LIBREAS.Library Ideas

Die Idee LIBREAS und das Institut für Bibliothekswissenschaft.

Posted in LIBREAS.Feuilleton by Ben on 6. Dezember 2018

Manuskriptfassung des Grußworts von Ben Kaden auf der Festveranstaltung 90 Jahre Institut für Bibliotheks- und Informationswissenschaft am 02. November 2018 im Jacob-und-Wilhelm-Grimm-Zentrum der Humboldt-Universität zu Berlin.

Ben Kaden bei seinem Grußwort auf der Veranstaltung 90 Jahre Institut für Bibliotheks- und Informationswissenschaft, 02. November 2018

Ben Kaden beim Grußwort am 02. November 2018 (Foto: Maxi Kindling)

 

I

Die Berliner Bibliothekswissenschaft mit ihrem Institut wird, grob gerechnet und Pausen ausgeblendet, 90 Jahre alt. Einschränkungen sind bei der Zuschreibung zweifach notwendig: Erstens weil es natürlich bibliothekswissenschaftliches Denken in Berlin auch außerhalb des Instituts gab und gibt. Und zweitens, weil das Institut an sich kein Kontinuum ist. Vielmehr besitzt es eine wechselvolle Geschichte, deren Aufarbeitung bzw. Aufzeichnung jetzt zum Jubiläum nur ein Kratzen an der Oberfläche darstellte. Klar, man schürfte hier und da und da und hier auch mal tiefer. Aber eigentlich sieht man jetzt erst wirklich, was da an Geschichte und Geschichten hervorblitzt und Stoff für mindestens vier, fünf Promotionsvorhaben angedeutet. Oder Großaufsätze, z. B. für LIBREAS.

LIBREAS, diese hier 2004/2005 begründete elektronische Open-Access-Zeitschrift für Bibliothekswissenschaft bzw. bald namentlich erweitert wie das Institut in Zeitschrift für Bibliotheks- und Informationswissenschaft, begleitete etwa 13 dieser 90 Jahre, Das Institut war demnach um die 77, als wir mit LIBREAS begannen, eher noch sogar 76 oder 75. Ich überlege, nach wie vor ergebnisoffen, an welchem Schlüsseldatum oder -ereignis man die Idee zu LIBREAS. Library Ideas festhaken könnte.

Fester gehakt ist die Natur von LIBREAS als eindeutig typische Berliner Schöpfung. Das Projekt dieser Zeitschrift ist Ergebnis dieser berühmt-berüchtigten Mischung aus Gestaltungswillen, Dreistigkeit, Naivität und viel Improvisation, die so typisch war für das, was in gar nicht so entfernter Nachbarschaft von diesem Ort [dem Grimmzentrum, für das zeitgleich zur Gründung von LIBREAS die ersten Spatenstiche gesetzt wurden] den Mythos des Aufbruchsberlins begründete, ein Mythos, von dem die Stadt noch heute zehrt. Ich erinnere mich gut, wie wir nach offiziellen oder inoffiziellen Institutsfeiern gern noch in kleiner Gruppe in der Böse-Buben-Bar, im Aufsturz oder, auch das gab es noch, im Tacheles vorbeischauten und irgendwann von der ersten (oder zweiten) Straßenbahn des Tages im matten Morgenlicht nachhause geschunkelt wurden. Das Magisterstudium ließ auch Raum für längere Nächte. (more…)

Felix Stalder über Diskursivität und Peer Review.

Posted in LIBREAS.Referate by Ben on 17. Oktober 2014

Eine Notiz  von Ben Kaden (@bkaden)

I.

„Wir sollten davon ausgehen, dass Wissen aus Debatten her vorgeht und dass Debatten oder Diskurse die zentralen Elemente der Wissensproduktion sind. Anstatt einen Text „den Erfordernissen entsprechend“ zu modellieren und ihn dann mit dem Stempel des Peer Review zu legitimieren, sollten Beiträge als Ausgangspunkte für Debatten betrachtet werden, die offen sind und offen bleiben.“ (Stalder, 2014)

schreibt der Medienwissenschaftler Felix Stalder in der, tatsächlich, Nullnummer der Zeitschrift Kamion, die – ganz nah an der Idee des Open Access – mit dem Motto „Der Aufstand der Verlegten“ antritt. (mehr zur Zeitschrift bei Brandmayr, 2014) Der Autor verwirft darin sehr offensiv die Idee des Peer Review, die ihm gerade im Double-Blind-Modus als sehr eigenartiges Verfahren, als ein „in vielerlei Hinsicht paradoxer Prozess“ erscheint:

„Durch die Verschleierung der Einflussnahme der Gutachter_innen auf den veröffentlichten Text wird ein Anspruch auf unpersönliches Wissen erhoben (das im Zuge des Begutachtungsprozesses entsteht), und es wird eine individuelle Autor_innenstimme behauptet.“ (ebd.)

Die Gründe, die aus seiner Sicht gegen das Peer Review sprechen, sind zusammengefasst:

  • Es besteht ein (Macht)Missbrauchspotential auf Seiten die Gutachter.
  • Die Autorenherkunft lässt sich gerade mithilfe digitaler Recherchetechnologien sehr einfach ermitteln (Stilproben, Thematik), so dass die Blind-Variante nicht wasserdicht ist.
  • Peer Review befördert einen stilistischen und formalen Konsens, wirkt also, wenn man so will, für den Diskurs homogenisierend
  • Das Peer-Review-Verfahren ist schlicht inkonsistent und zu langwierig.

II.

Es gibt mittlerweile erwartbar eine ganze Reihe von Überlegungen, wie der Ansatz des Peer Review als Qualitätskontrollmaßnahme überholt und reformiert werden kann. Stalder geht kurz auf Tony Prug und dessen Idee des Open Process Academic Publishing (Prug, 2010) ein. Diese beinhaltet u. a. auch, dass die publizierende Arbeit, also das, was ein Journal und eine Redaktion sowie, wenn vorhanden, die Reviewer tun, sichtbar wird und zugeordnet werden kann. Der für die Wissenschaftsgemeinschaft und die Selbstorganisation ihrer Publikationsprozesse entscheidende Schritt wäre eine komplette Nachvollziehbarkeit des Reviewing, die Missbrauchsmöglichkeiten erheblich reduziert und obendrein Metadiskurse zum Verfahren anregt, weil nun auch die Defizite des Review-Verfahrens erkennbar und analysierbar werden.

Stalder sucht eine andere Lösung. Er möchte das Peer-Review-Verfahren insgesamt überwinden. Entscheidend ist für ihn nicht, wie sehr ein Text bestimmten Vorstellungen und Kriterien der Gutachter entspricht, sondern welches diskursive Potential dieser enthält. Ins Zentrum der Auswahlentscheidung rückt die Debatte (vgl. Eingangszitat). Interessant für die Redaktionspraxis von kleinen Fachzeitschriften wie LIBREAS, die sich ständig intensiv mit der Frage der Begutachtung und Beitragsauswahl beschäftigen, sind Stalders Vorstellungen vom Aufgabenprofil einer Redaktion:

„Die Aufgabe des Redaktionsgremiums einer Zeitschrift wäre demnach eine doppelte: Erstens gilt es einzuschätzen, ob ein eingereichter Beitrag das Potenzial hat, die diskursive Praxis des Zusammenhangs weiterzubringen; und zweitens müssen, um die Debatte zu eröffnen, die Schlussfolgerung(en) dieser Einschätzung durch das Redaktionsgremium zusammen mit dem ursprünglichen Beitrag veröffentlicht werden. Das Redaktionsteam muss zu keiner Einigung gelangen. Es sollte ausreichen, dass ein Mitglied überzeugende Argumente dafür liefern kann, was aus diesem Beitrag tatsächlich einen Beitrag zur gemeinsamen diskursiven Praxis macht. Sollten andere Redakteur_innen zu anderen Schlussfolgerungen kommen, so wären auch ihre Argumente zu veröffentlichen. Eine Zurückweisung sollte nur dann erfolgen, wenn sich niemand positiv dafür interessiert.“ (Stalder, 2014)

Es beruhigt in gewisser Weise, dass in praxi ein solcher Prozess eines Editorial Reviews von Anfang an die einzige Option für eine Open Access-Zeitschrift im Betriebsmodus von LIBREAS war. Die zum Stalder’schen Konzept lückenschließende Ergänzung wäre nun, die Entscheidungsargumente aus den Protokollen der Redaktionsbesprechungen zu extrahieren, aufzubereiten und neben dem Beitrag als eine Art Paratext zu veröffentlichen.

Stalders Konzept klingt zunächst einmal nach einer reizvollen Idee, die wir auch gern intern reflektieren werden. Es birgt jedoch auch die Gefahr, dass die Redakteure mit ihrer plötzlich öffentlichen Rolle als Expertenjury eine prominentere Position im Publikationskontext einnehmen, als sie eigentlich anstreben. Das Kriterium der, wenn man so will, erwartbaren Diskurswucht eines Beitrags müsste in jedem Fall hinsichtlich der jeweiligen, also unserer, Diskursgemeinschaft spezifizieren. Schon das dürfte Probleme bereiten, denn die Erfahrung zeigt, dass sich die Zielgruppe von LIBREAS schwer eng umreißen lässt.

Die Einschätzung, „was aus [einem] Beitrag tatsächlich einen Beitrag zur gemeinsamen diskursiven Praxis macht“, fordert darüber hinaus einen Entscheidungsmaßstab, der konsequenterweise selbst wiederum transparent ermittelt werden muss. Ob sich das am Ende auf der Bewertungsebene allzu sehr vom traditionellen Peer Review unterscheidet, ist offen. Denn auch das Peer Review hat im Kern keinen anderen Grund als die Beurteilung, wie relevant und damit anregend für Folgeforschung oder Folgediskurse ein Beitrag ist. Alle übrigen Kriterien (passt ein Beitrag qualitativ in die jeweilige Zeitschrift?, ist er formal korrekt ausgearbeitet?, etc.) setzen auf dieser Grundidee auf.

Schließlich bleibt auch noch zu beachten, dass sich der Aspekt der Diskursivität in den so genannten STEM-Fächer ganz anders als in den Geisteswissenschaften präsentiert. Dort dient Peer Review im Idealfall zur Absicherung von faktueller und Verfahrenskorrektheit. Die dadurch erfolgende Vorfilterung trägt erfahrungsgemäß zu einer sehr willkommenen Komplexitätsreduktion bei, da – wiederum im Idealfall – nur Beiträge überhaupt in den Rezeptionszyklus gelangen, die den wissenschaftlichen und fachlichen Standards entsprechen. Das sollte nicht einer Homogenisierung sondern eher einer Kanalisierung entsprechen, bei der (wir denken an Ranganathans Every reader his/her book.) Publikationen möglichst genau dem passenden Adressatenkreis zugeleitet werden. Sind die Wissenschaftler mit dem Zuschnitt und den Review-Kriterien einer Zeitschrift vertraut, gelingt es ihnen umso besser, die Primärentscheidung zu treffen, ob ein Aufsatz für eine Lektüre überhaupt relevant ist. Die Forderung, Review-Verfahren transparenter und nachvollziehbar zu gestalten, ist hier absolut berechtigt. Das Kriterium der Debattenfähigkeit dürfte jedoch keine große Rolle spielen. Denn die Debatten finden in diesen Disziplinen eher über die Editorials, manchmal auch die Berichten und den Korrespondenzseiten der Fachzeitschriften vermittelt statt, also genau in den Teilen der Zeitschriften, die nicht einem Peer Review unterliegen.

 III.

Die Umbrüche im Publikationswesen an sich und besonders auch in der wissenschaftlichen Kommunikation sind so notwendig wie erwartbar langwierig. Das zeigt auch die Publikation von Felix Stalder in Kamion. Der Autor beschreibt in seiner Analyse der Debatte etwas, was sehr nah an die Idee liquider Dokumentensysteme rückt und führt einiges an, was in der Modellierung zu so genannten „enhanced Publications“ regelmäßig auftaucht, nämlich das Ziel:

„Materialien einfacher zwischen verschiedenen Publikationsformaten hin und her zu bewegen, von Interventionen über vielleicht auf Video aufgezeichneten Gesprächen hin zu Online-Artikeln und elektronischen oder gedruckten Büchern und wieder zurück.“ (Stalder, 2014)

Dies ist konzeptionell gar nicht allzu weit von dieser Beschreibung entfernt:

„Grob definiert versteht man unter “enhanced publications” Publikationsformen, die über eine digitale Nachbildung von Druckmedien hinausgehen und zum Beispiel mit Zusatzdiensten und Multimedia-Materialien angereichert sowie hypertextuell und/oder semantisch vernetzt sind.“ (Kaden, Kleineberg, 2014)

Was Stalder zu Recht in diesen Kontext einzubringen unternimmt, ist, diese Vernetzung nicht nur auf der Ebene der Formate, der maschinenlesbaren Verknüpfung sowie generell dem Anschluss von Begleitmaterialien wie Forschungsdaten oder Verfahrensdokumentationen zu sehen. Wissenschaftliche Kommunikation bleibt auch zukünftig unvermeidlich ein primär soziales Geschehen, weshalb die Vernetzungsdynamik von Publikationen naturgemäß auch und aus Sicht von Publizierenden ganz besonders von der Perspektive der Diskursivität her gedacht werden muss.

Digitale Kommunikationswerkzeuge der Gegenwart und idealerweise auch alle kommenden Publikationsstrukturen sollten dies ausdrücklich berücksichtigen und unterstützen. Die einfache Einbindung von Web-Elementen in Soziale Netzwerke ist dabei nur eine der simpelsten Varianten.

Selbst wenn man versteht, wie aufwendig es ist, mit engem Budget eine Zeitschrift herauszugeben, hätte man sich daher auch aus diesem Grund im Fall von Kamion ein wenig mehr Mut zur Nutzung offenerer digitaler Publikationsformen gewünscht. Schließlich tritt die Zeitschrift mit dem Anspruch an:

„Sie forciert den Verkehr, die Übersetzungen, die Vernähungen zwischen sozialen Bewegungen, Kunstpraxen und kritischer Intellektualität. Sie eröffnet Raum für entspannt theoretische, essayistische, nicht-akademische Schreibweisen und experimentelle Erzählformen. Sie entwickelt Taktiken und Strategien der Verkettung, Neuzusammensetzung und Bildung von Allianzen.“ (Kamion, 2014)

Publiziert wurde die Null-Ausgabe leider im Rückgriff auf das antiquierte und im digitalen Sinn denkbar verschlossene PDF-Format.

Erstaunlicherweise relativiert sich diese Kritik ein wenig, wenn man weiter recherchiert. Dann findet man den Text Felix Stalders bereits stärker „enhanced“, nämlich mehrsprachig und mit ein paar weiterführenden Informationen verknüpft, parallelpubliziert auf einem Portal namens _transversal texts_ (einem „multilingual webjournal“ herausgegeben vom europäischen institut für progressive kulturpolitik in Wien), wobei wiederum wenigstens für den Erstbesucher reichlich undurchsichtig bleibt, was, wie und mit welchem Zweck zusammenhängt. Aus performativer Hinsicht ist diese Unübersichtlichkeit, die so kennzeichnend für vielschichtige und offene digitale Kommunikationsumgebungen ist, fraglos gelungen. Einem Rezipienten, der permanent zwischen beiden Welten, nämlich der analogen bzw. analog geprägten und der digitalen und enhanced ausgericheten Publikationskultur wandelt, fehlen hier freilich stabile Orientierungsmarker, anhand derer er einschätzen kann, womit er es überhaupt zu tun hat. Was man nämlich nicht vergessen darf, ist, dass das diskursive Potential einer Publikation nicht allein von der Entscheidung der Herausgeber und der Redaktion abhängt. Ähnlich, wenn nicht sogar wichtiger ist die Bewertung und Begutachtung der Publikation durch das Publikum, also die rezipierende Diskursgemeinschaft. Die Aufgabe einer Redaktion ist folglich, nicht nur Beiträge auszuwählen, sondern auch einen Präsentationsrahmen zu entwickeln, der diese ohne großen zusätzlichen Aufwand eindeutig und konzentriert rezipierbar macht.

(Berlin, 17.10.2014)

Quellen

Alessia Bardi; Paolo Manghi (2014) Enhanced Publications: Data Models and Information Systems. In: LIBER Quarterly, Vol. 23, Nr. 4, S. 240-273, apr. 2014., vgl. http://libreas.tumblr.com/post/99488614736/enhanced-publications

Tanja Brandmayr (2014) Die Lust an transversalen Texte. In: Versorgerin, #103, http://versorgerin.stwst.at/artikel/aug-23-2014-2204/die-lust-transversalen-texten

Ben Kaden, Michael Kleineberg (2014) Das Fu-PusH-Weblog. In: Future Publications in den Humanities (FuPusH). Weblog. 13.10.2014, https://blogs.hu-berlin.de/fupush/2014/10/fupush/

Kamion [Redaktion] (2014) Einfahrt „Nicht abonnieren, wir gehen jetzt. In: Kamion, Nr. 0. S. 2f. (24. Juni 2014), http://diekamion.org/einfahrt/)

Tony Prug (2010) Open Process Academic Publishing. In: ephemera, Vol. 10, Nr. 1, S. 40-63, http://www.ephemerajournal.org/contribution/open-process-academic-publishing

Karsten Schuldt (2012) Peer Review – eine Entscheidungsfrage für kleine Zeitschriften. In: LIBREAS.Weblog, 06. Juni 2012, https://libreas.wordpress.com/2012/06/06/peer-review-eine-entscheidungsfrage-fur-kleine-zeitschriften/

Felix Stalder (2014) Wissenschaftliches Schreiben jenseits der Peer Review. Vom individuellen Schreiben zur diskursiven Praxis. In: Kamion, Nr. 0. S. 4-10 bzw. bei transversal: http://eipcp.net/transversal/0614/stalder/de

(Ben Kaden ist Mitherausgeber der Zeitschrift LIBREAS. Library Ideas und beforscht derzeit im Projekt Future Publications in den Humanities (Fu-PusH) an der Universitätsbibliothek der Humboldt-Universität zu Berlin die Zukunft der wissenschaftlichen Kommunikation in den Geisteswissenschaften.)

In eigener Sache: De- und Republikation des Gesprächs mit Antje Kellersohn (LIBREAS #25)

Posted in LIBREAS aktuell by libreas on 9. August 2014

Auch nach 25 Ausgaben einer elektronischen Zeitschrift geschieht es, dass man eine Erfahrung zum ersten Mal macht. Die Lektion heißt in diesem Fall: Depublikation. Um präzise zu sein: Wir sahen uns heute gezwungen, das in der Frauenausgabe publizierte Gespräch von Maria-Inti Metzendorf mit Antje Kellersohn von den beiden Servern (Version auf dem LIBREAS-Server und pdf-Version auf dem edoc-Server der Humboldt-Universität zu Berlin) herunterzunehmen, da wir versehentlich eine von Antje Kellersohn nicht-autorisierte Fassung publiziert hatten. Das tut uns erstens sehr leid, ist uns zweitens etwas peinlich, hat drittens einen willkommenen Lerneffekt und viertens Konsequenzen für die zukünftige Sorgfalt im Redaktionsworkflow. Versprochen.

Der Kummer entstand, dies als Lessons Learned und Transparenzmachung, aus einer bei der Zusendung des nicht-autorisierten Erstmanuskripts zwar gesehenen (und nun schmerzlich erinnerten) aber leider von uns nicht im Manuskript vermerkten Sperrangabe. Daraus ergab sich, dass das Dokument in den üblichen Redaktionsprozess (Vorsichtung, inhaltliches Lektorat, formales Lektorat, Publikationsvorbereitung, Publikation) gelangte und da sich unglücklicherweise zum Zeitpunkt der Abschlussredaktion niemand mehr erinnerte, dass die autorisierte Fassung noch aussteht, schließlich auch ins Netz.

Dies sollte und darf nicht passieren und nachdem wir gestern Mittag einen sehr pressierenden Anruf aus Freiburg erhielten, der uns zur sofortigen Depublikation des Dokumentes motivierte, sind wir um einige Erfahrungen reicher und ist die aktuelle LIBREAS-Ausgabe um einen Beitrag ärmer. Wir bitten ausdrücklich, eventuell noch im Netz oder auf privaten Rechnern vorhandene Kopien, die sich außerhalb unseres Zugriffs befinden, NICHT weiter zu verwenden bzw. zu zitieren. Nachgestellt befindet sich die von Antje Kellersohn autorisierte Fassung des Gesprächs, die wir wie geliefert, also ohne redaktionelle Sichtung, publizieren. Eine nachträgliche Einbindung in die Ausgabe ist leider nicht mehr möglich.

(Berlin, 08.08.2014, red.)

Frauen in bibliothekarischen Führungspositionen – Ein Gespräch im Mai 2014

von Maria-Inti Metzendorf (more…)

EIS, newlis und LIBREAS. Ein Blick in die INETBIB und darüber hinaus.

Posted in LIBREAS aktuell, LIBREAS.Debatte by Ben on 29. Juli 2014

von Ben Kaden (@bkaden)

Am vergangenen Donnerstag (24.07.2014) bestätigte Rainer Kuhlen in der Mailing-Liste INETBIB, dass das geplante Projekt einer neuen europäischen Open-Access-Zeitschrift bzw. Kommunikationsplattform für die Informationswissenschaft (European Journal of Information Science bzw. EIS-ICP bzw. Open-Access-Zeitschrift/Publikations-, Informations- und Kommunikationsplattform EIS – European Information Science (OA-PIKP-IW)) keine Förderung von der Deutschen Forschungsgemeinschaft zu erwarten hat. Damit ist das Projekt vorerst gescheitert. Rainer Kuhlen verfügt als emeritierter Professor zwar über Expertise und Kontakt jedoch eben nicht über Infrastruktur und Mittel. Und ohne diese lässt sich ein Unterfangen dieses Zuschnitts nicht bewältigen. (vgl. Kuhlen 2014, Antragstext: Kuhlen, Womser-Hacker,2014)

Die Reaktionen in der Mailing-Liste auf die Mail Rainer Kuhlens verdeutlichen, wie die Frage eine Reorganisation der bibliotheks- und informationswissenschaftlichen Fachkommunikation (de facto fallen beide Facetten in Deutschland sehr häufig sogar noch mit der bibliothekarischen und informationspraktischen Fachkommunikation zusammen, wenngleich es sich beim Kuhlen’schen Vorhaben um ein dezidiert informationswissenschaftliches handelte) unter dem Ansprach des Open Access verhandelt wird. Da dies unmittelbar auch für LIBREAS interessant ist, sollen die bisher verfügbaren Positionen hier kurz dokumentiert, sortiert und kommentiert werden.

Rainer Kuhlen selbst mutmaßte in seiner Erstmeldung nur indirekt über die Gründe, die die DFG möglicherweise zur Ablehnung gebracht haben („nicht gut genug“, „zu ambitiös“, „ob die Informationswissenschaft in der DFG keine Lobby hat“, vgl. Kuhlen, 2014).  Thomas Krichel, der sich ein paar Vortragsfolien von Rainer Kuhlen angesehen hat, meinte in einer ersten Reaktion, dass die DFG-Entscheidung, wenn der Antrag den Folien ähnelte, wenig überraschend sei, spezifizierte die Aussage aber nicht weiter. (Krichel, 2014a) Nun ist das Spiel des Mutmaßens zwar sehr unterhaltsam, am Ende aber auch müßig, zumal die leider nicht zugänglichen Gutachten die Wahrheit bzw. eine unabweisbare offizielle Begründung für den abschlägigen Bescheid enthalten, die wir voraussichtlich nie erfahren werden, so dass auch niemand die Freude empfinden wird, beim Orakeln richtig gelegen zu haben.

Die drei Überlegungen Kuhlens klingen allerdings wahrscheinlicher als die Vermutung, die Eric Steinhauer ins Spiel bringt. Diese weist dafür über den Antrag hinaus in die oft betrübliche Realität der Redaktionspostfächer:

„Wäre es eine zu abwegige Vermutung, dass ein Grund dafür vielleicht auch in dem Umstand zu suchen sein könnte, dass es für ein neues Fachorgan einfach nicht genügend Autoren gibt?“  (Steinhauer, 2014a)

1. Publikationskultur (Eric Steinhauer)

Der von ihm angesprochene Punkt, nämlich wie man überhaupt im deutschen LIS-Feld genügend Beiträge für eine ganze Bandbreite von Publikationsformen (also auch die Neugründungen Neugründungen Informationspraxis  und o-bib sowie für Nanopublikationen, wie Eric Steinhauer ergänzt, das Sortiment der Social-Media-Welt), verfehlt zwar etwas den geplanten Zuschnitt von EIS, da dieses Journal als wissenschaftliche Fachplattform nicht unbedingt auf bibliothekspraktische Texte blicken sollte. Er greift mit der Frage „Wer schreibt?“ aber dennoch eine grundlegende Herausforderung auf, die sich jeder Fachzeitschrift für Bibliothekswesen bzw. Bibliotheks- und Informationswissenschaft stellt.

Für Eric Steinhauer beginnt das Problem freilich noch früher bzw. auf der anderen Seite des Publikationskreislaufs. Was publiziert wird, so sein Eindruck, wird oft so gut wie gar nicht rezipiert:

„eine Lektüre, geschweige denn eine produktive Rezeption publizierter Arbeiten [findet] kaum statt[…]“  (Steinhauer, 2014a)

Entsprechend nachvollziehbar ist sein Appell, den Blick weniger auf die Publikationsorgane als auf die Publikationskultur selbst zu richten. Daran, wie sich Informationspraxis und o-bib entwickeln, wird sich auch empirisch zeigen, ob in der deutschen Fachgemeinschaft genügend Platz für eine solche Vielzahl von Publikationsorganen ist. (Steinhauer 2014b)

Ursächlich für die mangelnde Rezeption bibliotheks- und informationswissenschaftlicher Publikation sind für ihn „selbstreferenzielles Projektdenken und zuviel quasi-politisches Gehabe“ und ein zu gering ausgeprägtes Bewusstsein für Interdisziplinarität beispielsweise mit den Kulturwissenschaften, die bibliothekswissenschaftlich relevante Sachverhalte äußerst rege aufgreifen.

2. Kein Peer Review,  dafür ein Referateblatt (Walther Umstätter)

Walther Umstätter sieht angesichts der Zahlen der Absolventen in den Ausbildungs- und Studiengängen durchaus noch Raum für eine weitere Publikationsplattform. (Umstätter, 2014a)

Er kritisiert jedoch, dass im Vorfeld keine bibliometrische Profilierung der geplanten Publikation stattfand. Er bezieht sich dabei auf eigene Vorarbeiten (Mayr, Umstätter, 2008), die zu dem Ergebnis führten:

„Gerade mit der immer stärkeren Abnahme an deutschsprachigen wissenschaftlichen Zeitschriften wächst die  Bedeutung derer, die noch existieren, insbesondere für den Nachwuchs.“ (Mayr, Umstätter, 2008)

Größere Probleme bereitet ihm jedoch der Ansatz des Open Access selbst. Die von Eric Steinhauer erwähnten Publikationen und besonders Social-Media-Kanäle erscheinen ihm stärker als Angebote für „bestimmte Interessengruppen und „Indies““, wogegen die Diskussion der so genannten newlis-Debatte eine übergreifende, „zentrale“ Lösung anstrebte. Im Kern fehlen Zentralorgane, wie es naturwissenschaftliche Disziplinen mit den Übertiteln Nature oder Science besitzen, in den Geisteswissenschaften, zu denen Walther Umstätter offenbar auch die Bibliotheks- und Informationswissenschaft zählt. Der Grund dafür ist aus seiner Sicht, dass es hier keine auf harte Fakten bezogene Streitkultur gibt. Man bleibt beim Feststellen von Meinungen und deshalb, so Walther Umstätter, ist die Publikationskultur in der Bibliotheks- und Informationswissenschaft nur schwach ausgeprägt:

„Es geht in der Bibliotheks- und Informationswissenschaft zu wenig um die Fakten und Konsequenzen der Informationstheorie als Hard Science, und zu oft nur um das Geplauder um moderne Schlagworte.“ (Umstätter, 2014a)

Weiterhin erweitert Walther Umstätter im Anschluss an Eric Steinhauer die Debatte um den Aufruf, dass die in internationalen Zeitschriften erschienenen Publikationen in der deutschen Bibliotheks- und Informationswissenschaft intensiver als bisher – idealerweise mit den „besten Wissenschaftlern als Reviewern“ – „fundiert und kritisch“ einem Art Post-Peer-Review unterzogen werden. Sehr deutlich spricht er sich also für eine Art Referatezeitschrift der deutschen Bibliotheks- und Informationswissenschaft aus, dass über aktuelle Fachentwicklungen informiert und zugleich einen fehlenden Zugang zu diesen Titeln kompensiert.(Umstätter, 2014c)

Ein Post-Publication-Peer-Review ist für Walther Umstätter auch generell für neugegründete Zeitschriften das Mittel zur Qualitätssicherung. (Umstätter 2014b) Er argumentiert, dass beim Pre-Publication-Peer-Review  in der Wissenschaft in immerhin 4,5% der Fälle (vgl. Cawley, 2011) zum Review eingereichte Erkenntnisse durch die Reviewer selbst nachverwertet (bzw. gestohlen) wurden. Darüber hinaus könnte der Vorteil, frühzeitig und teilweise auch inspirierend den Forschungsstand der Fachkollegen zur Kenntnis nehmen zu können, auch generell eine zentrale Motivationsgröße für die Mitarbeit am zumeist nicht vergüteten Reviewing für Fachzeitschriften darstellen. Er wird in diesem Punkt durch Thomas Krichel unterstützt, der auf das Fachrepositorium E-LIS verweist. (Krichel, 2014b)

Schließlich betont Walther Umstätter in einer dritten Positionierung, dass er ursprünglich LIBREAS in der Rolle des aus dem newlis-Umfeld heraus forcierten neuen Open-Access-Organs sah. (Umstätter, 2014c, Umstätter, 2012) Er interpretiert dabei einen Text von Ben Kaden als diesbezüglich abschlägig. (Kaden, 2012, mehr dazu unten) LIBREAS hätte aus seiner Sicht als eine Art Referateorgan mit einer entsprechenden Unterstützung und einem Anschluss an die Idee von EIS durchaus das passende Produkt für den festgestellten Bedarf werden können:

„Natürlich hätten die Mitstreiter bei LIBREAS noch weit mehr ihre Arbeit aufteilen müssen, hätten Rechte und Pflichten abgeben müssen, um die anfallende Arbeit zu schaffen, hätten einiges an Arbeit auf die Softwareebene delegieren müssen, und gerade das müsste man der DFG klar machen, wo die eigentliche Projektidee liegt, die bei Kuhlens Antrag nicht deutlich genug wurde, weil er anderenfalls hätte angenommen werden müssen.“ (Umstätter, 2014c)

3. Kein Förderbedarf (Klaus Graf)

Für Klaus Graf besteht schlicht kein Bedarf für eine DFG-Förderung. Eine bezahlte Redaktion wäre ein netter Bonus, die Open-Access-Praxis zeigt aber, dass es einerseits infrastrukturelle Unterstützung durch Hochschulen (Open-Journal-Systems u.a. der Universitätsbibliothek Heidelberg gibt) und andererseits der hauptsächlich ehrenamtliche Ansatz „der beiden angekündigten deutschsprachigen OA-Journals […] moderner und zukunftsweisender“ ist. (Graf, 2014a)

Zur Frage des Reviewing positioniert sich Klaus Graf mit der Einstellung „publish first, filter later“. (Graf, 2014b) Ein „gründliches traditionelles Review” stellt dabei eine Art Erstfilter dar. Die weitere Qualitätsbewertung eines Beitrags erfolgt idealerweise als Post-Publication-Review und damit dürfte zu diesem Aspekt ein Konsens bestehen.

4. Das Problem des Nebenbei (Annette Kustos)

Anette Kustos rekurriert auf das von Eric Steinhauer eingebrachte Problem des „Wer schreibt?“  bzw. „Wer schreibt wissenschaftlich?“ und ergänzt die Debatte um die Position, dass Bibliothekarinnen und Bibliothekare mit einer „ständige[n] „Breitenperformance““ oftmals kaum mehr an Text zu produzieren in der Lage sind, als solchen in der wenig geliebten Form der Praxisberichte. Für eine tiefe Quellenrecherche und wissenschaftliches Ausarbeiten der Beiträge bleibt im Arbeitsalltag kaum Gelegenheit.

Sie betont zudem den Aspekt, dass die Arbeit des Publizierens in den vorliegenden Open-Access-Strukturen ohne direkte Entlohnung und quasi nebenbei, finanziert durch anderweitige Erwerbsarbeit erfolgt. Open Access, so betont sie, kann eigentlich nur funktionieren, wenn die grundsätzlichen Betriebsressourcen der Publikationsplattformen finanziert sind. Deshalb ist sie auch Mitglied im LIBREAS-Verein und unterstützt diesen mit einem Jahresbeitrag. Das Fehlen eines solch abgesicherten „institutionelle[n] Unterbau[s] mit Grundmitteln für den Fachkontext Informationswissenschaft“ könnte, so die Vermutung, im Fall von EIS der Kern des Problems sein. Ihr Best-Practice-Beispiel aus dem bibliothekarischen Bereich ist die Zeitschrift GMS Medizin-Bibliothek-Information.

5. Kommentar (Ben Kaden)

Ob die INETBIB-Diskussion um die Nichtbewilligung einer DFG-Förderung für EIS-ICP die generelle Debatte um die Publikationsstrukturen in Bibliothekswesen, Bibliotheks- und Informationswissenschaft bzw. Informationswissenschaft, die unter der Überschrift newlis eine erfreuliche intensive Kommunikation und schließlich, nicht minder erfreulich, gleich zwei konkrete Publikationsprojekte nach sich zieht, wieder intensiver aufflammt, ist nach vier Tagen noch nicht absehbar. Dass eine Diskussion stattfindet spricht aber deutlich für eine Vitalität der Fachgemeinschaft, auch wenn die TeilnehmerInnen weitgehend bekannt und von vergleichsweise geringer Zahl sind. Aus den bisherigen Stimmen lassen sich folgende Kernpaspekte extrahieren:

  • Es gibt zu wenige (gute) Autoren bzw. Beiträge.
  • Es wird zu wenig bzw. zu wenig aufmerksam und kritisch gelesen.
  • Open-Access-Publikationen sind relativ kostengünstig einzurichten.
  • Open-Access-Publizieren erfolgt fast notwendig ehrenamtlich.
  • Das Peer-Review-Verfahren sollte durch ein Post-Publication-Review abgelöst werden.
  • Eine Referateblatt, dass Forschungsergebnisse besonders aus internationalen Publikationen an das Fachpublikum vermittelt, wäre wünschenswert.

Sehr zentral aus meiner Sicht jedoch noch ein anderer Aspekt, der noch nicht expliziert wurde, aber ursächlich für viele Reibungspunkte sein dürfte: die mangelnde Abgrenzung. Genaugenommen ist es nämlich nicht unbedingt zutreffend, wenn man das geplante EIS-ICP mit LIBREAS, Informationspraxis und o-bib oder anderen bibliothekarischen Fachzeitschriften in einen unmittelbaren Zusammenhang setzt. Sowohl der geographische Zuschnitt (Europäische Union) wie auch die fachliche Konzentration (Informationswissenschaft) zielten nachvollziehbar doch vielmehr auf eine konkrete Wissenschaftsgemeinschaft und weniger auf eine Fachgemeinschaft, die bis in die Bibliothekspraxis reicht, was sich besonders bei der Art der einreichbaren Beiträge und deren Reviewing gezeigt hätte. Die Zielgruppe unterscheidet sich demnach grundlegend von der der genannten anderen Open-Access-Zeitschriften.

Herausforderung und Konkurrenz für EIS-ICP wären daher vielmehr die in der Fachdisziplin fest etablierten Titel, also Zeitschriften wie JASIST, das Journal of Documentation und sicher auch die IWP sowie eine gut sortierte Handvoll internationale Open-Access-Publikationen wie First Monday oder InformationR, in denen auch deutsche informationswissenschaftliche Autoren relative stabile und vor allem etablierte Strukturen für ihren Fachdiskurs vorfinden, in denen sie ihre Forschung kommunizieren können. Allerdings heißt es im Antrag bei der Bedarfsanalyse: „Faktisch publizieren deutsche WissenschaftlerInnen, bis auf Ausnahmen, kaum in den international führenden Journalen des Fachgebiets […]“ (Kuhlen, Womser-Hacker, 2014, S. 32) Hier eröffnet sich noch ein ganz anderes Feld für eine Debatte zur gegenwärtigen Publikationskultur der Bibliotheks- und Informationswissenschaft, dessen Bearbeitung erst einmal vertagt werden muss.

Dass sich eine Vielzahl von VertreterInnen der Fachcommunity laut Liste im Antrag (Kuhlen, Womser-Hacker, 2014) zur Mitarbeit im Editorial Board bereiterklärten mag einerseits den Netzwerkkompetenzen der Antragsteller geschuldet sein. Andererseits zeigt es dennoch mindestens, dass die informationswissenschaftliche Community einer weiteren Publikationsplattform nicht abgeneigt gegenüber steht.

Interessant wäre es natürlich, die Gutachten mit der Ablehnungsbegründung einzusehen. Die Vermutung, dass EIS tatsächlich sehr, vielleicht zu komplex und zugleich im Gegensatz zu anderen, niedrigschwelligeren Open-Access- und Nanopublikationsformen ziemlich traditionell top-down-strukturiert angelegt war, stellte sich bereits bei den Präsentationsvorträgen von Rainer Kuhlen u.a. im BBK des Berliner Instituts für Bibliotheks- und Informationswissenschaft ein und bestätigt sich auch in gewisser Weise bei der Lektüre des Antrags. Jedoch sind auch die Erwartungen und formalen Ansprüche der DFG zu berücksichtigen und zweifellos steht einem informationswissenschaftlichen Projekt ein hoher informationswissenschaftlicher Innovationsanspruch in einem solchen Antrag sehr gut zu Gesicht.

Es bleibt dabei: auch mit Informationspraxis, o-bib, LIBREAS, 027.7 und anderen Publikationen fehlt eine deutschsprachige Open-Access-Zeitschrift für die Disziplin der Informationswissenschaft. Keine der genannten Open-Access-Publikationen erfüllt die Standards, die eine Wissenschaftsgemeinschaft berechtigt an ein für sie tragfähiges Leit- und Kommunikationsmedium stellt.

Aus Sicht von LIBREAS kann ich mich der Position von Annette Kustos sehr gut anschließen: Es ist mit den vorhandenen Mitteln und auf der Basis der Beiträge die uns erreichen unmöglich, ein hartes wissenschaftliches Journal herauszugeben, wie es Walther Umstätter und Rainer Kuhlen mutmaßlich vorschwebt. Das bedeutet keineswegs, dass nicht auch auf diesem Weg wissenschaftliche und andere relevante Erkenntnisse in diesen Medien ihren Weg zum Leser finden. Bei konsequenter Anwendung wissenschaftlicher Standards wäre bei LIBREAS jedoch die Ablehnungsrate selbst des Editorial Reviews so hoch, dass wir bestenfalls alle zwei Jahre eine Ausgabe publizieren könnten. Wir haben uns dagegen entschieden und folgen lieber Klaus Grafs Devise „publish first, filter later“.

Ich habe LIBREAS unlängst in einer Diskussion als Themenseismograph bezeichnet und ich denke immer mehr, dass es das ist, was wir aktuell mit den uns zur Verfügung stehenden Mitteln leisten können: wir zeichnen bestimmte Aspekte und Erörterungen dazu auf, in der Hoffnung, dass sie rezipiert werden und etwas darauf folgt.

Die Einnahmen des LIBREAS-Vereins decken derzeit die technischen Grundkosten und ermöglichen uns darüber hinaus hin und wieder Veranstaltungen wie den SWiF zu unterstützen. All die Ambitionen, die zweifellos darüber hinaus bestehen, müssen derzeit zurückgestellt werden.

Wenn Walther Umstätter in seiner Mail vom 27.07. explizit auf LIBREAS eingeht, dann ist auch diese Prämissen zu berücksichtigen. Es ist keinesfalls so, dass LIBREAS sowohl newlis wie auch EIS ablehnend gegenüberstand. Ganz im Gegenteil. Mit und zu newlis gelang es in einen Dialog zu treten (u.a. auf dem frei<tag> 2012). Dass unsere Erfahrungen und Ideen für EIS offenbar wenig Relevanz besaßen, ist am Ende wahrscheinlich doch dem sehr anderen Zuschnitt geschuldet. Soweit ich beurteilen kann, stand LIBREAS als Anschlusspunkt für den Projektantrag von Rainer Kuhlen nie zur Debatte. Zum Dialog auch zu EIS waren wir dennoch jederzeit bereit und haben dies auch signalisiert. Die bereits oben zitierte Aussage Wather Umstätters

„Natürlich hätten die Mitstreiter bei LIBREAS noch weit mehr ihre Arbeit aufteilen müssen, hätten Rechte und Pflichten abgeben müssen, um die anfallende Arbeit zu schaffen, hätten einiges an Arbeit auf die Softwareebene delegieren müssen, und gerade das müsste man der DFG klar machen, wo die eigentliche Projektidee liegt, die bei Kuhlens Antrag nicht deutlich genug wurde, weil er anderenfalls hätte angenommen werden müssen.“ (Umstätter, 2014c)

wirkt daher möglicherweise etwas verzerrend. Was wir nicht wollten und was ich in meiner Antwort auf Walther Umstätter schrieb (vgl. Kaden, 2012), war zu unserer laufenden LIBREAS-Arbeit mit unseren schmalen Ressourcen große und mittlere Pläne Dritter zu bedienen.

Was die Software-Lösung angeht, sind wir mit der Github-Lösung und der Variante für Langzeitarchivierung über den e-doc-Server der Humboldt-Universität eigentlich ziemlich zufrieden. Für die anderen Spielereien benutzen wir, was an Social-Media-Komponenten üblich ist und vermissen relativ wenig. Wir verstehen uns also auch an dieser Stelle durchaus als anschlussfähig.

Auch als Organisationsform LIBREAS ist mit dem LIBREAS-Verein so offen, wie es eben geht. Wir freuen uns selbstverständlich weiterhin auch, über weitere – verlässliche und belastbare – Mitglieder der Redaktion, vor allem in den Bereichen Autorenbetreuung und Review-Management. Wir freuen uns auch über AutorInnen.

Die Idee des Referateblatts (oder Abstract-Journals), wie sie Walther Umstätter in seiner Nachricht in der INETBIB als Desiderat beschreibt, nahmen wir übrigens im LIBREAS-Weblog auf und führen sie im LIBREAS-Tumblr weiter:

„Die Seite LIBREAS.tumblr.com dient also dem Zweck, selektiv und in betont knapper Form Erkenntnisse aus dem aktuellen Publikationsgeschehen in der Bibliotheks- und Informationswissenschaft zu sammeln, zu bündeln und sorgsam auszutaggen.“ (Kaden, 2013)

Dass wir darin nicht einmal in Richtung eines Anspruchs auf Vollständigkeit gehen und nicht ontologiebasiert erschließen, was vielleicht ein toller Anspruch und zugleich die Erwartung der Fachwelt wäre, liegt nun leider auch daran, dass unser Tag mit allem Möglichen gefüllt ist – Annette Kustos weiß, was wir meinen – und wir uns daher erlauben, nur dass zu lesen und zu referieren, was uns wirklich interessiert. Doch auch dieses Format steht prinzipiell jedem offen und über ben@libreas.eu sind Ideen und fast lieber noch konkrete Referate sehr willkommen.

(Berlin, 29.07.2014)

 

 

Quellen

Valentine Cawley (2011): An Analysis of the Ethics of Peer Review and Other Traditional Academic Publishing Practices. In: International Journal of Social Science and Humanity, Vol. 1, No. 3, September 2011. S. 205-213. DOI: 10.7763/IJSSH.2011.V1.36

Klaus Graf (2014a) Re: [InetBib] Kein EIS. In: INETBIB, 25.07.2014, http://www.ub.uni-dortmund.de/listen/inetbib/msg53582.html

Klaus Graf (2014b) Re: [InetBib] Kein EIS. In: INETBIB, 27.07.2014, http://www.ub.uni-dortmund.de/listen/inetbib/msg53588.html

Ben Kaden (2013) Aus der Redaktion: LIBREAS microbloggt nun auch bei Tumblr. Aber warum? In: LIBREAS.Weblog. 24.01.2013 https://libreas.wordpress.com/2013/01/24/aus-der-redaktion-libreas-microbloggt-nun-auch-bei-tumblr-aber-warum/

Ben Kaden (2012) LIBREAS als Schweigbügelhalter? Eine Position zur newLIS-Debatte. In: LIBREAS. Weblog. 04.07.2014. https://libreas.wordpress.com/2012/07/04/libreas-als-schweigbugelhalter-eine-position-zur-newlis-debatte/

Thomas Krichel (2014a): Re: [InetBib] Kein EIS. In: INETBIB, 25.07.2014 http://www.ub.uni-dortmund.de/listen/inetbib/msg53570.html

Thomas Krichel (2014b): Re: [InetBib] Kein EIS. In: INETBIB, 25.07.2014, http://www.ub.uni-dortmund.de/listen/inetbib/msg53584.html

Rainer Kuhlen (2014): Kein EIS. In: INETBIB, 24.07.2014, http://www.ub.uni-dortmund.de/listen/inetbib/msg53568.html

Rainer Kuhlen, Christa Womser-Hacker (2014) Antrag an die Deutsche Forschungsgemeinschaft aus dem Programm Wissenschaftliche Literaturversorgungs- und Informationssysteme, hier zu 12.11 Elektronische Publikationen Einrichtung einer Open-Access-Zeitschrift/Publikations-, Informations- und Kommunikationsplattform. Berlin, Hildesheim: 07.01.2014. Volltext: http://www.kuhlen.name/MATERIALIEN/Projekte/RK-antrag-EIS-unter-CC-BY3-0-27072014-PDF

Annette Kustos (2014) Re: [InetBib] Kein EIS. In: INETBIB, 28.07.2014 http://www.ub.uni-dortmund.de/listen/inetbib/msg53595.html

Philipp Mayr, Walther Umstätter (2008) Eine bibliometrische Zeitschriftenanalyse zu JoI, Scientometrics und NfD bzw. IWP. In: Information – Wissenschaft und Praxis. Jg. 59 Heft 6/7 (2008) S. 353-360. Volltext: http://www.ib.hu-berlin.de/~mayr/arbeiten/mayr-umsta_IWP08.pdf

Eric Steinhauer (2014a): Re: [InetBib] Kein EIS. In: INETBIB, 25.07.2014, http://www.ub.uni-dortmund.de/listen/inetbib/msg53576.html

Eric Steinhauer (2014b)): Re: [InetBib] Kein EIS. In: INETBIB, 25.07.2014, http://www.ub.uni-dortmund.de/listen/inetbib/msg53581.html

Walther Umstätter (2014a) Re: [InetBib] Kein EIS. In: INETBIB, 25.07.2014, http://www.ub.uni-dortmund.de/listen/inetbib/msg53580.html

Walther Umstätter (2014b) Re: [InetBib] Kein EIS. In: INETBIB, 25.07.2014, http://www.ub.uni-dortmund.de/listen/inetbib/msg53583.html

Walther Umstätter (2014c) Re: [InetBib] Kein EIS. In: INETBIB, 27.07.2014, http://www.ub.uni-dortmund.de/listen/inetbib/msg53587.html

Walther Umstätter (2012) Re: [InetBib] BIBLIOTHEKSDIENST erscheint bei De Gruyter: Stellungnahme der BID. In: INETBIB, 02.07.2012, http://www.ub.uni-dortmund.de/listen/inetbib/msg47944.html

 

 

 

LIBREAS Call for Papers LIBREAS #24: Zukünfte

Posted in LIBREAS aktuell, LIBREAS Call for Papers by libreas on 1. Juli 2013

Update: Wir haben auf mehrfache Bitte den Redaktionsschluss bis zum 14.02.2014. verlängert. 

„Der Bibliothekar muß Kritiker und Architekt sein – Zerstörer des Veralteten und Bildner seiner eigenen Zukunft.“ (Stummvoll, 1965, 26)

„So besehen ist die Frage nach der Zukunft der Bibliothek im Kern die Frage nach der Zukunft der Druck- und Schriftkultur.“ (Gradmann, 2005, 99)

„Die Bibliothek des späten 20. Jahrhunderts, wie wir sie kennen, wird uns 2050 nicht mehr begegnen.“ (Kaden, 2006, 43)

Was ist es eigentlich, dieses Verhältnis zwischen Zukunft und Bibliothek? Ist es ein gesundes? Die Zukunft ist, seit die Moderne begonnen hat, immer gleich um die Ecke, immer Bedrohung und Verheißung zugleich, als greifbarer Fortschritt oder als möglichst zu vermeidende Apokalypse. Die Zukunft treibt Entwicklungen, man strebt ihr entgegen oder fürchtet sie. Die Zukunft war die virtuelle Sphäre des Handelns bevor wir dem Cyberspace eine www-codierte Form gaben. Sie ist motiviert aus den Unzulänglichkeiten des Heute, sie ist ein Versprechen, bisweilen auch eine Wette. Und sie ist vor allem: ungewiss und unvermeidlich.

Aus vergangenen Zukünften

Die Deutsche Zentralstelle für volkstümliches Büchereiwesen schrieb 1928 auf dem Höhepunkt des Richtungsstreits:

„Die deutsche öffentliche Bücherei steht an einem entscheidenden Wendepunkt ihrer Entwicklung. Große neue sachliche Arbeitsbereiche, mit deren Bewältigung erst die volkstümliche Bücherei ganz zu sich selbst kommen wird, haben sich aus einem dreißigjährigen Arbeitsgang herauskristallisiert, zugleich aber geht die volkstümliche Bücherei im Zusammenhang mit Davesplan und Kulturabbau der Gemeinden, schweren elementaren Existenzkämpfen entgegen. Will sie die sachliche Arbeit ersprießlich leisten und die Existenzkämpfe erfolgreich bestehen, dann bedarf sie in sich selbst eines großen Maßes von Festigkeit und Einheit. Hieran fehlte es in den letzten Jahrzehnten der volksbüchereipolitische Kämpfen […].“ (Deutsche Zentralstelle für volkstümliches Büchereiwesen 1928, V)

Die Terminologie ist vielleicht eine andere, die Problemstellung leicht anders (obwohl: es geht um Geld und darum, dass alles schlechter wird), die Empfehlung ist vielleicht etwas anrüchig geworden. Aber die Struktur der Argumentation lässt sich so oft finden, wenn es um die Frage der Zukunft von Bibliotheken geht.

Gleichwohl wissen wir als Bibliothekswesen schon lange, dass es so, wie es vorhergesagt wird, nicht unbedingt kommen wird:

„Wir wissen nicht und können es auch nicht wissen, wie die Bibliothek der Zukunft aussehen wird, Prophezeien ist eine schwere und ungewisse Sache; wir können uns daher mit diesem Problem nur mit einem recht unbestimmten Grad von Wahrscheinlichkeit befassen.“ (Stummvoll 1965, 1)

Nicht zuletzt wissen wir, dass das, was wir heute als drängende Frage stellen, in kurzer Zeit ein veraltetes Thema sein kann. Die Fragestellungen einer bibliothekarischen Konferenz 1977 lauteten zum Beispiel:

”1. First of all, do we want, do we need computerised information services?

2. If so, what kind of service should we have?

3. Where should it be located?

4. What will it cost?

5. Finally, how should it be paid for?“ (Fleming 1977, 3)

Heute haben wir für die meisten dieser Fragen klare Antworten.

Zugleich drängt sich, je länger je mehr, auch ein Verdruss auf, wenn es um die Frage nach der Zukunft der Bibliotheken geht: Wiederholt sich nicht einfach alles immer wieder in leicht verschobener Terminologie? Ist es nicht so, dass eher die Bibliotheken getrieben werden, statt dass sie selber ihre Zukunft bestimmen? Ist die Diskussion um die Zukunft nicht eine zeitlose und lästige Debatte? Sollten wir nicht lieber eine ewig währende Gegenwart annehmen, in der wir uns auf Umweltentwicklungen hin optimieren? Wäre dies nicht der realistischere Weg?

Leptolepis

Was von den Gegenwarten bleibt ist bisweilen nur ein Abdruck. Da kann man noch so weiterbildungsbewusst und/oder biegsam sein – und soweit unsere paläo-ichthyologischen Grundkenntnisse reichen, schwärmte dieser Leptolepis sogar einmal in einer Schule (in Mittelfranken). Irgendwann in ferner Zukunft zeigt sich selbst der dickste Fisch des jeweiligen Präsens nur als ein Schatten, wie zufällig auf einer Schiefertafel gehoben. Der Kalkstein ist übrigens tatsächlich nicht nur für ein einschlägiges Jurastudium relevant. Sondern er war auch das Material, das Alois Senefelder für seine Flachdruckplatten nahm. So zeigt sich, dass sowohl die Erdgeschichte seit Ur-Garnelen-Zeiten wie auch die Steindruckkultur seit etwa 1800 aus dem selben Stoff geschnitten sind. Dass die Knochenfische mit einem dezidierten Zukunftsbewusstsein durch ihre Meereswelten schwammen und schwimmen scheint aus menschlicher Sicht unwahrscheinlich. Denn der Mensch hat die Zukunft erfunden und zwar hauptsächlich für sich. Als Konstruktionsmaterial bleiben ihm dafür zwangsläufig nur die Spuren der Vergangenheit. Beziehungsweise die Spuren vergangener Zukünfte. Eine schöne Eigenschaft von bestandsorientierten Bibliotheken (nach manchen Diskursen eine aussterbende Spezies) ist bekanntlich, dass sie diese Spuren (auch für die Zukunft) nachvollziehbar halten. Sie sind mit dieser Eigenschaft das Solnhofen unserer Kulturgeschichte. Beiträge zu dieser Facette von Zukunft in der Bibliothek sind für LIBREAS #24 selbstverständlich hoch willkommen. Vielleicht auch, damit eines Tages die Fachleute der digitalen Archäologie auf einer Partition eines e-doc-Servers auf Spuren von Kopf und Rückgrat stoßen, die einen ganz  besonderen Horizont der Geschichtlichkeit der frühen Digitalkultur nachverstehbar machen.

Die Zukunft der Zukunft

Schwierig wird es dann, wenn dies dazu führt, dass sich die Daseinsform selbst auflöst. Man benötigt Distanz, um die eigene Situation, die eigenen Möglichkeiten mit dem eigenen Wunschbild abzugleichen. Alles Konkrete eines Blicks in die Zukunft mag falsch sein. Aber sie gibt uns die Möglichkeit zum distanzierten Blick.

Daher kommen wir um die Zukunft nicht herum. Wir wissen, dass wir nicht wissen können, was morgen sein wird. Aber wir können uns verständigen, was wir morgen sein wollen. Und danach handeln.

Wie wird die Bibliothek der Zukunft sein? Wird in Zukunft noch eine Bibliothek sein oder werden wir von anderen Dingen sprechen? Was wird die Bibliothek beerben? Wird sich überhaupt etwas verändern in naher oder weiter Zukunft? Werden die Bibliothekarinnen und Bibliothekare sich ändern? Welcher Gestaltungsspielraum bleibt? Und wenn, wer wird für die Bibliotheken sprechen? Wollen überhaupt wirklich alle in eine (ähnliche) Zukunft? Und wie entwickelt sich die Spannung in der Gleichzeitigkeit von Innovationsanspruch und dem Luxus (scheinbarer) Anachronismen, die je größer scheint, je größer die Einrichtung ist?

In der Ausgabe # 24 möchte die LIBREAS die Zukunft in die Gegenwart (dieser Ausgabe) holen und ruft deshalb dazu auf, Artikel (oder andere Beiträge) zu den Fragen der Zukunft der Bibliotheken, der Medien und aller damit zusammenhängender Themen, Gebiete und Institutionen einzureichen. Als Fragestellungen drängen sich auf:

  1. Fragen der erwartbaren Zukunft. Was können wir nach all den vorhergesagten Veränderungen, die dann doch nicht eintrafen und den Veränderungen, die eintraten, ohne dass sie vorhergesagt wurden, tatsächlich über die Zukunft und die Bibliotheken sagen? Was werden ihre Funktionen sein? Was wird das Personal tun? Wie werden die Gebäude aussehen? Wie wird die Bibliothek heißen?
  2. Wie verstrickt ist die Zukunft der Bibliothek in die Zukunft der Medien-, Kommunikations- und Wissenskulturen?
  3. Welche Zukünfte sind wünschenswert? Und welche nicht? Ist es sinnvoll, über die Zukunft zu reden, wenn die Gegenwart nicht greifbar ist?
  4. Wer oder was ist es eigentlich, dass die Zukunft der Bibliotheken bestimmt? Welche Interessen werden umgesetzt? Wieso? Wie? Wie kann man dies unter Umständen verhindern, ändern, fördern?
  5. Welche Zukünfte prägten die Vergangenheit? Was wünschte man sich, was traf ein, was blieb aus?
  6. Welche Zukunft haben die Wissenschaften, in denen die Bibliothek, ihre Prozesse, Aufgaben und Rollen analysiert werden? Und wie gestalten diese Bibliotheks-, Informations- und Kulturwissenschaften die Zukunft der Bibliotheken?
  7. Bibliotheken und Science Fiction. Nicht zuletzt ist auffällig, dass gute Science Fiction so gut wie nie ohne Bibliotheken oder Informationssysteme auskommt. In Solaris trifft Kris Kelvin wichtige Entscheidungen in der Bibliothek, der Anhalter durch die Galaxis ist direkt eine Community Publication und in Star Trek ist der Computer, welcher offensichtlich eine semantische Maschine darstellt, grundlegend wichtig. Wieso eigentlich ist es offenbar so schwierig, sich eine Zukunft ohne Bibliotheken vorzustellen?

Die LIBREAS begrüßt alle Versuche, sich diesen Fragen zu stellen und freut sich auf Einreichungen zum Thema. (Einreichungen zu anderen Themen der Bibliotheks- und Informationswissenschaft und des Bibliothekswesens sind ebenso erwünscht.) Hinweise zur Einreichung finden sich unter http://libreas.eu/authorguides/, Deadline für die Ausgabe # 24 ist der 30.10.2013 14.02.2014.

LIBREAS-Redaktion

(Berlin, Bielefeld, Chur, Mannheim, Potsdam)

Literatur

Deutsche Zentralstelle für volkstümliches Büchereiwesen (Hrsg.) (1928) / Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der deutschen volkstümlichen Bücherei. – (Schriften zur Büchereifrage). – Leipzig: Verlag von Quelle & Meyer.

Flemig, M. G. (1977) / Introduction by Professor Fleming, Pro-Rector Imperial College. In: Conference on the Future Role of Computerised Information Services at the University of London : 25 January 1977 ; Proceedings. – London: Resources Co-Ordinating Committee, University of London, S. 5.

Gradmann, Stefan (2005) / Hat die Bibliothekswissenschaft eine Zukunft? In: Hauke, Petra (Hrsg.) Bibliothekswissenschaft – quo vadis? – München: Saur, 2005, S. 96-102.

Kaden, Ben (2006) / Gegenwart, Zukunft und Ende der Bibliothekswissenschaft. In: Hauke, Petra; Umlauf, Konrad (Hrsg.) Vom Wandel der Wissensorganisation im Informationszeitalter. – Bad Honnef: Bock+Herchen, S.29-48.

Stummvoll, Josef (1965) / Die Bibliothek der Zukunft : Automationsprobleme im Bibliothekswesen. – (Biblios-Schriften ; 42). – Wien: Österreiche Nationalbibliothek.

Jetzt neu im Internet: LIBREAS #22 Recht und Gesetz

Posted in LIBREAS aktuell by libreas on 15. Mai 2013

„When she was 22 the future looked bright / But she’s nearly 30 now and she’s out every night“ – Lily Allen (22. CD-Single. London: Regal Recordings,  2009)

Wird Lily Allen Recht behalten? Beschreibt sie eine Gesetzmäßigkeit? Wie auch immer es sein wird – bis zur Nummer 30 hat die mittlerweile mittelalte Dame LIBREAS noch ein bisschen Luft und wenn sie dann nac h wie vor die Feschness besitzt, das gelegentliche Ausstreuen absurder Neologismen mit regelmäßigem Ausgehen (und Ausgeben) zu verbinden, dann wäre das gar nicht verkehrt.

Wir vermuten jedenfalls derzeit keineswegs, dass die Zukunft – übrigens das Thema eines sehr bald kommenden Call for Papers – betrüblicher flackert oder glänzender scheint als diese Gegenwart. Daher eignen wir uns bei aller Leidenschaft und Liebe auch nicht zum Popsong. Vielmehr setzen wir auf langsames Expandieren von Fach, Zeitschrift und Verein, wobei uns von Lily Allens Protagonistin derzeit vor allem unterscheidet, dass wir nicht nach einem mehr oder paternalistischen Fittich, der in unserem Fall ja nur ein solventer und gut aussehender Verlag sein könnte, suchen. Denn natürlich gilt: „… comes along / Picks her up and puts her over his shoulder / It seems so unlikely in this day and age“.

Und es ist nicht nur unwahrscheinlich. Sondern überhaupt keine reizvolle Vorstellung. Was wir uns wünschen, sind reife und elaboriert verspielte, gern auch experimentelle Beziehungen zu gern auch häufig wechselnden Partner_innen. Wie wünschen uns heute genauso wie bereits 2005 und vielleicht 2020 textgewordene Abenteuer mit humorvollen, sensiblen, tiefgründigen und aufgeschlossenen Autoren und Autorinnen. Oder einfach nur geradlinige Beiträge, die uns für unser Publikum (was uns selbst mit einschließt) relevant erscheinen.

Anbei nun der Verweis auf die aktuelle Nummer 22 unter www.libreas.eu /Inhaltsverzeichnis | Editorial.
Und für alle, die es heute noch in die Berliner Knesebeckstraße südlich der Stadtbahn verschlägt, noch ein Hinweis: Das Ananas-Sorbet ist vorzüglich.

(bk / 15.05.2013)

LIBREAS #22 - Recht und Gesetz

LIBREAS #22 – Recht und Gesetz. Unser Titelbild zeigt den Eingangsbereich einen berühmten deutschen Bibliothek inklusive umfänglicher Regelkunde für die Benutzung.

 

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Raum_SHIFT Informationswissenschaft 2013: Rückschau auf die dritte frei<tag>-Unkonferenz

Posted in LIBREAS aktuell, LIBREAS Veranstaltungen, LIBREAS.Verein by Ben on 23. März 2013

Das 13th International Symposium of Information Science (ISI 2013) wird möglicherweise als die am wenigsten betwitterte Konferenz (#isi2013) des Jahres in der Statistik unter der Rubrik Sonstiges auftauchen. Und auch der an dieses Mutterschiff des Fachdiskurses angedockte Unkonferenz raum:shift information science (#frei13) litt ein wenig unter der nur schwankenden bis vollständig abgetauchten konferenzbegleitenden W-LAN-Verbindung. Dass ein lokaler Mitarbeiter der Fachhochschule Potsdam auf Nachfrage schulterzuckend entgegnete, was man denn wolle, so sei das nun mal in Institutionen mit geschlossenem Netz, tropfte etwas Wermut in die ansonsten doch sehr gelöste Stimmung dieses Freitags. Jemand anderes meinte zweckoptimistisch, dass es doch ganz gut sein, wenn sich die TeilnehmerInnen auf die Gespräche und nicht auf das Begleitrauschen im WWW konzentrierten.

Nachdem wir uns von dem Gedanken verabschiedet hatten, die Unkonferenz in einer Art Livecasting möglichst umfassend digital zu begleiten, erwies sich das als womöglich sogar günstigere Konstellation. (Dennoch hätte man selbstverständlich gern die Wahl.) Einzig die Nachbereitung ist nun für uns ein bisschen aufwändiger, da nur die schnellen Handmitschriften und die verteilten Gedächtnisse bleiben.

Die vier Sitzungen

1. Theoriebildung in der Informationswissenschaft sowie – anschließend an die Abschlussdiskussion der ISI – Informationswissenschaft im Abschwung,

2. Computer jenseits der Papiermetaphern – wie kann digitale Kommunikationstechnologie nach dem Abschied vom Ordnerverfahren aussehen,

3. vom Sinn und Unsinn der Innovation – was bewirken Begriff und Idee des Neugeschöpften in der Entwicklung der Bibliotheken,

4. die ideale Konferenz – wie kann ein zeitgemäßer Fachaustausch noch organisiert

brachten abgesehen vom handlichen vierten Thema mit den zahlreichen Ideen, mit denen man das Prinzip von Konferenzen wie der ISI in der Tat ein bisschen schärfer und kommunikativer aufbügeln könnte, hauptsächlich Dialog und Verständigung.Beides vollzog sich angenehm inkludierend, denn sachgemäß sind bei einer Unkonferenz alle Stimmen und Positionen gleich.

Bei der Üppigkeit des ersten Themas schienen sie sogar gleich klein und dass Studierende des Faches nach der Sitzung äußerten, sie würden verwirrter denn je auf ihre disziplinäre Heimat blicken, bestätigt leider, dass die Informationswissenschaft nicht als Denkkollektiv mit festen Bezugspunkten (bzw. einem verbindenden Mindset) existiert, sondern weitgehend als Omnibusbegriff, fast beliebig einparkbar zwischen Ausdrücken wie Bibliothekswissenschaft, Informationswissenschaften, Bibliotheks- und Informationswissenschaft oder auch Library and Information Science. Dass sich die Deutsche Gesellschaft für Informationswissenschaft und Informationspraxis (DGI) die Informationswissenschaft womöglich demnächst zugunsten einer Formulierung, die irgendetwas mit „Wissen“ enthält, aus dem Namen streichen möchte, ist sicher auch kein sonderlich stärkendes Signal. In einer Welt, in der man auch einen Master in Domotronik ablegen kann, besteht aber eigentlich kein Grund, die Informationswissenschaft elementar zu hinterfragen. Eher umgedreht würde ein Schuh daraus, mit dem man in Richtung neuer Relevanz marschieren könnte: durch eine aktive Auseinandersetzung mit eben dem Mindset, zusammensteckbar aus Gegenstand, Methoden und Modellen. Es muss nicht einmal unbedingt Konsens das Ziel sein. Ein gesunder und von gegenseitigem Respekt und gegenseitiger Wahrnehmung geprägter Dissens würde vorerst für die deutsche Informationswissenschaft schon einen guten Schritt darstellen. Vielleicht ist das Fach (bzw. sind seine VertreterInnen) an dieser Stelle auch einen Tick zu wenig offensiv und selbstbewusst, was eventuell auch erklärte, weshalb man sich von Nachfragen, externen Vorwürfen und generellen Unsicherheiten so furchtbar schnell bedroht zu fühlen scheint. Dabei ist Unsicherheit eigentlich erst das Movens um Wissenschaft zu betreiben.

Wie bereits auf der Sitzung geäußert, sei diesem irritierten (wissenschaftlichen) Nachwuchs als Quintessenz der Aufruf zur Eigenverantwortung und zum aktiven Eingreifen auf den Weg gegeben. Die Informationswissenschaft ist, man spürt es auf Veranstaltungen wie dieser in Potsdam besonders intensiv, ein soziales Gebilde und gerade seine ungenügende übergreifende Stabilität sollte Anlass genug sein, selbst Formen der Gestaltung zu suchen und /oder die etablierten VertreterInnen des Fachs, die sich das Label Informationswissenschaft anheften, mit diesem Label ernst zu nehmen, und einen entsprechenden Zukunftsdialog einzufordern. Bedroht sind ja weniger die Karrieren der derzeitigen Großkopfeten des Faches, sondern die derer, die derzeit grundständig überlegen müssen, ob ihnen die Informationswissenschaft überhaupt eine Perspektive bieten kann.

Der papierlose Computer ist eine Form der digitalen Datenverarbeitung bzw. der digital vermittelten Kommunikation, die sich von all den Metaphern, die uns in den Verzeichnisstrukturen und Word-PDF-u.ä.-Dateien begegnen, befreit. Die Gutenberg-Galaxis wirft aktuell mit diesen Simulakren des Papierfasernen ihre Schatten in einen Organisationsraum für Inhalte und Aussagen, in dem dies wenigstens strukturell überflüssig bis anachronistisch wirkt. Eigentlich steht aber nichts Geringeres als die Auflösung des Dokuments an. Paperless Computing setzt auf tag-basierte Strukturen und Relationen, die sich im stetigen Fluss befinden und in Applikationen wie der Google-Brille, elektronischem Geld und selbstorganisierenden Kühlschränken (a) einerseits unmittelbar an der Schnittstelle zwischen Real- und Digitalwelt als direkte Naht wirken und (b) andererseits viel stärker auf konkrete Prozesse als auf die Erzeugung bleibender Dokumente ausgerichtet sind.

Innovation ist ein Schlagwort und manchmal sogar ein Totschlagwort, das seit einer Weile nicht ganz selten aus strategischen Gründen eingesetzt werden dürfte. Eine interessante Frage ist, zu welchem Zeitpunkt der Umschlag von sehr auf Beständigkeit setzenden bibliothekskulturellen Diskursen hin zu bisweilen wie aufgescheucht wirkenden innovationssüchtigen Transformationsbestrebungen erfolgte. Der Ausdruck „Innovation“ ist im deutschen Sprachschatz erst seit etwa 1960er Jahren zu finden (vgl. diese N-Gram-Analyse). Im Bibliothekswesen schlug er mutmaßlich erst später ein. Das bedeutet jedoch keinesfalls, dass dort die Idee der Innovation, also der Erneuerung und Überarbeitung bestimmter Bereiche in den Bibliotheken, nicht bereits vorher existierte. Daher sind die Verwendung des Ausdrucks „Innovation“ und die Fixierung auf die Idee der „Neuheit“ in der Annäherung an das Problem zu unterscheiden.

Karsten Schuldts Anstoß in diesem Weblog und auf der Unkonferenz eröffnet naheliegend zunächst eine diskurskritische Auseinandersetzung. Darüber hinaus entstehen organisationssoziologische Fragen (Wie ist das Konzept der Innovation in der Organisationskultur verankert? Wie sollte es verankert sein?), Fragen der Innovationsfolgenabschätzung (Was geht bei einem Automatisierungsschritt oder einem Auslagern von Aufgaben verloren?) , Fragen der Benutzungsforschung (Welche Innovationen wollen die NutzerInnen? Welche nicht?) sowie übergeordnet die Frage, inwieweit Innovation als Konzept im Bibliothekswesen zureichend reflektiert ist und wo das Wort möglicherweise nur blind bis opportunistisch verwendet wird, um Aktualität vorzuspiegeln und dem Zeitgeist Genüge zu tun. Dass die Rolle der Instanz, die Innovationskritik übt (im Sinne einer differenzierenden Analyse von Innovationen, der Idee und der Verwendung des Begriffs), weniger den von erfolgreichen Projektanträgen Abhängigen zukommt und mehr einer möglichst unabhängigen Bibliotheks- und Informationswissenschaft, scheint unvermeidlich. Dass die Disziplin dieser nachkommt bzw. sich dieser überhaupt annimmt, ist dagegen bisher nur sehr selten erkennbar.

Erfreulicherweise erfüllte das Konzept der Unkonferenz frei<tag> in gewisser Weile bereits einige der Empfehlungen, die die Sitzung zur „idealen Konferenz“ formulierte. Pecha-Kucha-Präsentationen als schwungvoll-sanfter Druck zur Dynamik in Präsentationen vermögen vielleicht zusätzlich Frische ins Format zu bringen. Netzvermittelte Begleitformen wie direktes Feedback über Twitter scheinen in richtiger Dosierung sehr wünschenswert zu sein, setzen aber ein leicht zugängliches und stabiles W-LAN voraus. Die altbekannte Einsicht, dass das wirklich Interessante an solchen Veranstaltungen in den Zwischenräumen, also den Pausengesprächen, den Nachdiskussionen beim Mittagessen und der Ideensammlung bei der Zigarette (das gibt es nach wie vor) oder dem Tee entsteht, drückt sich in dem Wunsch nach mehr Freiräumen für spontane soziale Interaktion aus. Die „ideale Konferenz“ ist demnach eine, bei der Kommunikations- und Interaktionsformen sehr vielfältig sind und Workshops, Keynotes und Poster genauso umfassen, wie Gesprächsecken und Web-Streams. Sehr nachvollziehbar ist der Anspruch, dass die Vorträge in erster Linie das Publikum in seiner gesamten Bandbreite interessieren sollten und nicht hauptsächlich das sicher wohlmeinende Programmkomittee. Deshalb könnte wenigstens ein Teil der Einreichungen in einem Open Review-Verfahren abgestimmt werden. Dass warme Jahreszeiten bevorzugt und Schnee im März abgelehnt werden, überrascht kaum, lässt sich praktisch jedoch nur sehr bedingt berücksichtigen.

Wir von LIBREAS halten für uns fest, dass das Prinzip der Unkonferenz funktioniert und sich vielleicht sogar besonders dazu eignet, den sich auf Veranstaltungen wie des ISI zwangsläufig anstauenden Bedarf nach vertiefender Kommunikation in produktive Kanäle zu leiten. Der Wunsch nach einer nächsten frei<tag>-Konferenz war deutlich vernehmbar und gerade als Verein mit dem Ziel der Förderung der bibliotheks- und informationswissenschaftlichen Kommunikation sehen wir uns hier in der Verantwortung. Wann und wie genau wir dieser Rechnung tragen, werden wir in den kommenden Wochen beraten und wie immer zeitnah in diesem Weblog kommunizieren.

Für dieses Mal danken wir sehr herzlich allen TeilnehmerInnen an der Unkonferenz frei<tag> 2013 und freuen uns über die wiederholte Erkenntnis, dass man allein per Kommunikation das Ziel eines raum:shift der Informationswissenschaft, also einer aktivierenden Bewegung in einem dem Rahmen angemessenen Umfang erreichen kann.

Wir danken zudem dem Organisationsteam der ISI 2013 für die Möglichkeit, uns derart unkompliziert in den Fluss des Symposiums integrieren zu können.

frei-tag 2013 Session Informationswissenschaft

Als Tafel- und Wandbild: Die Dokumentation der frei-tag 2013 Session Informationswissenschaft.

Ben Kaden (@bkaden) /  23.03.2013

Aus der Redaktion: LIBREAS microbloggt nun auch bei Tumblr. Aber warum?

Posted in LIBREAS aktuell by Ben on 24. Januar 2013

Das Microblogging-Netzwerk Tumblr ist derzeit – bis auf wenige Ausnahmen – in der Wissenschaftskommunikation etwa so populär, wie es Twitter 2008 war und wie es Pinterest 2015 sein wird. Also eher nicht.

Während Wissenschafts- und Fachblogs mittlerweile weitgehend als sinnvolle Bereicherung wissenschaftlichen Austausches akzeptiert und genutzt werden, während das Streupotential von Twitter als Hinweismedium weithin anerkannt ist, stellt sich bei Tumblr bislang tatsächlich die Frage des Mehrwerts für einen fachlichen Austausch. Entsprechend finden sich unter den derzeit schätzungsweise dort gehosteten 80 Millionen Mikroblogs in der Tat äußerst wenige mit Wissenschafts- oder Fachbezug (aber es gibt sie). Möglicherweise hemmt das Fachpublikum, dass man sich dort noch schneller als auf anderen Plattformen der dem WWW prinzipiell innewohnenden Nachbarschaft zu Internet-Phänomenen wie dem Technoviking oder den Lolcats bewusst wird. Benutzungsschwellen scheiden dagegen eher aus – der Anspruch an die Bedienkompetenz liegt höchstens knapp über WhatsApp-Niveau.

Wer Tumblr regelmäßig nutzt, weiß natürlich, dass man sich dort eher auf einem Basar als in der Akademie bewegt. Als weiterer Nachteil mag gelten, dass man auf Tumblr nicht direkt kommentieren kann. Man kann Beiträge allerdings annotiert rebloggen. Und selbstverständlich ist es möglich, einem Beitrag – nicht mit Daumen, sondern per Herzchen – seine Anerkennung namens „like“ zuweisen. Diese beiden Formen der denkbar niedrigschwelligen Bestätigung bilden die Essenz des Tumblr-Modells und werden entsprechend gut aufgeschlüsselt angezeigt (vgl. dieses schöne Beispiel).

Wenn sich LIBREAS  nun dorthin erweitert, dann geschieht dies aus einer erkannten Lücke zwischen Blog und Twitter heraus. Wir publizieren hier im Weblog Beiträge, die sich im Regelfall direkt als Aufforderung zum Diskurs verstehen. Wir verlinken über Twitter (und Facebook) Inhalte, die uns im Web begegnen oder die wir ins Web stellen und auf die wir unsere Leser gern hinweisen möchten. Bisweilen stoßen wir jedoch auch auf Inhalte, die wir kommentieren oder etwas erweitert weitergeben möchten, ohne gleich einen größeren Blogbeitrag daraus zu entfalten. Weder Twitter noch Facebook eignen sich dafür besonders gut.

Man könnte nun die Rubrik LIBREAS.Referate in Anspruch nehmen. Aber auch dort haben sich eher längere Besprechungen etabliert. Bisweilen erscheinen in einem Beitrag jedoch nur einzelne Gesichtspunkte oder eben das, was als neue Erkenntnis in den Diskurs zurückfließt, interessant. Dafür nun gibt es das Tumblr(Micro)Blog. Eine lockere Inspiration mag man im berühmten Harper’s Index suchen und finden. Die Seite LIBREAS.tumblr.com dient also dem Zweck, selektiv und in betont knapper Form Erkenntnisse aus dem aktuellen Publikationsgeschehen in der Bibliotheks- und Informationswissenschaft zu sammeln, zu bündeln und sorgsam auszutaggen. Ob sich dies auf einer täglichen Basis (#daily lis) durchhalten lässt, wird sich zeigen. Jedenfalls sind wir gewillt, in höherer Frequenz aus den Texten, die uns ohnehin regelmäßig über die Schreibtische und Desktops gleiten und zu denen wir sonst vielleicht eine Notiz auf einer Karteikarte machen würden, den einen oder anderen Fakt, das eine oder andere Zitat herauszuziehen und dort abzulegen. Nebenbei prüfen wir zudem, inwieweit sich diese Form des Microbloggings in die Praxis des wissenschaftlichen Kommunizierens mittels digitaler sozialer Netzwerke einbinden lässt.

Zusammengefasst: Wir nutzen Tumblr einerseits für eine Tätigkeit, die uns als maßgeblicher Baustein unserer Profession vermittelt wurde: Wir dokumentieren. Und andererseits für etwas, was uns von Natur aus mitgegeben wurde: Wir probieren aus.

(Ben Kaden, Berlin 24.01.2013)

Welcher Art Wissenschaft soll die (Bibliotheks- und) Informationswissenschaft sein? Ein Workshop-Bericht

Posted in LIBREAS.Debatte by libreas on 7. Juli 2012

Welcher Art Wissenschaft soll die (Bibliotheks- und) Informationswissenschaft(1) sein?
Ein Workshop-Bericht

von Ben Kaden und Karsten Schuldt

„Es gibt keine höhere Instanz als die innerhalb des Diskurses herbeigeführte und insofern rational motivierte Zustimmung der Anderen.“ – Jürgen Habermas: Charles S. Peirce über Kommunikation. In: ders. (1991) Texte und Kontexte. Frankfurt/Main: Suhrkamp. S.24.

„Eine nüchterne, reservierte, leidenschaftslose Wissenschaft wäre kaum zu ertragen. Eine trunkene, aufdringliche, erregte Wissenschaft noch weniger. Mindestens in einem Punkt ist die Wissenschaft jedoch leidenschaftlich […]: Sie erinnert sich fortgesetzt an das Erfordernis der Nüchternheit.“ – Maren Lehmann: Wissenschaft im Rausch. In: dies. (2011) Theorie in Skizzen. Berlin: Merve Verlag. S. 160.

I.


Im März 2012 brandete im LIBREAS-Weblog eine kurze und leidenschaftliche (im Sinne Maren Lehmanns) Debatte zwischen den beiden Autoren dieses Berichtes auf. (2)(3), (4)(5)(6)

Grundsätzlich ging (und geht es weiterhin) um folgende Fragen:

Wie viel oder wie wenig Diskurs findet sich in Metadaten beziehungsweise Netzwerken von Metadaten?
Und was davon kann wie informationswissenschaftlich ausgewertet werden?

Obgleich wir nicht in allen Aspekten dieser Diskussion zu einer Übereinkunft kamen, stellten wir doch zugleich fest, dass wir (a) auf einige ungeklärte Fragen zu Bedeutung, Inhalt und Methoden der Bibliotheks- und Informationswissenschaft gestoßen waren, die wir (b) als höchst diskussionswürdig ansehen. Zudem fiel auf, dass wir (c) bei allen Differenzen durchaus einige Überzeugungen teilen.

(1)  Für uns steht fest, dass die Bibliotheks- und Informationswissenschaft eine soziale Wissenschaft darstellt. Es ist also eine Disziplin, die sich mit den sprach- und symbolbasierten Beziehungen, Verhältnissen und Kommunikationen zwischen menschlichen Akteuren befasst. Ob das Fach auch eine Sozialwissenschaft im engeren Sinne sein kann, sollte durchaus Gegenstand einer fortlaufenden Diskussion sein.

(2)  Alle Information ist für uns in letzter Konsequenz kontextuell. Information ohne Kontext ist keine solche. Spätestens seit Claude Shannons Informationstheorie ist bekannt, dass eine Information wenigstens einen Sender, einen Kanal und einen Empfänger benötigt – was in gewisser Weise einen abstrakten Mindestkontext definiert. Wir sind uns allerdings uneinig, wie und wann diese Kontextualität in die wissenschaftliche Auseinandersetzung einbezogen werden kann beziehungsweise sollte.

(3)  Metadaten, die zu Informationsobjekten gehören beziehungsweise zur Beschreibung von Zusammenhängen von Informationsobjekten dienen (insbesondere wenn diese Teil von Debatten darstellen) sind mit dem gleichen Recht Untersuchungsobjekt der Bibliotheks- und Informationswissenschaft, wie die Wissensobjekte selbst.

(4)  Die Bibliotheks- und Informationswissenschaft ist als ein Wissenschaftsfeld zu betrachten, welches eine spezifische eigene Geschichte, inklusive gescheiterter Forschungsparadigmata, teils in Schnittmenge zu anderen Disziplinen, aufweist. Die wissenschaftstheoretische Auseinandersetzung mit der historischen Entwicklung der Disziplin kann beziehungsweise sollte selbst Teil der Forschungsagenda werden.

(5)  Die Bibliotheks- und Informationswissenschaft ist vorrangig eine befragende und beschreibende Wissenschaft. Das Paradigma der Praxisforschung scheint uns, zumindest als einseitig in den Mittelpunkt gerückter Zweck, gefährlich (und zugleich als langweilig). Werden die Bedingungen der eigenen Forschung nicht reflektiert, droht die Gefahr der Entwicklung restringierender und also sehr beschränkter Erkenntnisstrukturen, die den Herausforderungen an die Disziplin nicht gerecht werden können. Zudem ist eine primär auf konkrete Produkte und Dienstleistungen gerichtete Forschung als akademische Disziplin nicht haltbar. (more…)

BBK Vortrag : LIBREAS. Library Ideas wird 21! Über Open-Access und die Bibliotheks- und Informationswissenschaft

Posted in LIBREAS aktuell, LIBREAS Veranstaltungen by libreas on 4. Juli 2012

Präsentation des Vortrages am 3.7.12 im
Berliner Bibliothekswissenschaftliches Kolloquium (Abstract).