das Ergebnis ausufernder Lesesaal- und Heimarbeit in Form einer Biografie des Revolutionärs und Schriftstellers Nikolai Tschernyschewski auf. (Spannend ist zudem die Reihenfolge der Bedürfnisse.)

Die Inspiration zum Buch erhielt Fjodor beim Durchblättern einer Ausgabe eines Schachmagazins namens 8×8, das er in einer russischen Buchhandlung am Wittenbergplatz erstand und in dem er, wie zufällig, einen Beitrag mit dem Titel „Tschernyschewski und Schach“ abgedruckt fand. (vgl. S. 277 bzw. S. 316) Die Lektüre desselben

„bereitete Fjodor ein solches Vergnügen, ihn verblüffte und erheiterte der Umstand so sehr, daß ein Autor von einem derartigen geistigen und stilistischen Format das literarische Schicksal Rußlands beeinflußt haben sollte, daß er sich gleich am nächsten Morgen die gesammelten Werke Tschernyschewskijs aus der Staatsbibliothek auslieh.“ (S. 316)

Dem Ausleihvorgang selbst widmet Nabokov eine Beschreibung, die auch Jahrzehnte nach der Entstehung des Romans ohne Probleme als gültig durchgegangen wäre:

„Vor der Staatsbibliothek spazierten neben einem steinernen Bassin Tauben zwischen Gänseblümchen auf dem Rasen. Die Bücher für die Ausleihe kamen in einem kleinen Wagen auf geneigten Schienen in der Tiefe einer anscheinend kleinen Räumlichkeit an, wo sie auf die Verteilung warteten und wo nur ein paar Bücher auf den Regalen herumzuliegen schienen, obgleich sich in Wirklichkeit Tausende angesammelt hatten.
Fjodor schloß seine Portion in die Arme und ging im Kampf mit dem sich verschiebenden Gewicht zur Bushaltestelle.“ (S. 324)

Übrigens erfuhr ein Buch aus Tschernyschewskis Besitz jedoch unglücklicherweise nicht Eigentum, so Die Gabe (S. 365f.),  nicht nur eine äußerst tolpatschig-grobe Behandlung („Er zerschlug Geschirr, bekleckste und verdarb alles. Seine Liebe zum Materiellen wurde nicht erwidert.“ – S. 366) durch Tschernyschweski, sondern wurde auch deutscher Bibliotheksbestand: „[D]ieses Buch  mit den durchlöcherten Gedichten befindet sich jetzt in der Leipziger Universitätsbibliothek, wie es dorthin gelangt ist, war leider nicht in Erfahrung zu bringen“ (ebd.). Wie Fjodor überhaupt auf dieses Exemplar stoßen konnte, leider auch nicht. Denn er arbeitete, wie angedeutet, eigentlich in Berlin:

„Wissenschaftliche Bücher (stets mit dem Stempel der Berliner Bibliothek auf der neunundneunzigsten Seite) wie die vertrauten Bände des Reisen eines Naturforschers in unvertrautem schwarz-grünen Einband lagen Seite an Seite mit den alten russischen Zeitschriften, in denen er den Widerschein Puschkins suchte.“ (S. 161)

Und schließlich findet sich noch ein allen, die einmal studierten, höchst vertrauter Zustand beschrieben: Beim Abschied aus der Pfalzburger Straße, die im Buch allerdings Tannenbergstraße heißt, blickt Fjodor vor dem Umzug in sein nächstes (im Buch zweites und letztes) Quartier noch einmal in sein altes Zimmer:

„Genau zwei Jahre habe ich hier gewohnt, habe hier über viele Dinge nachgedacht, der Schatten meiner Karawane zog über diese Tapeten, Lilien wuchsen aus der Zigarettenasche auf dem Teppich – doch jetzt ist die Reise zu Ende. Die Ströme von Büchern sind in den Ozean der Bibliothek zurückgekehrt. Ich weiß nicht, ob ich jemals die Entwürfe und Auszüge lesen werde, die ich in meinen Koffer unter die Wäsche gestopft habe, aber ich weiß, daß ich hier nie wieder hineinschauen werde.“ (S. 236)

Weitere nennenswerte Bibliotheksbezüge überreicht uns Nabokov in Die Gabe leider nicht. Dafür aber zahllose zusätzliche zitierwürdige Stellen zu allen möglichen Themen von der Straßenbahn bis zum Briefmarkenautomaten (S. 534), bei denen der Leser gern aufjauchzt, weil er seine eigene Lebenswirklichkeit so präzis ausformuliert wieder findet. (Und es gibt auch genügend Stellen, bei denen dies glücklicherweise nicht der Fall ist. Dann aber ist das Werk des Meisters der minuziösen Beschreibung ein außerordentlicher Zeitspeicher für die Stimmung im russischen Berlin der sich verfinsternden 1930er Jahre.)

Tagpfauenauge und Summer School

Flyer trifft Falter. Selbstredend ist auch Nabokovs Die Gabe gespickt mit Schmetterlingen (besonders das zweite Kapitel). Das Tagpfauenauge (Inachis io), eine mehr oder minder stabil herumflatternde Größe in Nabokovs Werk, ist einmal und sehr wichtig dabei (S. 177/178):  Fjodors Vater fing 1871 ein solches vom „Balken einer halbverrotteten Brücke“ in der russischen Sommerfrische. Im Vorwort zu seiner Autobiografie Erinnerung, sprich (Reinbeck: Rowohlt, 1999) erwähnt Nabokov die Erinnerung an einen seltenen Falter, den er im Jahr 1907 an einer Stelle sichtete, an der „ein Vierteljahrhundert zuvor [s]ein Vater in seinem Netz ein Tagpfauenauge gefangen hatte, das in unseren nördlichen Wäldern eigentlich kaum vorkommt.“ Später im Buch (S. 95) wird der Tagfalter, der „besorgt atmend seine vier kirschroten Flügel mit einem pfauenhaften Augenfleck auf jedem auf und nieder bewegte“, allerdings am 17.08.1883 vom deutschen Hauslehrer (Herr Rogge) von Nabokov senior eingenetzt. (S. 95) Und in Ada (Reinbeck: Rowohlt, 2010) findet sich folgende auf Herbst gestimmte Stelle: „Die letzten Schmetterlinge von 1905, träge Pfauenaugen und Admirale, ein Kleiner Perlmuttfalter und ein Wandergelbling machten das Beste aus den bescheidenen Blüten.“ (S. 734) In deutschen Sommergärten ist das Sechsauge dagegen kein Ereignis, aber ein zumeist so oft wie gern besehener Gast. Jedenfalls, wenn er die Flügeloberseite zeigt (zugeklappt ähnelt er mit gutem Zweck einem Brocken Rinde). Ob sich auch ein Exemplar zur LIBREAS Summer School am 18.08. einfindet, werden wir erst dann wissen. Informiert haben wir allerdings schon einmal.

 28./31.07.2012

It’s the frei<tag> 2012 Countdown (16): Kurt Drawert (2), Digitale Geisteswissenschaft und Bibliotheken

Posted in LIBREAS aktuell, LIBREAS.Debatte by libreas on 30. Juli 2012

Ben Kaden

Man erinnerte mich unlängst und nicht unbegründet daran, dass der LIBREAS-frei<tag>-Countdown mit Texten versehen werden sollte, die auch etwas wahlweise mit der Unkonferenz zum Stand der Bibliotheks- und Informationswissenschaft oder derr Summer School des LIBREAS Vereins zu tun haben sollte.

Immerhin meine kleine Glosse zu Kurt Drawert verfehlte diesen Anspruch recht deutlich. Er bereichert aber mein Leben wiederum um die Erfahrung, wie es ist, gelesen und nicht ganz so verstanden zu werden, wie ich es meine. So schreibt Armin Steigenberger auf lyrikzeitung.com:

„Es scheint, dass derjenige, der auch nur irgendwas gegen das Internet vorbringt, heute sofort unter Generalverdacht steht, was ich eigentlich genauso eindimensional finde. Insofern ist Ben Kadens Replik in summa eine ziemlich vorhersehbare Reaktion und an neuen Argumenten, die mich wirklich überrascht hätten, kommt gar nichts.“

Hier kollidieren natürlich Erwartungshaltungen und fast naturgemäß driften Meinen und Verstehen zielstrebig auseinander. In welcher Hinsicht ich generell verdächtige, erschließt sich mir auch nach dem Wiederlesen meines Textes nicht. Gleiches gilt für den Zweck der Pauschalisierung „das Internet“, gegen das zu opponieren freilich genauso sinnvoll wäre, wie der Kampf gegen Bahnschienen, Webstühle, Windmühlen und Schnellstraßen.

Darum geht es aber Kurt Drawert auch nicht. Sondern ihn treibt die Überlegung (oder Angst), wie (dass) sich die Rezeption verändert, wenn sich das Träger- und Abbildungsmedium ändert. Dahingehend geschieht ohne Zweifel viel und die Rezeptionsforschung stürzt sich hoffentlich begeistert auf diese Veränderungen. Und hoffentlich weniger voreingenommen als Kurt Drawert in seinem tristen Text.

Dass dieser den konkret Handelnden und die Mannigfaltigkeit der Wahrnehmungs- und Rezeptionswelten hartnäckig ausklammert, ist für mich der trübste, fast blinde Fleck seines Essays. Dass er zudem den Untergang der Literatur durch Digitaltechnologie prophezeit, ist eine so traurige wie grundlose Schlussfolgerung. Und der bebende Brustton, mit dem diese Einschätzung in den Diskurs eingeworfen wird, liegt so fernab jedenfalls meiner Lebenswirklichkeit, in der man Werkzeuge als Möglichkeiten betrachtet und nicht als auf des Herzens liebste Dinge gerichtete Dolche, dass ich mehr mit Erstaunen als mit Gegenrede reagieren kann. Neue Argumente sind zudem in dieser Urdebatte der digitalen Gesellschaft schon deshalb schwer zu finden, weil ich gar keinen Antagonismus à la „Freiheit des Netzes vs. Freiheit der Buchrezeption“ sehe.

Selbst wenn ich Technologiekritik gemeinhin hoch schätze, vermag ich weder das Problem noch den Pessimismus Kurt Drawerts nachzuvollziehen. Jedenfalls, solange unsere Kultur noch so etwas wie die Lyrikreihe des Hochroth-Verlags hervorbringt und ich die Option habe, meine Abendlyrik in einem stillen Zimmer vom Papier abzulesen. Ich wüsste nicht, welcher Techniker mir das nehmen wollte. Und daher bleibt mir die ganze Aufregung fremd – in einer unangenehmen Weise.

Nun bin ich fast schon wieder dabei, das Thema zu verfehlen. Aber man kann nicht zuletzt in Anschluss an Kurt Drawert (unter Hilfestellung von Armin Steigenberger) immerhin eine Einstiegsthese für die Unkonferenz daraus formulieren:

Digitale Medien verändern die Rezeptionspraxis, „weil das Internet als ‚Resonanzraum‘ kein störungsfreier Raum ist, sondern nebenher allerhand ‚Interferenzen‘ passieren, wo man auch permanent zusätzliche Infos bekommt, die man nicht bestellt hat, die aber die Rezeption, das „sich-Einlassen“ stören […]“ (vgl. http://lyrikzeitung.com/2012/07/29/119-gezwitschert-gegeigt-und-gesungen-2/)

(Die Tatsache, dass es on- und offline individuell große Unterschiede bei der Ausübung der bislang zentralen Kulturtechnik unserer Gesellschaft gibt, mag man vielleicht zunächst ausklammern.) Für die Texthermeneutik und das Close Reading ist diese Frage mindestens genauso relevant, wie für die Bibliotheken, die sich fragen, ob sie in einem Neubau lieber einen klassischen Lesesaal oder eine Kommunikationszone mit Café und Indoor-Spielplatz unterbringen sollen.

Und es wirkt auf die Frage zurück, wie wir schreiben sollen, wenn wir für das Netz schreiben. Armin Steigenberger betont beispielsweise in seiner Replik zu meiner Drawert-Lektüre, dass sich die Besprechung des Aufsatzes Kurt Drawerts in einem Weblog womöglich verbietet:

„Hinzu kommt die Tatsache, dass Drawerts NZZ-Artikel nicht im Netz verfügbar ist, was gewissermaßen gewollt ist – alles andere wäre ja wieder eine Einladung zum Entreißen, würde seine These nur belegen, dass eben alle Texte verlieren, sobald sie online sind und somit zu Verkürzung und Überlassung einladen. Denn diesen Text im Blog zu besprechen wäre vergleichbar damit, eine Blogdiskussion über die These abzuhalten, ob Blogdiskussionen nicht per se haltlos sind: eine contradictio in adiecto. Insofern wird Drawerts Artikel nun selbst „entrissener“ Text, in Ausschnitte zerbröckelt und unterlegt mit Bockwurst und Bier.“

Diese Argumentation überzeugt mich leider kaum. Denn (a) ist die Rekontextualisierung nach Gusto weder ans Web noch an Weblogs gebunden, sondern ein Leitelement schriftsprachlicher Debatten und vermutlich die Basis aller Kultur. Und (b) wäre die Verweigerung sich dem Diskurs zu stellen, indem man einen Beitrag zum Diskurs zwar trotzig präsentiert aber eben nur offline und daher um Diskursferne bemüht, diskursethisch untragbar. Und (c) ist ein Weblog einfach nur eine neutrale Publikationsfläche, die, wie ein Blatt Papier, vom Gossip bis zur Weltformel alles in Schrift fassen kann, was in Schrift zu fassen ist.

Gern gestehe ich dagegen ein, dass man meinen Text leicht als Bestätigung der These Kurt Drawerts lesen kann. Ich würde mir allerdings wünschen, dass man etwas anderes daraus mitnimmt. Nämlich den Aufruf zu mehr Gelassenheit in diesem Diskurs.

Kerstin Holm - Manfred Heidegger

Manfred auch? Die Grenzen automatischer Verfahren Digitaler Geisteswissenschaften lassen sich in fast jeder Buch anschaulich bereits durch Oberflächenlektüre abschätzen. Denn welche automatische Textanalyse würde hier korrekt schlussfolgern, dass der russische Komponist Wladimir Martynow nicht etwa einen – obendrein recht lebendigen – Ferienhausvermieter aus dem Oberallgäu zu einer zentralen Autorität seiner geistesgeschichtlichen Sozialisation zählt, sondern jemanden von der Schwäbischen Alb, der wusste, wie uns die Technik ins Gestell zwingt. Man mag das Problem als spitzfindig empfinden, aber wir benutzen die digitalen Verfahren ja gerade zum Zwecke der Spitzfindigkeit, d.h. um auch das zu entdecken, was unserem Auge sonst entginge. Hier hat das händische Blättern noch gereicht. Dem Lektorat Der Anderen Bibliothek ist der kleine Fehler auf Seite 189 vermutlich ziemlich peinlich. Abgesehen davon ist die Ausgabe von Kerstin Holms „Moskaus Macht und Musen“ (Berlin: AB – Die Andere Bibliothek, 2012) jedoch ein gelungenes Beispiel dafür, warum wir von Buchkultur sprechen.

Auf einer solchen Basis könnte man sich dann nämlich den Fragestellungen wie der widmen, wie viel Verflüssigung, Bricolage und Versetzung von Textinhalten wir eigentlich für welchen Zweck zulassen wollen? Die wird nämlich nicht zuletzt akut im Umfeld dessen, was man Digital Humanities nennen.

Die Hamburger Tagung, die vermutlich als ein Schlüsselereignis der Digitalen Geisteswissenschaften in Deutschland gelten kann, brachte es immerhin zu zwei Artikeln in derselben Ausgabe der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Und beide Texte versuchen etwas, was die Protagonisten dieses neuen methodologischen Spektrums bisweilen etwas vernachlässigen: die Metasicht auf Sinn und Unsinn, auf die Wechselbeziehung von Machbarem und Wünschbarem.

Wolfgang Krischke (Wege und Abwege digitaler Forschung. In: FAZ, 25.07.2012, S.N3, nicht frei online) betrachtet die Entwicklung relativ nüchtern:

„Von einem neuen Paradigma kann […] kaum die Rede sein, in manchen Bereichen der Linguistik bedient man sich der elektronischen Datenverarbeitung schon seit der Lochkarten-Ära.“

Allerdings räumt er selbst ein, dass die Möglichkeiten einer statistischen Analyse von Sprache heute doch – vor allem quantitativ – ein wenig mehr zulassen, als die Lochkartenpioniere vermutlich überhaupt ahnen konnten. Und er betont an der schlichten und interessanten, rein quantitativ aber kaum greifbaren Forschungsfrage:

„Wie verändert sich beispielsweise die Bedeutung von „Freund“ durch den Gebrauch, der von diesem Wort in den sozialen Netzwerken gemacht wird?“,

dass eine Horizontlinie der Erforschung der Websprache und ihrer Folgen bereits durch urheber- und datenschutzrechtliche Regeln eingezogen wird. Immerhin: Die Notwendigkeit einer informations- und wissenschaftsethischen Diskussion der Digital Humanities lässt sich in diesem Zusammenhang – also nicht zuletzt für die Unkonferenz – exzellent veranschaulichen.

Dazu zählt zudem eine weitere Frage, nämlich die, ob es nicht geradezu geboten ist, aussterbende Sprachen als generelles Kulturgut so gut und lückenlos wie nur möglich mit den vorhandenen Technologien zu dokumentieren, selbst wenn das am Ende vielleicht mit dem konkreten „Überleben der bedrohten Idiome“ nicht mehr zu tun hat, als eine Nachzucht  einer in freier Wildbahn verschwundenen Tierart im Zoo. (Oder gar nur einem taxidermischen Präparat im Naturkundemuseum.)

Und ebenfalls wissenschaftsethisch interessant ist die Rolle von Google, das Korpus und N-Gram-Viewer als Zentralbausteine gewisser Facetten digitaler geisteswissenschaftlicher Forschung bereitstellt. Hier wirkt ein Unternehmen, wenn auch sicher ein sehr besonderes, massiv gestaltend auf eine Wissenschaftslinie ein, von der gern nicht selten betont wird, sie sei – möglicherweise analog zur Google-Suche – perspektivisch die einzige und alternativlose Option.

Thomas Thiel (Eine Wende für die Geisteswissenschaften? In: FAZ, 25.07.2012, S. N5) nimmt sich der Entwicklung aus einer wissenschaftsadministrativen bzw. -infrastrukturellen Position an und zeigt, dass Digital Humanities mehr meinen muss, als Google bietet. Er betont die für die Bibliothekswissenschaft zentrale Dreiheit von Digitalisierung, Standardisierung und Langzeitarchivierung (inklusive Qualitätssicherung). Wenn man das Fach sowie die wissenschaftlichen Bibliotheken also naheliegend auf die Rolle einer Zentralinstanz der digitalen Geisteswissenschaften orientiert, dann rutscht es automatisch in die Aufgabe, nicht nur Publikationen, sondern Korpora bzw. geisteswissenschaftliche Primärdaten zu sammeln, zu erschließen, vorzuhalten und nach Bedarf verfügbar zu machen. Die Digital Humanities (DH) könnten demzufolge der Bibliothekswissenschaft endlich eine fixe Forschungsrichtung vorgeben. Und dem wissenschaftlichen Bibliothekswesen eine Perspektive für die Zeit nach der Hegemonie der Printkultur.

Dazu muss sich das „Methodenfeld“ aus dem „Quellgebiet von Computerlinguistik, Computerphilologie und Fachinformatiken“ (Thomas Thiel) jedoch erst einmal als solches etablieren. Wobei nicht nur nicht notwendig, sondern überhaupt nicht zweckmäßig scheint, womit Jan Christoph Meister zitiert wird, nämlich der „empirische[n] Wende für die Geisteswissenschaften“ und dem Abschied vom „Paradigma der hermeneutischen Einzelforschung“. Hier wird erneut ein Ausschlussszenario ins Spiel gebracht, wo es völlig unnötig, in jedem Fall verfrüht ist. Thomas Thiel ordnet den bisherigen Stand der DHs zutreffend eher als „anwendungsorientierte Hilfswissenschaft“ als als „Speerspitze einer umfassenden Transformation der gesamten Geisteswissenschaften“ ein:

„Dass sie große Erkenntniszusammenhänge erschließen können, zeichnete sich nicht einmal schemenhaft ab.“

Ich sehe vielmehr auf lange Sicht als Ideal eine mehrschichtige Durchdringung quantitativer und metrischer Verfahren mit interpretativen, wie ich es jüngst in einem Kommentarthread, skizzierte:

 „In einem zugespitzten Szenario könnte die Entwicklung vielleicht dahin gehen, dass wir auf der einen Seite große, tiefenerschlossene Datenbestände haben, aus denen auf der anderen Seite zahllose kleine und in verschiedene Richtungen zielende temporäre Interpretationen erfolgen und permanent diskutiert werden. Publikationen fassen diese Deutungen und Argumentationen eventuell sogar in festen Zeitabständen als gesichertere Referenzpunkte zusammen, zielen aber selbst nicht mehr Innovation, sondern nur auf Kumulation und Dokumentation. (Beispielsweise in eine aktualisierten Form von Referatemedien, die nicht mehr Publikationen, sondern Argumente, Schlüsse und Diskussionen sammeln, ordnen und in dieser Ordnung verfügbar machen.)

So wie es in bestimmten Geisteswissenschaften kanonisierte Texte gab und gibt, die über zeitstabil neu gelesen werden, so könnte ich mir vorstellen, dass es auch einen Kanon von Open Data-Datensätzen gibt, mit denen alle Disziplinen ähnlich verfahren. Messende und interpretative Disziplinen verschmelzen demnach. Und zwar nicht nur in der Form, dass sich Geisteswissenschaften zunehmend quantitativer Verfahren bedienen. Sondern auch, dass eine Form von Daten-Hermeneutik (möglicherweise mehr in Anschluss an die so genannte Objektive Hermeneutik) in die anderen Disziplinen dringt. (Implizit spielt nach meiner Erfahrung Interpretation seit je fast überall die entscheidende, nämlich Schlüsse grundierende Rolle. Nur erfolgt dieser methodische Schritt oft nicht zureichend reflektiert, d.h. im Bewusstsein, dass eine Schlussfolgerung immer ein interpretatives Moment enthält, das man auch methodologisch elaborieren kann.)“

Inwieweit in diesem Szenario langfristig die rein interpretativen geisteswissenschaftlichen Publikationen es noch leicht hätten, sich zu behaupten, oder ob sie sich nicht nach und nach in Richtung einer eher literarischen Abbildungs- und Erkenntnisdisziplin emanzipierten, die selbst mehr Wert auf Originalität in Form und Darstellung als an formalwissenschaftlichen Anspruch und Strenge legt, bleibt selbstverständlich einer von zahlreichen weiteren offenen Aspekten. In jedem Fall berechtigt uns nichts, ihnen jetzt (schon) die Tür zu weisen.

29.07.2012

It’s the frei<tag> 2012 Countdown (17): Identität? Maybe.

Posted in LIBREAS Veranstaltungen, Uncategorized by Karsten Schuldt on 29. Juli 2012

Karsten Schuldt

Von Zeit zu Zeit taucht die Frage auf, wie sich Bibliotheken, Bibliothekarinnen und Bibliothekare selber sehen, wie sie von anderen gesehen werden – und eigentlich auch, wie sie sich selber sehen sollten und gerne gesehen werden würden. (Obgleich letzteres auch einigermassen oft vergessen zu werden scheint.) Warum eigentlich? Warum eigentlich scheint das Bibliothekswesen einen Drang zu haben, über das eigene Bild zu reden? Nicht Selbstreflexion zu betreiben, sondern über das Bild seiner selbst zu reden? Diese Debatten führen ja interessanterweise nicht dazu, Berufsbeschreibungen zu verändern oder gar Abläufe. Es wäre eine Aufgabe über diesen ja wiederkehrenden Beweggrund nachzudenken.

Hier allerdings soll nur kurz ein Teilaspekt beachtet werden. Getrieben scheinen solche Diskussionen nämlich von der Vorstellung, dass es eine Identität des Bibliothekswesens und des bibliothekarischen Personals gäbe, welche missrepräsentiert würde. Missrepräsentiert im bibiothekarischen Diskurs und missrepräsentiert im öffentlichen Bild. Oft tönt es, es gäbe das Bild der „Psssssst“-machenden Bibliothekarin mit Dutt im Lesesaal immer noch (obgleich selten der Nachweis darüber geführt wird); wohingegen die Bibliothek heute ein offener Ort sei, die Bibliothekarinnen und Bibliothekare gesellschaftlich sich mitentwickelt hätten, gar zum Teil an der Spitze der Gesellschaft stehen was die Nutzung von Informationen und Technik betrifft, zum Beispiel (auch hier wird der Nachweis oft nicht geführt). Postuliert wird nun, dass diese Differenz ein Problem wäre. Ein Problem, weil die Gesellschaft eine falsche Vorstellung von Bibliotheken hätte. Aber auch ein Problem, weil die Bibliothekarinnen und Bibliothekare sich nicht so zu präsentieren trauten, wie sie sind.

Zu bemerken ist, dass bei dieser Argumentation einige Annahmen getroffen werden, die so selbsterklärend nicht sind, wie sie vorausgesetzt werden. So scheint es die Vorstellung einer einigermassen konsistenten Identität Bibliothekarin / Bibliothekar zu geben. Sicher: Wir sind alle unterschiedlich, dass akzeptieren wir auch. Aber dennoch scheint die Vorstellung auf, dass es zumindest einen Grundbestand an Vorstellungen und Eigenschaften gäbe, die (fast) allem im Bibliothekswesen teilen würden. Weiters wird davon ausgegangen, dass es ein Problem wäre, wenn die Identität einer Einrichtung nicht mit dem Bild der Einrichtung in der Gesellschaft übereinstimmen würde. Angestrebt wird implizit offenbar eine grösstmögliche Schnittstelle, als würde das Funktionieren von Bibliotheken davon abhängen, dass sie als die gesehen werden, die sie sind (wobei die Frage interessant ist, ob Bibliotheken im Gegenzug andere Einrichtungen so sehen, wie „sie sind“). Nicht zuletzt wird angenommen, dass das Eigenbild eine Relevanz hat, aber nicht erklärt wird, welche. Muss man, um in der Bibliothek als Personal „funktionieren“ zu können, eine Identität haben, die mit der Aufgabe übereinstimmt? Wie sehr muss die Übereinstimmung sein, wie sehr darf sie abweichen? Muss sie, so ja der Trend auf dem heutigen Arbeitsmark, möglichst vollständig mit dem gesamten Selbstbild eines Bibliothekars, einer Bibliothekarin übereinstimmen oder dürfen sie neben ihrem Beruf eine weitere Identität haben, die sie nicht einbringen müssen in ihre Arbeit?

Identität//Heimat{Neukölln, Berlin}. Beim Inder (desletztens noch ein Döner) sitzen, auf die Pizzeria mit dem unglaublichen Balkon obendrauf blicken, das urbane Leben anschauen.
Zwei allgemeine Merksätze hierzu, die vergessen werden, immer wieder einmal: (1) Identität setzt sich zusammen. Da ist kein Kern, der gleichbleibt, sondern ein Netzwerk aus Versatzstücken, teilweise gewählt, teilweise „da“ , immer interpretiert. (2) Identität, insbesondere Heimatidentität, ist nicht an das ständige Da-sein gebunden. Und Identität ist nicht, niemals wirklich exklusiv, sondern steht neben mehreren Identitäten, auch in einer Person, gar einer Gruppe. Ach, Gruppenidentität… noch komplexer.

Diese Annahmen scheinen, werden sie differenziert, brüchiger zu werden. Auffällig ist zudem: Es gibt Theorien zur Identität, Selbstbild, Rückwirkung von Diskursen über sich selbst, kurzum: vor allem Subjektivität. Ein grosser Teil der Gender Studies, zum Beispiel, konstituiert sich um solche Fragenkomplexe. Und hier scheint die Verbindung nicht so natürlich zu sein. Wichtiger: Hier scheint auch das Problem, dass man anders gesehen wird, als man selber sein will (oder „ist“) anders. Es ist ein Problem, wenn es Probleme verursacht, aber es ist nicht zu verhindern per se. Die Aufgabe besteht eher darin, mit dieser Differenz – wenn es sie überhaupt gibt und nicht die angenommen subjektive Identität viel zu breit ist – auszuhalten. Produktiv, aber ohne unnötige Klage.

Worauf dies hinausgeht: Auf den einfachen Fakt, dass die immer wieder einmal auftauchenden Diskussionen um das Bild der Bibliothek und des bibliothekarischen Personals sehr verkürzt geführt werden (ohne das dies sein müsste), was eventuell dazu beiträgt, dass sie immer wiederkehren und dann ohne Ergebnis „untergehen“.

Tagged with:

It’s the frei<tag> 2012 Countdown (19): Das utopische Element

Posted in LIBREAS aktuell, LIBREAS Veranstaltungen, LIBREAS.Feuilleton by Karsten Schuldt on 28. Juli 2012

Karsten Schuldt

Der Bibliotheks- und Informationswissenschaft fehlt das utopische Element, dass sie einstmals mit sich führte. Einstmals, dass heisst gerade zur Zeit der Kybernetik, als sich die Informationswissenschaft – oder die Personen, die sich ihrer direkt und indirekt bedienten – in beiden Teilen der Welt zur Leitwissenschaft aufschwingen wollte. Es gab diese Zeit, wo sich Forschende ernsthaft hinsetzen und Texte schrieben, in denen sie davon sprachen, wie die Welt und die Menschen in 50, in 100 Jahren leben würden. Und das waren keine kleinen Entwürfe. Immer ging es in diesen den Menschen viel besser als heute, immer hatten sie die Möglichkeit, ein gutes Leben zu führen, fast frei von Arbeit, fast frei von Zwang, vor allem aber frei von Sorgen wie Krieg, Hunger, Einsamkeit und Krankheit.

Als Norbert Wiener in „Cybernetics“ behauptete, dass er mit der Kybernetik die Gewerkschaften bei der Schaffung eines besseren Arbeitsmarktes helfen könnte (wenn sie nur zuhörten), war dies Teil des utopischen Versprechens. Auch als Nikita Chruschtschow versprach, das die Sowjetmenschen binnen Kurzem die reichsten Menschen der Welt sein würden, tat er dies aufgrund der Vorhersagen der Kybernetik. Grosse Entwürfe die Welt besser zu machen, mit Hilfe der Information und Informationsverarbeitung – dies war für einen historischen Moment die Vorgehensweise der Informationswissenschaft. Begibt man sich einmal in die historischen Schriften (aber wer tut das heute schon noch?) auch der Väter und Mütter der Programmierung und Rechnenmaschinen, spürt man dieses Versprechen noch. Er scheint, als wäre damals viel Nachdenken über Informationssysteme und Informationen durch die grundgute Überzeugung getragen gewesen, dass man selber dabei war, die bessere Welt, das Himmelreich auf Erden, von dem Heine sprach, zu errichten – und zwar nicht irgendwann, sondern bald, wenn nicht heute, dann spätestens morgen.

Sicherlich: Das war grössenwahnsinnig und hat nie wirklich gestimmt. Genauso, wie wir immer noch nicht mit ökologisch unbedenklichen Elektroautos durch die Luft fliegen, obwohl uns das schon für das Jahr 2000 versprochen war, genauso wenig regelt heute ein System aus Rechenmaschine eine perfekt organisierte Wirtschaft oder einen perfekt organisierten Arbeitsmarkt. Und immer noch nicht geht es allen Menschen gut. (Vielmehr haben wir das Gefühl, dass es immer mehr Menschen immer schlechter geht.) Aber dennoch: Die von Utopie getriebene Forschung hat Ergebnisse hervorgebracht, kühne Entwürfe. Und bei alledem war sie in gewisser Weise viel symphatischer als so manche Forschung, von der wir heute so lesen können.

Was ist da eigentlich passiert? Heute machen wir uns Sorgen, ob ein Angebot einer Bibliothek genutzt werden kann, ob wir unsere Nutzerinnen und Nutzer glücklich machen, ob wir die Entwicklungen im Semantic Web (die an uns vorbeizogen) nachvollziehen können. Wir denken vielleicht noch fünf Jahre voraus, nicht aber mehr 50 oder 100. Wir schreiben keine Programme mehr, wie das Bibliothekswesen in den Mond- und Saturnsiedlungen organisiert werden müssten oder wie Informationen dazu beitragen werden, alle Kriege der Welt und den Hunger zu überwinden. Produkte entwickeln wir, keine Utopien. Dabei: Das Utopien nicht sinnlos sind, wurde in den letzten Jahren mindestens dreimal „nebenan“ in den Computerwissenschaften bewiesen: Internet, Semantic Web / Web 2.0 und One Laptop Per Child-Project waren allesamt Idee, die wahnsinnig klangen, als sie vorgestellt wurden, aber dann wurden sie doch erfolgreich.

Treffen sich mehrere Utopien in der freien Wildbahn… was passiert? Hier nichts. Der Traum vom richtigen Leben im falschen (AKA der ökologisch korrekte Kapitalismus), dahinter der Traum der Jugend, die sich in Studentenklubs zurückziehen und dort zu besseren Menschen werden kann. Und das wieder ausgedrückt mit der teil-ironischen, teil-ernsten (Weiss man’s? Wird ja heute nicht mehr geschaut wer Kommunistin ist oder Kommunist oder wer es nur ironisch meint. Zumal, in Berlin und Hamburg, vor allem aber in New York soll man schon von ironisch-kommunistischen Hipstern gehört haben. Alles schwierig.) Rezitation der Bildsymbolik einer untergegangenen Utopie – und das aus der Phase, als ihr utopischer Gehalt unter dem Stalinismus schon untergegangen war. Aber hier, im sommerlichen Potsdam, existiert beides (noch?) nebenher. Treffen sich also Utopien in der freien Wildbahn, tauschen die sich dann aus? Und über was?

Eine Wissenschaft, so die kurze These hier, die sich traut, weit in die Zukunft hinein zu entwerfen, mit Gedanken zu spielen, darüber nachzudenken, wie eine Welt (oder weiter ein Universum) gebaut werden kann, in dem alle Menschen (und Aliens und Roboter) glücklich sein können, wäre gewiss viel aufregender und würde viel mehr vorwärtsweisende Dinge hervorbringen, als die heutige Bibliotheks- und Informationswissenschaft. Insoweit: Wenn jemand darüber reden will, wie wir das interplanetarische Bibliotheks- und Informationssystem in unserem Sonnensystem organisieren und dazu beitragen, dass auch auf den kleinen Siedlungen im Meteoriten die Medien, die gewünscht und benötigt werden, ankommen, würde ich sofort begeistert zuhören. Menschen, die über so etwas nachdenken, wollen immerhin die Welt besser machen.

It’s the frei<tag> 2012 Countdown (20): Fragen zum Thema Partizipation

Posted in LIBREAS aktuell, LIBREAS Veranstaltungen by libreas on 26. Juli 2012

Heike Stadler (bibpartizipation.wordpress.com)

In der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 03.01.2011 fragte sich Tilman Spreckelsen: „Wo sind die Wutbürger, wenn man Sie braucht?“ Nein, es ging nicht um Stuttgart21, sondern um die Frage wo der Protest der Öffentlichkeit gegen Bibliotheksschließungen bleibt. Mittlerweile könnte man ein Büchlein über Bürgerproteste im Bibliotheksbereich verfassen. Die Frage müsste nun mehr lauten: „Wer hört die Wutbürger, wenn sie rufen?“ Auf der Plattform openpetition.de gibt es zahlreiche Beispiele, die analysiert werden wollen. Bereits in LIBREAS #12 fasste Karsten Schuldt kiezbezogene Proteste für Berliner Bibliotheken zusammen (PDF). Nicht nur Proteste und Initiativen gab es in der Vergangenheit, auch Bürgerbegehren können als Partizipationsbeispiele herangezogen werden (vgl. Heike Stadler (2011) Der Bürger entscheidet mit. In: BuB 6 (63) S. 450-453 – PDF-Download).

Social-Tagging als Mittel zur inhaltlichen Erschließung im Katalog. Der Nutzer darf, was er lange nicht durfte – ein Wort mitreden bei der Sacherschließung. Was ist aus dieser Möglichkeit geworden? Wird sie gelebt? Oder ist sie diese Form der Teilhabe in Vergessenheit geraten?

Früher gab es oder es gibt sie noch immer vor Ort in der Bibliothek, die analogen Wunschbücher für Anschaffungsvorschläge. Nun spricht man von der nutzergesteuerten Erwerbung (PDA), eine Geschäftsmodell der Verlage und keine Idee der Bibliotheken, oder doch? Liegt in der Idee des Wunschbuches der Ursprung des PDA-Modells? Wenn Bibliotheken PDA oder „PDA-light“ als Mittel für die Erwerbung nutzen, tun sie dies wirklich wegen des Gedankens der Partizipation oder vorrangig aus wirtschaftlichen Zwecken?

Bibliotheksbenutzer gestalten Bibliotheksräume. Sie suchen Möbel aus, entscheiden über die Wandfarbe und Kinder träumen ihre Kinderbibliothek und man fragt sich, was ist noch möglich?

Partizipation als neue Leitlinie für die Bibliothekswissenschaft? Was hat, was kann und was wird Teilhabe in den verschiedenen Bereichen ermöglichen?

Themenereiche für eine Leitlinie Partizipation:
Standortbestimmung
Bibliotheksbau / Architektur
Bibliothekseinrichtung
Bestand / Medien / Erwerbung
Veranstaltung

Bibliotheksschließung

Flyer im Zug

Nächste Station: Partizipation? Dies trifft in jedem Fall zu, wenn man es auf die Potsdamer Unkonferenz zum Stand der Bibliotheks- und Informationswissenschaft bezieht. Denn solch eine Veranstaltung lebt zu 100 % vom konkreten Engagement der Teilnehmer. Dies betrifft auch die Themen, die dort angesprochen, diskutiert und möglichst nachhaltig auf die Agenda des Faches gesetzt werden. Dabei können die oben stehenden Fragen selbstverständlich selbst Gegenstand der Veranstaltung werden. Das wäre dann ein selbstbezüglicher Diskurs im besten Sinn.

It’s the frei<tag> 2012 Countdown (21): Unkonferenz und Summer School

Posted in LIBREAS Veranstaltungen, LIBREAS.Verein by libreas on 26. Juli 2012

Manuela Schulz
Ben Kaden

Es bleiben noch 21 Tage bis zum großen Event. So manche/r ist bereits im Urlaub, einige werden es bald sein, eigentlich möchte man doch bei diesem Wetter nur noch wahlweise in der Sonne baden oder im Schatten dösen oder sich im kühlen Nass erfrischen. Oder durch ferne Länder reisen, andere Kulturen kennen lernen und endlich den lang vorbereiteten Aktivurlaub angehen. Warum sollte man sich also nach Potsdam und Berlin zu einem fachlichen Austausch begeben?

Nun, nirgendwo gibt es soviel geballte Kultur auf einmal wie in diesem nordöstlichen Ballungsraum und auch wenn bei uns keine badewannenwasserwarmen Wellen schäumen, keine steife Brise weht und es keine Berge zu erklimmen gibt, bieten die Berliner und Brandenburger Landschaftsräume wunderbare Erholungsmöglichkeiten. Unser erster Countdown hat es bereits deutlich gemacht.

Freit 2012 vor Rubus

Ein ziemlich verwegener Assoziationssprung verbindet die Brombeere bei chemisch Interessierten regelmäßig und völlig unsinnig mit einem Halogen, das sich gemeinhin in einer Kategorie mit Fluor, Chlor und Jod tummelt. Dabei ist der Wortursprung von Brom ein ganz anderer und bereits im frühen Fachdiskurs der Chemiker wurde die Anwendung des griechischen Ausdrucks für Bocksgeruch als unpassend kritisiert (vgl. Sigismund Friedrich Hermbstädt (1828) Über das Brom, seine Vorkommen in verschiedenen Substanzen und die Darstellung desselben. In: Abhandlungen der Königlichen Akademie der Wissenschaften zu Berlin. Berlin: 1831; S.85-95) Der Wortursprung der Brombeere (irgendetwas mit brâma, daher mitunter auch Brambeere, Bramelte oder Briem), stellt dagegen das Dornige in den Mittelpunkt. Für uns geht es freilich kein bisschen darum und ehrlich gesagt, verzichteten wir gern auf die garstigen Haken, die sich wie Tanlines a la Twombly nach dem Tauchen im Gesträuch über die Arme ziehen. Was wir wollen, ist die Frucht und zwar möglichst in der tiefschwarzen Fassung. Welche für das LIBREAS-Team eine der vorzüglichen Errungenschaften eines gelingenden Sommers darstellt,  gleich hinter frei-tag;, Summer School und dem Bad in der Brandung.

Da man aber bei bestem Wetter ohnehin nur in den Morgen- und Abendstunden einen ruhigen Fleck am Waldsee findet, gibt es für die Zwischenzeit eine Überbrückung fachlicher Art. Auf der Unkonferenz frei<tag> 2012 in Potsdam wollen wir mit euch in ungezwungener Atmosphäre über Themen diskutieren, die für die eigene Profession schon immer unter den Nägeln brannten und uns gemäß des diesjährigen Mottos Stand der Bibliotheks- und Informationswissenschaft mit Forschungsfragen auseinandersetzen. Die Unkonferenz bietet insbesondere jungen Forschenden und Studierenden der Bibliotheks- und Informationswissenschaft eine Plattform zum Vorstellen und Abgleichen ihrer Ideen, Thesen und Wahrnehmungen sowie die Option zum Austausch mit der Bibliothekspraxis.

Interessierte können sich gerne vorab  im frei<tag>-Wiki anmelden und vor allem Themenvorschläge machen. [Update: Nachdem dort mit dem eisernen Besen der Anti-Spam-Maßnahmen ausgekehrt wurde, vermutlich wieder ab heute Abend.]

Der Veranstaltungsort ist das bewährte Schaufenster der Fachhochschule Potsdam (Friedrich-Ebert-Straße 4, Google Maps). Man erreicht es gut zu Fuß vom Hauptbahnhof Potsdam in sehr wenigen Minuten und kann sich auf dem Weg sogar den Bauplatz eines Schlossneubaus anschauen. Das bieten derzeit nicht viele Städte.

Berlin zum Beispiel wartet noch auf den Spatenstich. Die Summer School steht dagegen bereits. Sie dient in den Räumen des Instituts für Bibliotheks- und Informationswissenschaft der Humboldt-Universität zu Berlin der gemeinsamen Weiterbildung und zwar in einer Weise, die bitte nicht so trocken ist, wie das Wort Weiterbildung leider klingt. Worum es geht, ist Methodenwissen zur wissenschaftlichen Arbeit in der Bibliotheks- und Informationswissenschaft, das bekanntlich erst die Grundlage für ein leidenschaftliches und gelingendes Arbeiten in diesem Fach bietet. Da sich die Wissenschaftslandschaft insgesamt sehr wandelt (Stichworte: Digitalisierung, Digital Humanities, Grids, Science 2.0), stellt sich unvermeidlich die Frage, mit welchen Methoden ein Fach wie das unsere im fortschreitenden 21. Jahrhundert operieren sollte. Wer darauf eine Antwort weiß, muss kommen. Wer dazu weitere Fragen hat, ebenso. Gewünscht ist eine aktive Beteiligung, auch wenn oder gerade weil die Workshops im Vorhinein vorbereitet sind. Vier Cluster prägen das Programm:

– I Schreiben und Publizieren in der LIS,
– II Forschungsfragen und Trends in der LIS,
– III Verteilt Arbeiten, Zusammen Publizieren,
– IV Zeit- und Projektmanagement im Forschungsprozess.

Interessierte können sich anmelden bei:  mail (at) libreas-verein dot eu
Und natürlich weisen wir niemandem mit fachlichem Interesse, der uns ohne Vorankündigung überrascht, die Tür.

Veranstaltungsort:  Institut für Bibliotheks- und Informationswissenschaft der Humboldt-Universität zu Berlin (Dorotheenstraße 26, Berlin). Das Institut (Google-Maps) ist von den Bahnhöfen Friedrichstrasse und Hackescher Markt zu Fuss und vom Bahnhof Alexanderplatz per Bus gut zu erreichen.

Predicting the growth of PLoS ONE

Posted in LIBREAS.Projektberichte, LIBREAS.Visualisierung by libreas on 25. Juli 2012

Najko Jahn

Abstract: This first attempt calculates the annual growth of PLoS ONE and applies a seasonal trend analysis on these numbers. Between 2007-2011, 28,898 contributions were published in PLoS ONE, resulting in an annual growth rate of 62.17% for this period. Holt-Winters filtering for seasonal trend analysis predicts 18,284 published PLoS ONE contributions for 2012, and 31,978 for 2013 (compared to 13,797 in 2011). The findings raise the question about the duration of exponential growth of PLoS One publication volume, the transition of scholarly publication models, and, furthermore, the future of institutional Open Access publication funds.

Introduction

In recent posts [1], Martin Fenner presents approaches to visualise the performance of contributions published in Public Library of Science (PLoS) journals. Two APIs provided by PLoS were taken as the data source for these exploratory visualisations; one searches the PLoS domain for particular contributions, the other obtains Article Level Metrics (ALM) for each PLoS contribution. The latter is feeding into the ongoing work on Altmetrics (see eg Priem et al arXiv:1203.4745).

Collected in the work-in-progress plosOpenR GitHub repository, a joint collaboration of members from PLoS Article Level Metrics project, Bielefeld University Library and OpenAIRE was initiated.Our incentives for this work is to further enhance the existing R package rplos provided by rOpenSci. It shall allow crosswalks based on common funding information between data coming from the PLoS Journal server, including its collected metrics, and data on documents stored in institutional repositories. In a first step, this will be worked out as part of the FP7 funded OpenAIRE project which sets out to build an Open Access Infrastructure for European research.

In this post, I propose how to a) detect the annual growth rate of PLoS ONE contributions  and b) try to forecast the further growth by applying Holt-Winters smoothing which is a time series analysis method to detect seasonal trends originating from economics [2].

Applying time series analysis on PLoS One is particularly interesting for at least two reasons: Firstly, PLoS ONE publishes each contribution right after acceptance. This forms a publishing model that differs mostly from print journals where accepted submissions are commonly published in issues. Secondly, its multi-disciplinary coverage distinguishes PLoS ONE from most other academic journals.

Methods

To act in accordance with the PLoS Search API Terms of Conditions, thereby avoiding API overload, I downloaded the latest dump of  47,430 PLoS contributions from April (available here). After table cleaning in Open Office, the resulting csv file is loaded into the R working space. In the following, I summarized the data by Journal name and publication date.

require(plyr)

my.plos <- read.csv("plosalm.csv",header=T,sep=",")

tt <- ddply(my.plos,.(Publication.Date,Journal), nrow)
# format may differ according to pre-processing routines in OO
date <- strptime(tt$Publication.Date,format="%d.%m.%Y")
year <- date$year + 1900

my.data <- cbind(tt,date, year)

After this step, a summary of publications frequencies by each year and by PLoS journal can be obtained and exported as html table (see results, Table 1).

#table
my.tab <- as.data.frame(tapply(my.data$V1, my.data[,c("Journal","year")],sum))

sum.journal <- rowSums(my.tab, na.rm=T)
my.tab <- cbind(my.tab,sum.journal)

sum.year <- colSums(my.tab, na.rm=T)
my.tab <- rbind(my.tab,sum.year)

#export as html table
require("xtable")
my.tab.x <- xtable(my.tab)
digits(my.tab.x) <- 0
print(my.tab.x, type="html", file="summaryPLoS.html")

With regard to the so gathered annual number of contributions, the Compound Annual Growth rate (CAGR) can be obtained. CAGR is used in economics to measure a year-over-year growth of an investment. In our case, we calculate CAGR for the 5 years period from 2007-2011 to describe the growth of PLoS ONE contributions.

In order to predict the future growth of PLoS ONE contributions, the Holt-Winters was applied on the obtained data as this method is sensitive to seasonal trends (see results, Figure 1). In another blog post it is described how to apply Holt-Winters in R. In a first step, the subset the table for PLoS ONE was built. Afterwards, I calculate the number of monthly contributions. The zoo package provides the tools for achieving this task.

require(zoo)
#plos one
my.plos <- subset(my.data, Journal == "PLoS ONE")

#as zoo object to monthly summary
z <- zoo(my.plos$V1, my.plos$date)

t.z <- aggregate(z, as.yearmon, sum)
#time series object
ts.q <- ts (t.z, start=c(2006,12), frequency = 12)

A time series object is created for the period beginning Dec 2006, where the first PLoS ONE contributions were published, until the end of March 2012. This forms the basis for calculating both the Holt-Winters distribution and the forecast of PLoS ONE growth until end of Dec 2013 with a confidence level of 0.95.

#Holt-Winter Distribution
ts.holt <- HoltWinters(ts.q)

forecast <- predict(ts.holt, n.ahead = 21, prediction.interval = T, level = 0.95)

plot(ts.holt,forecast, frame.plot=F, xlim=c(2007,2014), ylim=c(0,4500),
     main="Holt-Winters filtering PLoS ONE contributions")

Results

The PLoS contributions by journal and year show a moderate growth in most journals but a strong growth in PLoS One (see Table 1).

2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012(Mar30)
PLoS Biology 98 456 431 423 321 327 264 304 276 65 2965
PLoS Clinical Trials 40 28 68
PLoS Computational Biology 72 168 251 287 376 414 418 121 2107
PLoS Genetics 77 208 230 352 473 471 565 184 2560
PLoS Medicine 68 434 487 346 250 199 193 206 45 2228
PLoS Neglected Tropical Diseases 42 179 224 350 445 126 1366
PLoS ONE 137 1230 2716 4405 6750 13797 4747 33782
PLoS Pathogens 41 123 198 286 459 534 556 157 2354
98 524 1055 1586 2646 4397 6400 9016 16263 5445 47430
Table 1: PLoS contributions by journal and year

On the basis of these data, a Compound Annual Growth Rate for PLoS ONE can be calculated for the 5 years period from 2007 to 2011. As a result, PLoS ONE’s annual growth rate is calculated as being 62.17 %.

Applying the Holt-Winters method, a plot can be generated, which gives first insights into the distribution (see Figure 1). The black lines highlight the observed contributions per month until the end of March 2012. The red line presents the fitted Holt-Winters values, starting in Dec 2007 until end of 2013. The blue lines highlight the upper and lower confidence intervals. The vertical line borders show observed and predicted values.

The exponential smoothing predicts the monthly observations well. However, note the sharp decline between December 2011 and January 2012. Predicting values for 2012 and 2013, following this approach, PLoS ONE will publish 18,284 contributions in 2012 (confidence interval between 15420 – 21149) and 31,978 (confidence interval between 22679 – 41279) contributions are predicted for 2013.

Discussion

If my attempt is sound, and I really do appreciate any critical comments, then the obtained growth rates will have consequences on the publishing landscape. No where else, such extreme growth rates of the general scientific literature were never reported before [3]. It also raises the question about the share of articles that do not receive any single citation. Known as the scientometric phenomena of “uncitedness”, this may be tackled by future analysis of PLoS ALM data. On a side note, the analysis reveals the seasonal decline between December 2011 and January 2012. This might, prima facie, resemble biases in the submission and selection processes in other journals [4]. This would also require further examination.

In conclusion, if these growths rates can exclusively be reported for PLoS ONE, the implications for the publishing landscape could be strong. Swift, cross-disciplinary publishing platforms could pressure the market leadership of the high impact subject-specific journals. Since PLoS ONE requires author publication fees for most of its contributions, institutional services and likewise funders covering these fees may have to consider whether this growth affects their funding activities to cover author publication fees. At least as part of our local Open Access Publication Funds of Bielefeld University activities we’ve been experiencing the growing importance in the last years, too.

The intial R source code can be found at plosOpenR GitHub repository: https://github.com/articlemetrics/plosOpenR.

I wish to acknowledge helpful comments and suggestions by Wolfram Horstmann.

Notes

[1]Example Visualizations using the PLoS Search and ALM APIs; What users do with PLoS ONE papers

[2] C. C. Holt (1957) Forecasting trends and seasonals by exponentially weighted moving averages, ONR Research Memorandum, Carnegie Institute of Technology 52. P. R. Winters (1960) Forecasting sales by exponentially weighted moving averages, Management Science 6, 324–342. Useful Introduction: P. Goodwin (2010) The Holt-Winters Approach to Exponential Smoothing: 50 Years Old and Going Strong. Forecast Spring 2010.

[3] P. Weingart (2003) Wissenschaftssoziologie, Bielefeld: transcript, pp. 35 -39.

[4] L. Bormann & H.D. Daniel (2010) Seasonal bias in editorial decisions? A study using data from chemistry, Learned Publishing, 24, 325-328.

It’s the frei<tag> 2012-Countdown (22): Kurt Drawert und der entrissene Text

Posted in LIBREAS aktuell, LIBREAS.Feuilleton by libreas on 25. Juli 2012

Ben Kaden

zu Kurt Drawert: Der entrissene Text. In: Neue Zürcher Zeitung, Nr. 168, 21.07.2012, S.21 (bislang nicht online)

„Das bleibt nun so: ein Leben
mit hübschen Maschinen,
fortschrittlich, ohne Geheimnis
am Grunde der Tasse
und nur mit Zeit zu bezahlen. […]“
Kurt Drawert: Das bleibt nun so. (1993)
(in: Kurt Drawert (1994): Fraktur. Lyrik Prosa Essay.
Leipzig: Reclam,  S. 65)

Diese Tage zeigen, dass Berlin noch so etwas wie Sommer in seinem stadtmeteorologischen Repertoire hat und schon wird es eng auf den Straßen. Am Sonntagabend erwies es sich beispielsweise als unmöglich, die Monbijou-Brücke zu queren. Den Anlass des mit Menschen (und zwei, drei Hunden) verkorkten Übergangs bildete ein ganz klassisches Quartett (Violine, Viola, Violoncello, Klavier), welches Joaquin Turinas Klavierquartett in a-moll (op. 67) aus der musikalischen Kammer auf das offene Trottoir holte. Die Menge badete sichtlich in fast andalusisch romantischer Stimmung durch dieses milde Serenadenmeer und als die Milde schließlich in Kühle umschlug, schlurfte man halt weiter, um sich bei den 12 Aposteln eine der mindestens so überbewerten  wie überteuerten Pizzen servieren zulassen. Und dem Hund einen Napf frisches Leitungswasser.

Dort hätte man dann die Ausgabe der Neuen Zürcher Zeitung vom Samstag bis zur Seite 21 (Literatur und Kunst) aufblättern können, den dortigen Ganzseiter überfliegen und sich den Rest der Nacht mit der Frage beschäftigen können, ob diese Kombination von Piano, Piazza und Pizza für Kurt Drawert noch zulässig gewesen wäre. Denn in gewisser Weise scheint sich der Schriftsteller wenig behaglich zu fühlen, wenn es um die Rekontextualisierung von Werken geht:

„Es ist, wie einen Pianisten der Philarmonie auf den Markplatz zu zerren: Was er immer er spielt, es klingt nach Bockwurst und Bier.“

Was es ist, hat in diesem Fall wenig mit Liebe oder Musik oder gar der Liebe zur Musik zu tun. Sondern es ist die Abbildung literarischer Texte im Internet, die von Kurt Drawert in einem grotesk unangemessenen (dem Thema, der Entwicklung, der Zeitung und vermutlich sich selbst) Artikel in einer Weise attackiert, dass einem Uwe Jochum im Vergleich beinahe als Digital Native erscheint:

„Dieser Einbruch der site in unsere Seite verschiebt alle Systeme und Referenzen der Texte ganz unabänderlich. Gerade einmal ein paar Jahrhunderte hatten wir Zeit, uns an den Buchdruck zu gewöhnen, als eine Setzung, die ja auch so etwas wie teleologische Geborgenheit liefert, metaphysische Verbindlichkeit im Status ihrer stillen, dauernden Präsenz, schon flimmert das alles vor unseren Augen wieder weg und schickt uns ins All.“

Abgesehen von dem etwas unglücklich überdeterminierten Pleonasmus „ganz unabänderlich“ und dem dezenten Gast aus Calembour (site und Seite. Aber warum nicht Pagina und page?) wirkt die Klage etwas ungewöhnlich in ihrer Bewertung der historische Zeitläufte. „Gerade mal ein paar Jahrhunderte“ geht vielleicht Geologen leicht über die Lippen. (Die sich dann vielleicht auch für den von Kurt Drawert zum E-Book-Pendant degradierten Kieselstein – der ja ebenfalls „klein ist und in die Handtasche passt“ –  erwärmen würden). Für eine Medienform ist so ein Mehrgenerationenzeitraum dagegen durchaus erheblich und natürlich erlebte auch die Seite als Träger und ihre Beschreibung zwischenzeitlich zahllose Umbrüche.

Ohne Zweifel stehen Bildschirm- und Hypertext für etwas anderes als der gedruckte Text auf dem Papier. Und selbstredend gilt das auch und womöglich vorrangig in rezeptionsästhetischer Hinsicht. Und in jedem Fall sollten wir darüber kritisch diskutieren. Aber bitte mit Argumenten und nicht mit der Sahne einer „permanente[n] Okkupation aller Sinne durch das Internet“. Die hat nicht einmal mehr Schlag und nur geschmacklich Stich.

Nun humpelt der gesamte, nicht sonderlich überlegene Aufsatz, der sich um die Behauptung aufplustert, die Literatur stürbe (ziemlich sicher) weg, weil im Web „alle Instanzen, die zur Schrift überhaupt noch berufen sein könnten“ abgeschafft würden und die „virtuelle Maschine“ geradewegs alles, was sie zu greifen bekommt, aufsaugt, um es in den Orkus zu schleudern, schon deswegen selbst am Rande der Haltlosigkeit, weil er auf diese stumpfsinnige Prämisse einer unvermeidlich eindimensionalen (nämlich Bildschirm gefassten) Lebenswirklichkeit setzt. Derartiges steht uns erwartungsgemäß nicht ins Haus. Das Web ist nachweislich kein Über-All. Und teleologische Geborgenheit ist nach 1945 und den diversen Runden auf der Schlittschuhbahn der Postmoderne in Literatur und Lebenspraxis, die jeder Intellektuelle heute hinter sich hat, ohnehin eher ein naives Genrebild. Nicht, dass ich etwas dagegen hätte. Aber es bleibt notwendig ohne tieferen Bezug und in den Grenzen seines Rahmens.

Auch die fantasielose Reduktion der Auseinandersetzung mit dem Text auf ein stilles Lesekammerideal verfehlt all diejenigen, die ohne Probleme ihren David Foster Wallace oder Stefan Zweig (oder Kurt Drawert) im distraktionsreichen Umfeld der Linie 1 auf dem Weg zur Arbeit und zurück genießen. Dabei ließe sich bereits die moderne Arbeitswelt mit den ewigen Pendlerrouten selbst als Akt einer„technizitären Entleerung“ kritisieren.

Man kann die Kritik an Kurt Drawerts Essay abkürzen: Jemand, der mit Pennäler-Stolz verkündet, er hätte noch nie ein „todschickes E-Book“ in den Händen gehabt um nachzuschieben: „Es nimmt dem Lesen jede Erotik und ist so kalt wie ein Schlachthof im Winter“, muss sich bedauerlicherweise und bei allem Respekt den Vorwurf gefallen lassen, dass er einfach über etwas poltert, wovon er keine Ahnung hat. Dass das mehr Getippte als Geschriebene auf einer Seite fest und Kaffeehaus konsumierbar gedruckt vorliegt, verleiht ihm dabei keine besondere Autorität. Aber es lässt ihn ebenso wenig gleich nach Käsekuchen und Caffè americano klingen. Sondern einfach nur nach verzweifeltem Rudern im falschen Kanal.

Der entrissene Text / Kritik

Der entrissene Text: Er hielt diesen Schatten für einen anderen und schimpfte einen, na ja, deutschen Monolog. Und überhaupt das nicht mehr, diesen Luftsprung von gestern und sein lautloses Ende. Das keines war. Denn für einen sensiblen Menschen bleibt das Display nur die Rückseite der Herrlichkeit, die allerdings einen Durchgang zu einem Spiegelland nicht unähnlich einen neuen Blick auf das Himmlische wie auf das Abyssale der Kulturexistenz des Menschen eröffnet. Wie erweitern wir uns? sollte die Frage sein. Und nicht die ängstliche Überlegung, inwiefern ein Nutzer/User einem dressierten Nager entspricht.

Aus der semiotischen Perspektive – und Kurt Drawert spielt ja, wenn auch nicht sehr belangvoll, auf Roland Barthes an – ist die kulturelle Lebensumwelt des Menschen seit je ein hypertextuelles Ereignis. Wenn er nur Teile seiner Kommunikations- und Informationswelt in Touchscreens reduziert, dann ändert sich sicher einiges. Aber er hat es buchstäblich selbst in der Hand, ob er daraus – wie Kurt Drawert und ein paar findige Web-Celebs – den Sieg eines Radikalpositivismus ableitet. Oder anerkennt, dass mit dieser Erweiterung der symbolischen Handlungswelt die echtweltliche Dimension des Daseins ganz und gar nicht verloren gehen muss. Der Zwang zum iPad, diesem ubiquitären Holzapfel der Erkenntnis, ist bestenfalls einer der Peer Group. Für souveräne Leser und Schriftsteller jedoch kein Problem.

Das Entsetzliche an Kurt Drawerts Fest des Fatalismus‘ angesichts einer vermeintlichen Selbstdeformation durch Digitaltechnik („Denn es ist absehbar, dass die Techniker ihre Produkte durchsetzen, durch die wir andere werden […]“) ist jedoch, dass er seine Rolle als Schriftsteller aus den Augen verliert: Das Dagegenhalten, das Wachhalten der Wahrheit, dass eine andere, nicht-digital vermittelte Welt nicht nur möglich ist, sondern auch existiert.

Es ist keine Schande, sich von dem digitalen Rauschen mit wenigen Relevanzinseln dazwischen (deren Existenz Kurt Drawert leider ausblendet) über- und herausgefordert zu sehen. Aber der trübsinnigen Versuchung zu verfallen – die übrigens in gleicher Weise zum idealtypischen Charakter der Internetapostel zählt – und seine eigene Wahrnehmung zur Standard-Conditio des Menschen im Jahr 2012 hoch zu rechnen, ist auch keine Lösung.

Das fanden wir heute jedenfalls alle in der Schlange am Postschalter, zu der wir wie jeden Tag unsere Ersatzformen der E-Mail trugen, um sie auch wirklich fein gestempelt auf den Weg zu bringen. Danach ging es dann ins Büro, wo es sich gut vernetzt als Drawert’sche „Ratte, die unter Reizstrom steht“ kleine Lektürekritiken wie diese schreiben lässt. Wie ist die Welt doch wunderbar vielgestaltig in ihren Schreib- und Textmöglichkeiten!

(Berlin, 23.07.2012)

It’s the frei<tag> 2012-Countdown (23): Zum Paradigma Internationalität

Posted in LIBREAS aktuell by Karsten Schuldt on 24. Juli 2012

Im deutschsprachigen bibliothekarischen Diskurs gibt es das Paradigma Internationalität. Es wird in gewisser Weise der Eindruck erweckt, in anderen Staaten wären Bibliotheken längst anders und (deshalb) erfolgreich, deswegen müsse sich an diesen orientiert werden. Unterstützt wird dieses Paradigma gerne mit Berichten aus solchen Bibliotheken. In Frage wird es selten gestellt. Auch hier soll nicht für eine Abschottung in der bibliothekarischen Entwicklung plädiert werden, schon gar nicht für eine nationale. Gleichwohl soll in Frage gestellt werden, dass das Argument mit den vorbildhaften Bibliothekswesen im Ausland so selbsterklärend ist, wie es gerne hingestellt wird. Und zwar an einem Beispiel: Melbourne. Genauer der Baillieu Library der University of Melbourne und der State Library of Victoria. Diese beiden Bibliotheken funktionieren und befinden sich in einem Land, das eigentlich als Vorbild für die deutschsprachigen Bibliothekswesen herangezogen werden könnte, obgleich es das nicht wird. Der kurze Blick auf diese beiden Bibliotheken wird hoffentlich zeigen, dass erfolgreiche Bibliotheken an die lokalen Gegebenheiten angepasst sind, bibliothekspolitische Entscheidungen getroffen haben und dabei auch funktionieren können, obgleich sie zum Teil gerade Dinge tun, die im deutschsprachigen Raum als bibliothekarisches No-No und vollkommen veraltet gelten.

1970er

Auf den ersten Blick fällt auf, dass diese beiden Bibliotheken den Charme früherer Jahre bewahren, egal ob gewollt oder nicht. Die State Library unterhält zum Beispiel weiter einen Lesesaal mit knarrenden Tischen, mit (unbesetzten) Bibliothekspult in der Mitte, der an das Benthamsche Panopticon erinnert. Man will unwillkürlich in diesen Saal gehen und „Psssst“ machen. Gleichzeitig sind die meisten der Rechner alt, die Bestände nach Nachschlagewerken gross, in der Musikbibliothek steht weiter ein handgeschriebener Zettelkatalog (sic!). Die Bailieu Library ist ein 70er Jahre Bau, dem man das auch anzieht, vor allem in den oberen Etagen. Die Ausstattung der Bibliothek, inklusive Teile der Bestände, scheinen aus dieser Zeit zu stammen. Die träge, plastikhafte Atmosphäre, die Bibliotheken in deutschsprachigen Hochschulen zum Teil mit grossem Erfolg abzulegen versuchen, wird hier noch gepflegt. Alles andere scheint irgendwie dazwischen geschoben zu sein. Hinten im Raum stehen Microfiche-Reader, davor Tische, auf denen auch Laptops stehen. Überhaupt ist die Universität in den einzelnen Gebäuden mit zahlreichen Learning-Rooms und Resource-Centres ausgestattet, wobei nicht ganz klar ist, wer die betreibt. Auch in der Bibliothek finden sich solche Lernräume.

State Library of Victoria, Lesesaal

Baillieu Library of the University of Melbourne, Third Floor

Bailieu Library, Second Floor.

Social space

Unwillkürlich wundert man sich, wie veraltet dies alles scheint. Und das in Australien, einem reichen Land. Auf den zweiten Blick fällt allerdings auf, dass die Bibliotheken sich daneben als offene Orte und als Einrichtungen mit kulturellem Auftrag verstehen, weit mehr als das im deutschsprachigen Raum der Fall ist. Beide Bibliotheken haben offene Eingangsbereiche, die dazu direkt auffordern, mit dem Personal in Interaktion zu treten. In der Bailiau Library ist dies keine Theke, sondern zwei offene, lange Tische (deren Aussehen nicht in das 70er-Design der restlichen Bibliothek passt). In der State Library findet sich daneben ein social space, in dem regelmässig Filme gezeigt werden, Spielekonsolen zur freien Nutzung stehen und und eine Kinderecke vorhanden ist.

Zudem veranstalten beide Bibliotheken (und nicht nur diese) eine extensive Ausstellungsarbeit. Es existieren permanente Räume für Wechselausstellungen, in der State Library auch eine Dauerausstellung. Im Allgemeinen wird darauf geachtet, eine Atmosphäre zu schaffen, in der sich (a) Personen willkommen fühlen und (b) immer wieder Ereignisse geschaffen werden, zu denen Personen unabhängig von „rein bibliothekarischen“ Gründen (Ausleihe, Lernen, mit Kindern in die Bibliothek gehen) in die Bibliothek kommen können. Die Ausstellungen wechseln, es gibt ständig Veranstaltungen und Teilnahmen der Bibliothek an grösseren Veranstaltungsreihen. Zudem sind Bibliotheken an sich, insbesondere als Teil von Literacy-Programmen, weit mehr im Alltag von Melbourne verankert. In den Flyerständern der Cafés, Restaurants, Kinos und Theatern unterschiedliche Flyer zu finden, die auf direkt oder indirekt Bibliotheken verweisen, ist Normalfall.

Auswahl von Flyern, die irgendetwas mit Bibliotheken zu tun haben, Ausbeute eines Tages in Melbourne.

Bailieu Library

Aktuell (19-29. Juli 2012) findet beispielsweise die Melbourne Rare Book Week statt, an der mehrere Institutionen mit Ausstellungen und Veranstaltungen teilnehmen, vom 27-29. Juli auch die Rare Book Fair. Das scheint bezeichnend (auch wenn es Zufall ist, gleich danach wird in einem Festival die Diversität der in Melbourne lebenden Kulturen gefeiert und danach kommt viel mehr): mit alten Büchern wird ein Programm gestaltet, dass sich in die Bibliothek als Veranstaltungsort einreiht. In der Baillieu Library findet sich zum Beispiel in einem Raum in der zweiten Etage, gleich neben einem der Learning Centres die Ausstellung „Knowledge through Print: a Melbourne Perspective“, in der aus Beständen australischer Bibliotheken Exemplare historisch bedeutsamer Bücher, inklusive einer historischen Kontextualisierung zu sehen sind, darunter eine Gutenberg-Bibel. In der State Library ist die Geschichte Melbournes unter anderem anhand historischer Publikationen dargestellt.

Australian context

Weiters findet sich in der State Library eine ganze Abteilung für genealogische Forschung. Dies ist eine bibliothekspolitische Entscheidung, die im australischen Kontext Sinn macht, wo viele Einwanderinnen- und Einwander-Nachfahren etwas über ihre Familiengeschichte herauszufinden versuchen, wo Aboriginies heute als Unterdrückte anerkannt sind und ebenfalls wissen wollen, was über ihre Vorfahren noch zu wissen ist und wo Kinder, die noch vor einigen Jahrzehnten als Waisen von Grossbritannien aus zum Arbeiten nach Australien geschickt wurden, wissen wollen, wo sie herkommen. Die Abteilung ist gut genutzt, weil sie lokal sinnvoll (und notwendig) ist.

Was es nicht ist

Eine andere lokale Entscheidung, die erst nach einigem Hinschauen auffällt: Die Bibliotheken in Melbourne sind, wie Melbourne im Allgemeinen, unglaublich kinderfreundlich. Überall gibt es Kinderecken, Kinderprogramme, ausserhalb der Bibliotheken ständig Discounts, Spielplätze et cetera. Zum Aufwachsen ist Melbourne offenbar eine grossartige Stadt. Nicht aber zum Altwerden oder aber wenn man auf einen Rollstuhl angewiesen ist. So aufmerksam und fortschrittlich Melbourne und seine Menschen im Hinblick auf die Geschichte der Aboriginies und deren Unterdrückung sowie im Hinblick auf die Buntheit der Kulturen agiert und argumentiert (oft findet man zum Beispiel Schilder, auf denen darauf hingewiesen wird, dass die Nutzenden eines Gebäudes sich bewusst sind, dass dieses Land praktisch geklaut wurde, was ein wiedergutzumachendes Unrecht ist), so wenig ist diese Stadt auf eine alternde Gesellschaft eingestellt und so wenig scheint hier Rücksicht auf Barrierefreiheit genommen zu werden. Zumindest wenn man weiss, wie sehr in Berlin oder der Schweiz auf diese Fragen Rücksicht genommen wird (wenn auch oft immer noch nicht genug). Das spiegelt sich in der Bibliotheken wieder. Steile Treppen, enge Gänge, dichtgestellte Regale. Aber wie gesagt: das ist in Melbourne offenbar so. Die Stadt versteht sich als jung und legt andere Schwerpunkte, die auch wichtig sind.

Fazit

Wie erwähnt sollte die kurze Darstellung auf eines hinweisen: Die Idee, sich bei der Gestaltung und Leitung von Bibliotheken an internationalen Beispielen zu orientieren sollte immer auch beinhalten, wirklich internationale Beispiele sich anzuschauen und nicht nur ein paar herausragende Bibliotheken. Zudem kann man bei diesem Anschauen lernen, dass die Gestaltung einer effektiven Bibliothek immer Ergebnis von bibliothekspolitischen Entscheidungen ist, die aus der Sicht anderer Bibliotheken und Bibliothekswesen nicht sinnvoll sein müssen. Sie müssen es im lokalen Kontext sein.

Libraries, sell your books.

It’s the frei<tag> 2012 Countdown (24): 100 Buzzwords – for the masses!

Posted in LIBREAS aktuell, LIBREAS Veranstaltungen, LIBREAS.Feuilleton by Karsten Schuldt on 23. Juli 2012

Christoph Szepanski, Karsten Schuldt

1. Collaboration

2. Mindmap

3. Cloud

4. Grid

5. Forschungsdatenmanagement

6. Semantic Web

7. Raum

8. Patron Driven Acquisition

9. Apps

10. Smartphone

11. Projektmanagement

12. Qualitätssicherung

13. Evaluation

14. Co-Working

15. RDA

16. Facebook-Bashing

17. Search Engine Optimization

18. Social Place

19. Golden-Ager

20. Re-Thinking [whatever]

21. Context

22. Data Driven Service

23. Document

24. Camp

25. Pads

26. E-Book

27. Entern

28. Privatsphäre

29. AIBS

30. Trends

31. Embedded Librarian

32. Digital Youth

33. Holistic Approach

34. Crowdfunding

35. Open Data

36. Open Science

37. Community

38. Evidence Based

39. Ontologie

40. FRBR

41. RDF

42. Integrated

43. Digital Library

44. Trust

45. Learner-Centered

46. Mobile Endgeräte

47. Enterprise 2.0

48. HTML5

49. Hype

50. What Google is hiding from you

Auf dem Weg zur Nummer 100 ein wenig Natur. Zum Verschnaufen. (Wer genau sucht, wird zusätzlich eine Biene auf dem Bild entdecken.) Und etwas Kritik, weil es erinnerungswürdig ist: „Die Geschichte der westlichen Zivilisation erscheint durch eine Reihe von lustfeindlichen Schüben geprägt: von Momenten, in denen Menschen – meist plötzlich und mit starker Überzeugung – auf etwas verzichtet haben, das ihnen bis dahin Lust bereitet hatte. Das kann die Lust an sportlichen oder künstlerischen Festen sein, die lange Zeit die abendländischen Religionen prägte, ehe sie ihnen verloren ging; oder die Lust an bunter Kleidung, die im 19. Jahrhundert aus der Herrenmode verschwindet und im 20. Jahrhundert auch weitgehend aus der Mode der berufstätigen Damen; oder die Freude an Charme, Koketterie und Komplimente machen; an Sexualität; am Tragen von Pelzen; am Autofahren und am Essen von Fleisch; es kann auch den Genuss von Alkohol oder von Rauchwaren betreffen – um einige neuere Verluste zu nennen, deren Zeitgenossen wir in den letzten Jahren gewesen sind.“ (Robert Pfaller / Die lustfeindlichen Zivilisationsschübe. In: Beate Hofstadler ; Robert Pfaller (Hrsg.) / Hätten Sie mal Feuer : Intellektualismus, Begehren und Tabakkultur. Wien: Erhard Löcker Verlag, 2012, S. 29) Und jetzt: Weiter im Text.

51. Best Practice

52. Evolving

53. Out of the box

54. Stream

55. Stakeholder

56. Paradigmenwechsel

57. Ethik

58. Synergie

59. Cultural Heritage

60. ROI

61. So 1990er

62. Records Management

63. Wissenstransfer

64. Zukunft der / Zukunft des / #future

65. Horizont-Report

66. Open Linked Data

67. Nachhaltigkeit

68. Praxisbezug

69. Informationsfreiheit

70. GEMA

71. Liquid Democracy

72. Personalisierung

73. Critical

74. Data Storage

75. Netzwerkforschung

76. Information Behavior / Informationsverhaltensforschung

77. Interface /Interface Design

78. Digitale Langzeitarchivierung

79. Berufsbild

80. Long Tail

81. Library Cuts

82. Intellektuelles Kapital

83. [Whatever] ist dead, long live [whatever]

84. Tagging

85. Digital Dark Age

86. Case Study

87. Expertinneninterview / Experteninterview

88. Reputation

89. Forschungsmethoden

90. Datenqualität

91. I-[whatever]

92. Like Button

93. Projektantrag

94. (Open) API

95. Interdisziplinär

96. Emotion Selling

97. Augmented Reality

98. Kooperation Bibliothek [whatever]

99. innovativ

100. Minitel

Tagged with: ,