LIBREAS.Library Ideas

Raum_SHIFT Informationswissenschaft 2013: Rückschau auf die dritte frei<tag>-Unkonferenz

Posted in LIBREAS aktuell, LIBREAS Veranstaltungen, LIBREAS.Verein by Ben on 23. März 2013

Das 13th International Symposium of Information Science (ISI 2013) wird möglicherweise als die am wenigsten betwitterte Konferenz (#isi2013) des Jahres in der Statistik unter der Rubrik Sonstiges auftauchen. Und auch der an dieses Mutterschiff des Fachdiskurses angedockte Unkonferenz raum:shift information science (#frei13) litt ein wenig unter der nur schwankenden bis vollständig abgetauchten konferenzbegleitenden W-LAN-Verbindung. Dass ein lokaler Mitarbeiter der Fachhochschule Potsdam auf Nachfrage schulterzuckend entgegnete, was man denn wolle, so sei das nun mal in Institutionen mit geschlossenem Netz, tropfte etwas Wermut in die ansonsten doch sehr gelöste Stimmung dieses Freitags. Jemand anderes meinte zweckoptimistisch, dass es doch ganz gut sein, wenn sich die TeilnehmerInnen auf die Gespräche und nicht auf das Begleitrauschen im WWW konzentrierten.

Nachdem wir uns von dem Gedanken verabschiedet hatten, die Unkonferenz in einer Art Livecasting möglichst umfassend digital zu begleiten, erwies sich das als womöglich sogar günstigere Konstellation. (Dennoch hätte man selbstverständlich gern die Wahl.) Einzig die Nachbereitung ist nun für uns ein bisschen aufwändiger, da nur die schnellen Handmitschriften und die verteilten Gedächtnisse bleiben.

Die vier Sitzungen

1. Theoriebildung in der Informationswissenschaft sowie – anschließend an die Abschlussdiskussion der ISI – Informationswissenschaft im Abschwung,

2. Computer jenseits der Papiermetaphern – wie kann digitale Kommunikationstechnologie nach dem Abschied vom Ordnerverfahren aussehen,

3. vom Sinn und Unsinn der Innovation – was bewirken Begriff und Idee des Neugeschöpften in der Entwicklung der Bibliotheken,

4. die ideale Konferenz – wie kann ein zeitgemäßer Fachaustausch noch organisiert

brachten abgesehen vom handlichen vierten Thema mit den zahlreichen Ideen, mit denen man das Prinzip von Konferenzen wie der ISI in der Tat ein bisschen schärfer und kommunikativer aufbügeln könnte, hauptsächlich Dialog und Verständigung.Beides vollzog sich angenehm inkludierend, denn sachgemäß sind bei einer Unkonferenz alle Stimmen und Positionen gleich.

Bei der Üppigkeit des ersten Themas schienen sie sogar gleich klein und dass Studierende des Faches nach der Sitzung äußerten, sie würden verwirrter denn je auf ihre disziplinäre Heimat blicken, bestätigt leider, dass die Informationswissenschaft nicht als Denkkollektiv mit festen Bezugspunkten (bzw. einem verbindenden Mindset) existiert, sondern weitgehend als Omnibusbegriff, fast beliebig einparkbar zwischen Ausdrücken wie Bibliothekswissenschaft, Informationswissenschaften, Bibliotheks- und Informationswissenschaft oder auch Library and Information Science. Dass sich die Deutsche Gesellschaft für Informationswissenschaft und Informationspraxis (DGI) die Informationswissenschaft womöglich demnächst zugunsten einer Formulierung, die irgendetwas mit „Wissen“ enthält, aus dem Namen streichen möchte, ist sicher auch kein sonderlich stärkendes Signal. In einer Welt, in der man auch einen Master in Domotronik ablegen kann, besteht aber eigentlich kein Grund, die Informationswissenschaft elementar zu hinterfragen. Eher umgedreht würde ein Schuh daraus, mit dem man in Richtung neuer Relevanz marschieren könnte: durch eine aktive Auseinandersetzung mit eben dem Mindset, zusammensteckbar aus Gegenstand, Methoden und Modellen. Es muss nicht einmal unbedingt Konsens das Ziel sein. Ein gesunder und von gegenseitigem Respekt und gegenseitiger Wahrnehmung geprägter Dissens würde vorerst für die deutsche Informationswissenschaft schon einen guten Schritt darstellen. Vielleicht ist das Fach (bzw. sind seine VertreterInnen) an dieser Stelle auch einen Tick zu wenig offensiv und selbstbewusst, was eventuell auch erklärte, weshalb man sich von Nachfragen, externen Vorwürfen und generellen Unsicherheiten so furchtbar schnell bedroht zu fühlen scheint. Dabei ist Unsicherheit eigentlich erst das Movens um Wissenschaft zu betreiben.

Wie bereits auf der Sitzung geäußert, sei diesem irritierten (wissenschaftlichen) Nachwuchs als Quintessenz der Aufruf zur Eigenverantwortung und zum aktiven Eingreifen auf den Weg gegeben. Die Informationswissenschaft ist, man spürt es auf Veranstaltungen wie dieser in Potsdam besonders intensiv, ein soziales Gebilde und gerade seine ungenügende übergreifende Stabilität sollte Anlass genug sein, selbst Formen der Gestaltung zu suchen und /oder die etablierten VertreterInnen des Fachs, die sich das Label Informationswissenschaft anheften, mit diesem Label ernst zu nehmen, und einen entsprechenden Zukunftsdialog einzufordern. Bedroht sind ja weniger die Karrieren der derzeitigen Großkopfeten des Faches, sondern die derer, die derzeit grundständig überlegen müssen, ob ihnen die Informationswissenschaft überhaupt eine Perspektive bieten kann.

Der papierlose Computer ist eine Form der digitalen Datenverarbeitung bzw. der digital vermittelten Kommunikation, die sich von all den Metaphern, die uns in den Verzeichnisstrukturen und Word-PDF-u.ä.-Dateien begegnen, befreit. Die Gutenberg-Galaxis wirft aktuell mit diesen Simulakren des Papierfasernen ihre Schatten in einen Organisationsraum für Inhalte und Aussagen, in dem dies wenigstens strukturell überflüssig bis anachronistisch wirkt. Eigentlich steht aber nichts Geringeres als die Auflösung des Dokuments an. Paperless Computing setzt auf tag-basierte Strukturen und Relationen, die sich im stetigen Fluss befinden und in Applikationen wie der Google-Brille, elektronischem Geld und selbstorganisierenden Kühlschränken (a) einerseits unmittelbar an der Schnittstelle zwischen Real- und Digitalwelt als direkte Naht wirken und (b) andererseits viel stärker auf konkrete Prozesse als auf die Erzeugung bleibender Dokumente ausgerichtet sind.

Innovation ist ein Schlagwort und manchmal sogar ein Totschlagwort, das seit einer Weile nicht ganz selten aus strategischen Gründen eingesetzt werden dürfte. Eine interessante Frage ist, zu welchem Zeitpunkt der Umschlag von sehr auf Beständigkeit setzenden bibliothekskulturellen Diskursen hin zu bisweilen wie aufgescheucht wirkenden innovationssüchtigen Transformationsbestrebungen erfolgte. Der Ausdruck „Innovation“ ist im deutschen Sprachschatz erst seit etwa 1960er Jahren zu finden (vgl. diese N-Gram-Analyse). Im Bibliothekswesen schlug er mutmaßlich erst später ein. Das bedeutet jedoch keinesfalls, dass dort die Idee der Innovation, also der Erneuerung und Überarbeitung bestimmter Bereiche in den Bibliotheken, nicht bereits vorher existierte. Daher sind die Verwendung des Ausdrucks „Innovation“ und die Fixierung auf die Idee der „Neuheit“ in der Annäherung an das Problem zu unterscheiden.

Karsten Schuldts Anstoß in diesem Weblog und auf der Unkonferenz eröffnet naheliegend zunächst eine diskurskritische Auseinandersetzung. Darüber hinaus entstehen organisationssoziologische Fragen (Wie ist das Konzept der Innovation in der Organisationskultur verankert? Wie sollte es verankert sein?), Fragen der Innovationsfolgenabschätzung (Was geht bei einem Automatisierungsschritt oder einem Auslagern von Aufgaben verloren?) , Fragen der Benutzungsforschung (Welche Innovationen wollen die NutzerInnen? Welche nicht?) sowie übergeordnet die Frage, inwieweit Innovation als Konzept im Bibliothekswesen zureichend reflektiert ist und wo das Wort möglicherweise nur blind bis opportunistisch verwendet wird, um Aktualität vorzuspiegeln und dem Zeitgeist Genüge zu tun. Dass die Rolle der Instanz, die Innovationskritik übt (im Sinne einer differenzierenden Analyse von Innovationen, der Idee und der Verwendung des Begriffs), weniger den von erfolgreichen Projektanträgen Abhängigen zukommt und mehr einer möglichst unabhängigen Bibliotheks- und Informationswissenschaft, scheint unvermeidlich. Dass die Disziplin dieser nachkommt bzw. sich dieser überhaupt annimmt, ist dagegen bisher nur sehr selten erkennbar.

Erfreulicherweise erfüllte das Konzept der Unkonferenz frei<tag> in gewisser Weile bereits einige der Empfehlungen, die die Sitzung zur „idealen Konferenz“ formulierte. Pecha-Kucha-Präsentationen als schwungvoll-sanfter Druck zur Dynamik in Präsentationen vermögen vielleicht zusätzlich Frische ins Format zu bringen. Netzvermittelte Begleitformen wie direktes Feedback über Twitter scheinen in richtiger Dosierung sehr wünschenswert zu sein, setzen aber ein leicht zugängliches und stabiles W-LAN voraus. Die altbekannte Einsicht, dass das wirklich Interessante an solchen Veranstaltungen in den Zwischenräumen, also den Pausengesprächen, den Nachdiskussionen beim Mittagessen und der Ideensammlung bei der Zigarette (das gibt es nach wie vor) oder dem Tee entsteht, drückt sich in dem Wunsch nach mehr Freiräumen für spontane soziale Interaktion aus. Die „ideale Konferenz“ ist demnach eine, bei der Kommunikations- und Interaktionsformen sehr vielfältig sind und Workshops, Keynotes und Poster genauso umfassen, wie Gesprächsecken und Web-Streams. Sehr nachvollziehbar ist der Anspruch, dass die Vorträge in erster Linie das Publikum in seiner gesamten Bandbreite interessieren sollten und nicht hauptsächlich das sicher wohlmeinende Programmkomittee. Deshalb könnte wenigstens ein Teil der Einreichungen in einem Open Review-Verfahren abgestimmt werden. Dass warme Jahreszeiten bevorzugt und Schnee im März abgelehnt werden, überrascht kaum, lässt sich praktisch jedoch nur sehr bedingt berücksichtigen.

Wir von LIBREAS halten für uns fest, dass das Prinzip der Unkonferenz funktioniert und sich vielleicht sogar besonders dazu eignet, den sich auf Veranstaltungen wie des ISI zwangsläufig anstauenden Bedarf nach vertiefender Kommunikation in produktive Kanäle zu leiten. Der Wunsch nach einer nächsten frei<tag>-Konferenz war deutlich vernehmbar und gerade als Verein mit dem Ziel der Förderung der bibliotheks- und informationswissenschaftlichen Kommunikation sehen wir uns hier in der Verantwortung. Wann und wie genau wir dieser Rechnung tragen, werden wir in den kommenden Wochen beraten und wie immer zeitnah in diesem Weblog kommunizieren.

Für dieses Mal danken wir sehr herzlich allen TeilnehmerInnen an der Unkonferenz frei<tag> 2013 und freuen uns über die wiederholte Erkenntnis, dass man allein per Kommunikation das Ziel eines raum:shift der Informationswissenschaft, also einer aktivierenden Bewegung in einem dem Rahmen angemessenen Umfang erreichen kann.

Wir danken zudem dem Organisationsteam der ISI 2013 für die Möglichkeit, uns derart unkompliziert in den Fluss des Symposiums integrieren zu können.

frei-tag 2013 Session Informationswissenschaft

Als Tafel- und Wandbild: Die Dokumentation der frei-tag 2013 Session Informationswissenschaft.

Ben Kaden (@bkaden) /  23.03.2013

It’s the frei<tag> 2013 Countdown (17): Wie wollen wir arbeiten?

Posted in LIBREAS aktuell, LIBREAS on tour, LIBREAS.Debatte, LIBREAS.Feuilleton by Karsten Schuldt on 5. März 2013

von Karsten Schuldt

I have never found a companion that was so companionable as solitude. We are for the most part more lonely when we go abroad among men than when we stay in our cambers. A man thinking or working is always alone, let him be where he will. (Henry David Thoreau)

The nice thing about teamwork is that you always have others by your side. (Margaret Carty)

Im allerersten Countdown zur allerersten frei<tag> – das war gerade mal vor zwei Jahren, aber es fühlt sich an wie zehn oder zumindest achteinhalb – gab es einen Beitrag zu den Arbeitsplätzen der damals die Unkonferenz Organisierenden. Die These hinter diesem Beitrag war, dass die Arbeitsplätze und wie wir sie präsentieren, mehr über uns aussagen würden als zum Beispiel unsere Porträtphotos, Lieblingsmusik oder Hobbys. Ergebnis dieser Photos war unter anderem, dass die Computer, nicht die gedruckten Medien, im Mittelpunkt unserer Arbeitsplätze standen (genauer: auf den meisten Bilder gab es überhaupt keine gedruckten Medien und wenn, bezogen die sich kaum auf Bibliotheken). Ausserdem fiel auf, dass kaum jemand von uns direkt in Bibliotheken, viele hingegen in Wissenschaftseinrichtungen tätig war.

Was allerdings überhaupt nicht geklärt wurde, durch diese Bilder, war, wie wir eigentlich arbeiten wollten. Sicher: Wir konnten unsere Arbeitsplätze selber gestalten und ja, im Grossen und Ganzen sagten Sie uns auch zu. (Ich konnte zum Beispiel aus meinem Fenster täglich die Sonne über der grossen Synagoge in der Oranienburger Strasse untergehen sehen, während sich ihre Strahlen in deren goldenem Dach und der Spree brachen, gleichzeitig hörte ich die Touristinnen und Touristen, Studierende und Dozierenden unter meinem Fenster entlanggehen. What’s there not to like?) Aber: Wir konnten uns die eigene Arbeit und Arbeitseinteilung nicht aussuchen. Wieder mit einer gewichtigen Einschränkung: Diejenigen von uns an den Hochschulen haben selbstverständlich trotz allem mehr Freiheiten dabei die eigenen Arbeitsinhalte und -bedingungen zu bestimmen als andere. Freiheit der Wissenschaft und so.

Inetbib-Tagung 2013, Humboldt-Universität zu Berlin, Session zum Themenfeld Open Access, 04.03.2013. Versteckt auf dem Bild finden Sie (a) eine LIBREAS-Redakteurin/einen LIBREAS-Redakteur, (b) eine/einen aktuelle/n LIBREAS-Autor/in, (c) zwei intensive LIBREAS-Lesende. Finden Sie alle vier! (Tipp: Alle auf dem Podium. Open Access im Bibliotheksbereich und LIBREAS... Sie wissen schon. Gleich drei Redkteurinnen/e der Zeitschrift treten auf der Tagung auf, womit die Redaktion mit dem Institut für Bibliotheks- und Informationswissenschaft der HU und dem Schweizerischen Institut für Informationswissenschaft, HWT Chur gleichzieht. Sacrebleu.)

Inetbib-Tagung 2013, Humboldt-Universität zu Berlin, Session zum Themenfeld Open Access, 04.03.2013. Versteckt auf dem Bild finden Sie (a) eine LIBREAS-Redakteurin/einen LIBREAS-Redakteur, (b) eine/einen aktuelle/n LIBREAS-Autor/in, (c) zwei intensive LIBREAS-Lesende. Finden Sie alle vier! (Tipp: Alle auf dem Podium. Open Access im Bibliotheksbereich und LIBREAS… Sie wissen schon. Gleich drei Redakteurinnen/Redakteure der Zeitschrift treten auf der Tagung auf, womit die Redaktion mit dem Institut für Bibliotheks- und Informationswissenschaft der HU und dem Schweizerischen Institut für Informationswissenschaft, HWT Chur gleichzieht. Sacrebleu.)

Dennoch: Es wäre interessant zu wissen, wie wir eigentlich in Zukunft arbeiten wollen. Wenn wir über die Zukunft der Informationswissenschaft, der Bibliotheken und angrenzender Einrichtungen debattieren, debattieren wir auch über die dortigen Arbeitsbedingungen, wenn auch indirekt.

  • Sagen wir zum Beispiel: Bibliotheken müssen 24 Stunden am Tag offen haben, sagen wir zumeist auch: Bibliotheken müssen 24 Stunden am Tag Personal haben. Dass heisst: Irgend jemand muss da um zwei Uhr an einem Donnerstag sein und irgendwer anders um Montag Morgen um fünf. Wollen wir das? (Oder lassen sich Bibliotheken so gestalten, dass sie zu bestimmten Zeiten staffless sind?)
  • Oder: Wenn wir sagen, die Bibliothekswissenschaft sollte mehr ethnologische Methoden anwenden, heisst das auch, dass da Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sich in langwierigen, systematischen Beobachtungsmethoden üben müssen. Wollen wir das?
  • Oder: Wenn wir sagen, der Reference Service am Infodesk ist nicht mehr notwendig, wir brauchen Bibliothekarinnen und Bibliothekare, die auf die Nutzerinnen und Nutzer zugehen, die hinter der Theke hervorkommen, die gar keine Theke mehr haben, heisst das auch, dass wir Bibliothekarinnen und Bibliothekare dazu nötigen, so zu arbeiten. Wollen wir das? Muss jede und jeder in der Bibliothek „etwas mit Menschen machen“?
  • Wenn wir im Zuge der Debatten um RDA davon ausgehen, dass das Katalogisieren immer mehr eine kooperative Tägigkeit von Spezialistinnen und Spezialisten wird, heisst das auch, dass die Arbeit der Katalogabteilungen sich ändern wird. Sie werden weniger werden, mehr mit anderen Katalogabteilungen direkt kommunizieren etc. Auch hier: Wollen wir das?
  • Wenn wir davon ausgehen, dass die Bibliotheks- und Informationswissenschaft immer mehr zu einer Wissenschaft werden sollte, in der verteilt über Forschungseinrichtungen an Daten geforscht wird, dann wird sich die Arbeitsweise der Forschenden verändern: Weniger an einen Ort gebunden, wenig an die Bibliothek gebunden, viel unterwegs. Wollen wir das? (Geht das eigentlich: Eine Bibliothekswissenschaft, die den Ort Bibliothek nicht aufsucht?) Wir gehen zum Beispiel davon aus, dass alle Forschung immer mehr Daten produziert und dass wir diese Daten verwalten sollten. Aber wollen wir das eigentlich auch für unsere Arbeit?

Man wird vielleicht nicht unbedingt Bibliothekarin oder Bibliothekar, Forschende oder Forscher weil man die Arbeitsbedinungen dieser Tätigkeiten schätzt; aber man wächst in sie hinein und findet sich mit der Zeit oft in ihnen zu Recht (oder wechselt fort, erstaunlich oft von der Forschung in die Bibliothek). Aber, wie uns die gewerkschaftlichen Auseinandersetzungen der letzten 150 Jahre oder so gelehrt haben, sind die Arbeitsplätze und -bedingungen kein unabänderliches Schicksal. Wie wir arbeiten wollen bestimmt in einer langen Perspektive auch, wie wir am Ende arbeiten. Manchmal setzt man Bedinungen direkt durch, manchmal durch „Einschleifen“, machmal schafft man es nicht.

Aber:

  • Wieviel wollen wir eigentlich in unser Arbeit mit anderen Menschen, mit Daten, mit welchen Medien, mit welchen anderen Einrichtungen zu tun haben?
  • Wie lange wollen wir arbeiten, zu welchem Lohn, mit welchen Freiheiten?
  • Wollen wir dem Kult der Alleinarbeit, der Teamarbeit oder keinem von beiden fröhnen?
  • Wollen wir sichere Arbeitsverhältnisse oder spannende, wechselnde Aufgaben? Wollen wir an einem Ort bleiben oder viel unterwegs sein?
  • Wollen wir Serviceorientiert sein oder mehr Erkenntnisorientiert?
  • Wollen wir Jobs und nebenher Freizeit oder wollen wir Aufgaben, die uns ganz ausfüllen?
  • Ist uns egal, wie die anderen in unseren Einrichtungen arbeiten, z.B. die Wachfrau früh um zwei, oder nicht?
  • Wie werden wir nennen was wir machen? (Hier: Desletztens nannte jemand, was ich mache, „Privatgelehrtentum“ und nicht Wissenschaft, ganz explizit getrennt. Das ist schon interessant. Sind das unterschiedliche Dinge? Macht z.B. die Kollegin Kindling mit ihren Forschungen zu Repositorien und Open Access Wissenschaft und ich nicht? Hat das Auswirkungen auf unsere Arbeit?)

Sehr oft wird die Zukunft von Einrichtungen und Forschungseinrichtungen diskutiert ohne über die damit einhergehenden Veränderungen der Arbeitsbedingungen zu diskutieren. Das Ergebniss ist dann oft, dass die Veränderungen auch deshalb nicht eintreten, weil die Beschäftigten sich ihre Arbeitsleben anders vorstellen und z.B. nicht auf die Informationstheke verzichten wollen. Deshalb sollten wir nicht vergessen, uns auch darüber zu unterhalten.

Potsdam, März 2013

It’s the frei<tag> 2013 Countdown (27): Einfach teilnehmen und Themen vorschlagen

Posted in LIBREAS Veranstaltungen, Uncategorized by libreas on 23. Februar 2013

von Matti Stöhr

„Es ist schon alles gesagt, nur noch nicht von allen.“ (Karl Valentin)

Wer wird dabei sein? Welche Themen werden behandelt? Was erwartet mich? Naturgemäß ist eine Unkonferenz im allgemeinen – frei<tag> im speziellen – davon charakterisiert, dass jede Person mit Interesse an Konzept und Motto ohne Anmeldung kostenfrei teilnehmen kann, und das inhaltliche Programm ad hoc gemeinsam vor Ort festgelegt wird. Es ist ebenso jedoch stets Bedürfnis zu wissen worauf, auf wen, auf was man sich einlässt. So besteht nun mit zwei eigens dafür eingerichteten Etherpads ohne Anmeldung oder andere Hürden die einfachsten Möglichkeiten die Teilnahmeabsicht kund zu tun sowie mögliche Sessionthemen zu benennen und sich gleichzeitig über den aktuellen Teilnahme- und Themenstand zu informieren:

Lose Themenideen; ausgefeilte Konzepte und Forschungsfragen; Aspekte des vorangegangen Hauptprogramms der ISI-Tagung, zu welchen man mehr erfahren und / oder sich intensiver austauschen möchte – jegliche Formen sind denkbar und erlaubt.  Seien Sie / seid herzlich eingeladen schon jetzt der Unkonferenz und ihrem  Motto „raum:shift [information science]“ Gestalt zu verleihen!

Test

Ob im ICE oder daheim, bei Nacht oder bei Tag, angeregt von den New York Times oder von einem Fachartikel – Themenideen für die frei<tag> 2013 können überall entstehen …

PS: Der Hashtag zur Veranstaltung ist übrigens unlängst festgelegt: #frei13

It’s the frei<tag> 2013 Countdown (28): A long time ago, in a galaxy far, far away.

Posted in LIBREAS Veranstaltungen, LIBREAS.Feuilleton by szepanski on 22. Februar 2013

von Christoph Szepanski und Karsten Schuldt


„Der Mensch sollte sich besser bemühen, selber intelligent zu werden.“ (Stanisław Lem)

„You were the chosen one!“ (Obi-Wan Kenobi)

Episode IV

Die Zukunft, der Weltraum, der Ozean: Offen, voller Abenteuer, unerwarteter Wendungen. Auch voller Gefahren. Doch auch das normale Leben ist voller Gefahren, ohne das es neue Welten aufschließt, neue Erfahrungen machen lässt, neue Horizonte erreicht. Das was ist, der Status Quo, ist immer ein wenig unbefriedigend; insbesondere wenn wir wissen, dass da draußen ein Raumschiff auf uns wartet: Enterprise oder Rebellenflotte, X-Wing oder Millenium Falcon, Sputnik oder Curiosity. Und mit dem Raumschiff wartet neues Wissen auf uns. Wissen, Erkenntnis, Reflexion.

Sicherlich: Das Raumschiff ist uns hier eine Metapher für die Wissenschaft; der Status Quo bleibt aber Status Quo. Es geht immer irgendwie weiter, aber manchmal ist uns das nicht schnell genug, erst recht nicht weit genug. Zu oft haben wir das Gefühl, dass unsere Wissenschaft und die Praxis, auf die sie sich bezieht, sich in etwas zu kleinen Kreisen dreht. Denn das reine Kreisen bringt nichts.

Wenn man das Gefühl hat, dass es nicht weiter geht, muss man manchmal aufbrechen; die Sachen packen; den Warpantrieb bedienen; den Fortschritt mit tiefster Leidenschaft vorantreiben. Das kann schief gehen, besonders auf individueller Ebene. Hat man Pech, sitzt man nach einigen Sprüngen auf einem einsamen Mond fest, hat das Handtuch verloren oder auch den Babelfisch. Aber, zumindest wenn man nicht leise war, steht was man gesehen hat auf dem Weg im Anhalter durch die Galaxis verzeichnet und hilft den anderen Anhalterinnen und Anhaltern weiter zu kommen. Der gesamtgesellschaftliche Fortschritt beginnt zumeist mit einer persönlichen Reise – oft genug ins Unerwartete, nicht selten Unbequeme. Hauptsache man hat gewagt.

Möglich, dass uns da der Untergang erwartet. Aber wir wissen auch: Wenn es am unendlich Unwahrscheinlichsten ist holt uns die Herz aus Gold an Bord (was wieder eine Metapher ist, für den rettenden Artikel, das unerwartete Stückchen Text, dass unser Denken noch einmal vor dem Absturz rettet). Zaphod lässt uns nicht im Stich. Die Neugierde treibt uns weiter, dorthin, wo noch nie ein Mensch seinen Fuß gesetzt hat.

Und wir möchten nicht alleine sein auf dieser Reise. Vielmehr:
Alle die wollen, sollen mitkommen können und sind dazu aufgerufen sich aktiv zu beteiligen (denn ohne Euch geht es nicht). Alle sollen an Bord kommen können. Kostenfrei natürlich. Wir wollen eine Nautilus anbieten. Durchs Wasser, durchs All, durchs Wissen. Ihr sollt den Weg mitbestimmen.

Episode V

Unsere These ist erst einmal, dass es der Bibliotheks- und Informationswissenschaft gut bekommen würde, wenn sie sich nicht nur selbst bespiegelt, sondern einmal mehr radikal durchgeschüttelt wird. Streitet sich denn niemand mehr richtig? Tritt denn niemand mehr laut auf und sagt, dass alles besser oder anders werden muss? Bezieht sich niemand mehr auf Andere? Ist es egal, was die Anderen in unserem Feld sagen?

Kein Tank Girl fährt durch unsere Gefilde. Oftmals scheint es fast so, als ob wir in einem Quasi-Paradies leben. Manchmal bedroht, aber auch nie so richtig. Sicher: Input kann zuweilen unerwartet von außen kommen. Tscheljabinsk kann gerade etwas darüber erzählen – und vielleicht können uns die Trümmer demnächst etwas über das frühzeitliche Sonnensystem mitteilen.

Unsere These ist weiter, dass ein Durchstarten dazu führen kann, dass die gesamte Wissenschaft sich neu findet. Nicht mehr nur im Nebeneinander von unterschiedlichen Modellen und Methoden, sondern in einem neuen Netzwerk mit neu artikulierten Rollen und neuen, langfristigen Forschungsprogrammen sowie Transdisziplinarität an deren Ende im Idealfall die Integration universeller Erkenntnisse für die Bibliotheks- und Informationswissenschaft steht.

frei13-countdown (1)

„I would also like my own flag made for me, one with the evolution of man, except with me at the end of the line! Oh, and I would also like my own ice cream parlor. There’s never an ice cream stand around when you really need one. Oh! And it better goddamn well have chocolate chocolate chip! God help you if you don’t have chocolate chocolate chip!“ (Dr. Insano)

 Episode VI

In jeder guten Geschichte, die nach dem ersten Untergang der Menschheit spielt, gibt es jemand, eine kleine Gruppe, die sich wieder ins Freie traut. Stalker läuft in die Verbotene Zone, trotz allem Ungemach geht Paul Atreides in die Wüste zu den Freemen, George Taylor läuft und läuft und läuft, bevor er vor der Freiheitsstatue zusammensinkt und der Neomensch Daniel25 gibt sein gesichertes pflanzenartiges Dasein für einen Flirt in der atomaren Ödnis auf. Wer nicht losgeht erlebt keine Abenteuer lehrt uns das. Wer nicht losgeht kann schnell untergehen, im Ewig gleichen verharren, ohne etwas unternommen zu haben.

Wir wollen das nicht. Wir wollen fröhlich und offen und so punkig-vorwärtstreibend wie möglich einladen: Zu einer weiteren Unkonferenz. Die frei<tag> – raum:shift [information science] soll – metaphorisch gesprochen – unser Raumschiff sein, dass uns weiter und weiter durch den Raum trägt, dass uns andocken lässt an so unterschiedliche Raumstationen wie die Diskursanalyse, die Informatik, die Sozialwissenschaften, die Kognitionswissenschaft, die Mathematik und nicht zuletzt die Systemtheorie(en). Dieses Raumschiff – zwischengeparkt am Rand Potsdams -, ist offen. Hört die Signale.

Es wird den Funk bringen wie das Mothership. Wir laden alle Irritierten und Interessierten ein, vorbeizukommen und mit uns zu schauen, wie weit wir kommen. Und vorher versuchen wir zur Einstimmung auf die Zukunft unserer Zunft zu verweisen. Wie gesagt: Manche Sprünge, sagt Wang-lun, sind nicht weit, bringen aber die Welt in eine neue Phase.

Wir brauchen vielleicht keine neue Kritik des immer wieder Alten, keine Forderung dessen, was wir schon haben, nochmal und noch mehr zu haben. Wie gesagt: Die Zukunft, der Weltraum, der Ozean sind offen. Offen für das Scheitern, offen für neue Erkenntnisse, offen für das Ausprobieren. (Und ja, am Ende, wenn der Große Bruder regiert hat, wenn die letzten Angriffe geflogen, die letzten Pläne umgesetzt, die letzten Orte erreicht sind, wird uns die Liebe retten. Die Liebe (zur Weisheit), sie bleibt am Ende, egal wo wir landen und als was.)

Potsdam und Chur, 22.02.2013

Zweite Einladung zur frei<tag> 2013: raum:shift [information science] (Potsdam, 22.03.2013)

Posted in Hinweise, LIBREAS.Feuilleton by Karsten Schuldt on 27. Januar 2013

Kurz und schmerzlos: Immer noch lädt der LIBREAS.Verein für den 22.03.2013 nach Potsdam zur Unkonferenz frei<tag> unter dem Motto raum:shift [information science] ein. (Siehe erste Einladung.) Frisch eingetroffen sind nun Postkarten, die auch direkt zu dieser Veranstaltung einladen und ab jetzt überall auftauchen können.

freitag2013karten

(In den letzten Jahren tauchten solche Postkarten unter anderen jeweils 30 Tage lang im LIBREAS-Weblog im Rahmen eines thematisch auf die jeweilige Unkonferenz bezogenen Countdown auf.)

frei<tag> 2012 und LIBREAS-Sommer School. Einladung zu zwei Veranstaltungen

Posted in LIBREAS aktuell, LIBREAS Veranstaltungen, LIBREAS.Verein by Karsten Schuldt on 20. Mai 2012

Der LIBREAS-Verein freut sich, für den August 2012 zu zwei Veranstaltungen einzuladen. Am 17. August wird in der Fachhochschule Potsdam die Unkonferenz frei<tag>-2012. Stand der Bibliotheks- und Informationswissenschaft stattfinden. (In Zusammenarbeit mit dem Fachbereich Informationswissenschaften, Fachhochschule Potsdam). Am darauf folgenden 18. August wird in der Humbodt Universität zu Berlin die erste Sommer School zu Methden der Bibliotheks- und Informationswissenschaft veranstaltet. Zudem läd der Verein für diesen Tag zu seiner Jahresversammlung.

Die frei<tag> 2012 soll die Möglichkeit bieten, über die aktuellen Ziele, Trends, Fragen und Entwicklungen der Bibliotheks- und Informationswissenschaft zu diskutieren. Grundsätzlich bewegt sich unsere Wissenschaft weiterhin zwischen unterschiedlichen Disziplinen, zwischen einem theoretischen Anspruch und einer sehr praxisnahen Forschung, zwischen sehr auf die Ausbildung von Informationsspezialistinnen und -spezialisten ausgerichtete Einrichtungen, einer Forschung in größeren Bibliotheken, Archiven und Dokumentationseinrichtungen sowie einer an Einrichtungen und ausserhalb dieser betriebenen theorieorientierten Forschung. Gleichzeitig ist unbestritten, dass sich der Disziplin rasant neue Aufgaben, Fragen und Felder stellen. Wir wollen auf der Unkonferenz einen Raum schaffen, darüber zu diskutieren, in welche Richtung sich die Bibliotheks- und Informationswissenschaft bewegt, in welche sie sich bewegen sollte und was sie bislang daran hindert. Zugleich soll die Unkonferenz ein Treffen von Praktikerinnen und Praktikern der Wissenschaft darstellen, als auch einem Raum zum Entwerfen einer Zukunft der Disziplin.
Die frei<tag> 2012 ist als Unkonferenz organisiert. Dies bedeutet, dass alle Teilnehmenden als Expertinnen und Experten angesehen werden, die etwas zur Veranstaltung beitragen können und sollen. Über das genaue Programm wird zu Beginn der Veranstaltung gemeinsam abgestimmt. Alle sind eingeladen, Vorschläge für Workshops – keine reinen Präsentationen oder Vorträge – einzubringen.
Veranstaltungsort der frei<tag> 2012 ist die Fachhochschule Potsdam (Friedrich-Ebert-Straße 4, Potsdam). Die Veranstaltung beginnt um 10 Uhr und endet ab 18 Uhr mit einem Social Event.

Die LIBREAS Sommer School soll dazu beitragen, die Praxis der Bibliotheks- und Informationswissenschaft zu verbreitern und die Kommunikation im Feld zu unterstützen. Angeboten werden Workshops zur Publikation und Forschungsgestaltung, die vor allem an Studierende und angehende Praktikerinnen und Praktikern im gesamten Feld der praktischen Informationsarbeit sowie der bibliotheks- und informationswissenschaftlichen Forschung gerichtet sind. Veranstaltungsort ist das Institut für Bibliotheks- und Informationswissenschaft der Humboldt-Universität zu Berlin (Dorotheenstraße 26, Berlin). Die Workshops finden ab 11.30 Uhr statt.

Am gleichen Ort wird von 15-18 Uhr die Jahresversammlung des LIBREAS. Verein zur Förderung der bibliotheks- und informationswissenschaftlichen Forschung stattfinden.

Die Teilnahme an allen Veranstaltungen ist kostenlos. Spenden für diese oder die weitere Arbeit des LIBREAS-Vereins sind willkommen. Weiter Informationen zu den Veranstaltungen werden auf https://libreas.wordpress.com und http://www.libreas-verein.eu publiziert.

It’s the frei<tag> Countdown. Noch 3 Tage.

Posted in LIBREAS aktuell, LIBREAS Veranstaltungen, LIBREAS.Feuilleton by Karsten Schuldt on 7. Juni 2011

Vielfältigkeit ist ein Merkmal, welches sich Öffentliche Bibliotheken gerne einmal selber zuschreiben. Die Unterschiedlichkeit des Bestandes, die auf die lokalen Gegebenheiten angepassten bibliothekarischen Angebote und Kooperationen sowie gleichzeitig die Offenheit des Zugangs zur Bibliothek sollen dazu beitragen, auf vielfältige Anforderungen auch vielfältige Antworten geben zu können. Diese Offenheit – welche übrigens auch mit einer gesellschaftlichen Wertschätzung von Vielfältigkeit in den individuellen Lebensentwürfen der Menschen einhergeht – steht paradoxerweise einer Forderung nach weiterer Standardisierung und Vereinheitlichung entgegen. Aber wie wir aus dem Gesundheits- und dem Bildungsbereich wissen: Gerade die Einrichtungen, die kreativ mit den Anforderungen der Standardisierungen, Benchmarks, Leistungs- und Wissensmessungen, Qualitätskontrollen und so weiter umgehen und sie dabei dann auch wieder unterlaufen, sind erfolgreich.

Eine andere Frage ist allerdings: Sind Bibliotheken wirklich vielfältig? Ohne in die ständige Berufsbild- und „Wie-sehen-uns-andere“-Debatte eingreifen zu wollen, kann doch festgehalten werden, dass sich die Frage mit einem Ja und einem Nein zugleich beantworten lässt. Verfestigte und sich reproduzierende Strukturen, Annahmen, Abläufe, Zielsetzungen und Arbeitsweisen – die sich ja zum Teil auch mit gutem Recht als konstante Formen etabliert haben – stehen ständigen Versuchen gegenüber, sich zu verändern, zu entwickeln und neu zu erfinden. Man sollte gar nicht erst so tun, als gäbe es nicht beide Seiten des Bibliothekswesens. Weder ist alles neu und frisch, noch ist alles starr und unveränderlich.

Der Bibliothekartag zum Beispiel, dessen 100. Auflage heute in Berlin begonnen hat, ist ein gutes Sinnbild für diese Widersprüchlichkeit. Vieles, sogar das meiste ist konstant. Die Veranstaltungsform, die sich wiederholenden Themen, die zu große Zahl an Ausstellern, über die sich unter der Hand immer wieder beschwert wird, die steigenden Preise für alles, die immer wieder gleichen Gesichter… Und gleichzeitig gibt es dennoch auch immer wieder Neues, ist der Bibliothekartag und einzelne Sektionen zu Experimenten bereit, nimmt neue Themen auf, sucht Wege aus wahrgenommenen Krisen. Sicherlich funktioniert das nicht ungebrochen. Zum Bibliothekartag gehört immer auch die Klage, dass wichtige Themen nicht oder kaum vertreten sind, dass wichtige eingereichte Beiträge abgelehnt wurden, während unwichtige Annahme fanden. Nicht umsonst organisieren sich neue Themen oft an den Rändern des Bibliothekartages. Aber immerhin – im Gegensatz zu einigen anderen Professionen – ist das offenbar für den Bibliothekartag okay. In anderen Disziplinen ist so etwas oft gar nicht möglich, weil Organisationsteams „ihre“ Veranstaltungen und deren Umfeld vollständig zu kontrollieren versuchen, anstatt wissenschaftliche Kommunikation zu fördern.

Aber ob nun die Zukunftswerkstatt, Cycling for Libraries oder frei<tag>: Alle diese Veranstaltungen, die sich gegenseitig und den Kongress mit ergänzen, werden akzeptiert. Nicht unbedingt begrüßt – auch wenn der Kongress bestimmte Angebote, beispielsweise die Fahrraddemo von Cycling for Libraries zum Bibliothekartag, für sich in Anspruch nimmt – aber auch nicht abgelehnt. Dieses akzeptierte Nebeneinander von festen, oft nahezu undurchdringlichen Strukturen und gleichzeitiger Veränderungslust, scheint das Bibliothekswesen in Deutschland auszuzeichnen. Obgleich diese Vielfältigkeit selbstverständlich immer wieder Friktionen erzeugt. Aber es wäre auch erstaunlich, wenn sie es nicht täte.

frei<tag>-Organisationsteam. Vielfältigkeit in Aktion. Während ein Teil um 9.00 Uhr morgens auf einem Panel zur Bedeutung von Bibliotheks- und Informationswissenschaft für die bibliothekarische Praxis auf dem Bibliothekartag sitzt...

...radelt ein anderer Teil bei der Fahrraddemo vom Berliner Hauptbahnhof zum Bibliothekartag mit. Für Bibliotheken und weil es geht.


It’s the frei<tag> Countdown. Noch 4 Tage.

Posted in LIBREAS aktuell, LIBREAS Veranstaltungen, LIBREAS.Feuilleton by Karsten Schuldt on 6. Juni 2011

18:30 Uhr. Nach Tagen des Fahrradfahrens für Bibliotheken steht das Zelt von Cycling for Libraries in Berlin auf dem ehemaligen Flughafen Tempelhof. In gewisser Weise soll bei diesem letzten Abend vor der Fahrraddemo zum Bibliothekartag offenbar zwanghafte Kollektivität herrschen. Kaum setzt man sich an den Biertisch, um einen kurzen Text zu schreiben – von Unkonferenz vor dem Bibliothekartag zur Unkonferenz nach dem Bibliothekartag gewissermaßen – wird man beschimpft, dass beim Essen kein Laptop auf dem Tisch zu stehen hätte. Und das im hippen Neukölln. *eyeroll* Nun, wir werden sehen, wie sich das anläßt. Ansonsten ist der Text heute kurz, weil die Fahradfahrenden Bibliothekarinnen und Bibliothekare lieber socializen wollen. Fügen wir uns erst einmal dem Gruppenzwang.

 ***

Noch ist der Abend jung und das Buffet nicht eröffnet.

Von Unkonferenz zu Unkonferenz. Watch-A-Gonna-do-about-It?

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20:00 Uhr. Ein kurzes Interview mit Dierk Eichel.

frei<tag>: Dierk, du warst bei Cycling for Libraries die gesamte Zeit dabei und hast die Strecke abgefahren. Erzähl, wie war’s?

Dierk Eichel: Es war super, so einen Fachaustausch an frischer Luft hab ich noch nicht erlebt. Das Fahrradfahren von morgens früh bis spät abends war sehr anregend für die Diskussion auf dem Rad. Abends war man dann zwar völlig fertig, aber für ein gemeinsamen Gespräch bei Bier und finnischer Verpflegung ergab sich immer Zeit. Dazu trugen vor allem auch die vielen Teilnehmer aus insgesamt 15 Ländern bei. Die waten sehr neugierig und für jeden Spaß zu haben. Überhaupt wurde der Spaß an der Sache bei cycling for libraries sehr groß geschrieben, denn nur so lässt sich positiv über die Zukunft der Bibliotheken nachdenken.

frei<tag>: Was ich nicht verstanden habe: Ihr hatte Hausaufgaben auf. Du hast eine zur grünen Bibliothek gemacht. Was hatte es damit auf sich?

Dierk Eichel: Da ich mich schon länger mit ökologischer Nachhaltigkeit in Bibliotheken beschäftige und Fahrradfahren durchaus als umweltfreundliche Fortbewegungsmethode gelten kann, war es nur passend das ich auf solch einer grünen Unkonferenz auch mit meinem grünen Thema einbringe. Und ich muss sagen alle Teilnehmer waren sehr umweltfreundlich eingestellt. Es gab sogar eine ähnliche Hausaufgabe die sich mit Nachhaltigen Themen befasste.

frei<tag>: Und jetzt du, als Vertreter der New Professional Special Interest Group (NPSIG) in der IFLA: Cyling for Libraries und Unkonferenzen, ist das ein Weg für junge Menschen in Bibliothek und Bibliothekswissenschaft, zusammenzuarbeiten? Sollte man das auch woanders machen oder reicht es jetzt erst mal?

Dierk Eichel: Natürlich sollte man das so oft wie möglich machen nur so kommt man an die wirklich faszinierenden Ideen, wenn man den Menschen Raum gibt Themen gemeinsam zu entwickeln und ungewohnte Lösungsvorschläge findet. Deshalb haben sich die Aktivisten der NPSIG auch für die übernächste IFLA 2012 in Finnland das erste Barcamp in der Geschichte der IFLA einfallen lassen. Seid dabei, unter www.npsig.wordpress.com.

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(Bild: Dierk Eichel) Mace Ojala, der "Chefwegfinder" von Cylcing for Libraries.

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21:00 Uhr. Im Zelt, nachdem die Band eine Pause machte, gibt es nun eine Dankesrunde für all die Menschen, die bei cycling for libraries etwas getan haben. Alle danken sich gegenseitig, aber das ist schließlich auch der Witz an einer Unkonferenz. Alle sind für ihr Gelingen verantwortlich und im Gegensatz zu dem in den 1990er Jahren verbreiteten Ideologem der Firmen mit flacher Hierarchie, können sich nach einer gelungenen Unkonferenz tatsächlich alle gegenseitig bedanken, weil alle einigermaßen demokratisch miteinander gearbeitet haben. Doch wenn die Open-Source-Gemeinde ständig erfolgreiche Unkonferenzen durchführen kann, sollte das Bibliothekswesen nach der einen auch die zweite schaffen. Immerhin sind wir Bibliothekarinnen und Bibliothekare, Bibliotheks- und Informationswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler. „We are, after all, professionals.“

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21:40 Uhr. Medienkonvergenz ftw. Am Ende der Fahrradkonferenz schauen alle Videofilme aus dem Internet über die Fahrradkonferenz, auf der sie gerade waren.

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22:50 Uhr. (Undisclosed location.) Nachdem Mitglieder des frei<tag>-Teams mit „Ach, da kommt die Philosophie-Abteilung“ begrüßt wurde, kommen wir nicht umhin, unsere Freude darüber auszudrücken, dass es Menschen gibt, die unseren Countdown wahrgenommen haben. Wir hoffen, es hat bislang etwas Interesse geweckt und einige Anstöße dazu gegeben, auch zur frei<tag> zu kommen und sich einzubringen. Sie / Ihr alle sind / seid willkommen.

LIBREAS #18: Wissenschaftskommunikation und Wissensorganisation

Posted in LIBREAS aktuell, LIBREAS Veranstaltungen by Karsten Schuldt on 29. März 2011

Die Ausgabe #18 von LIBREAS mit dem Schwerpunkt „Wissenschaftskommunikation und Wissensorganisation“ ist erschienen und wie gewohnt über libreas.eu zu erreichen.

In der Ausgabe wird nicht nur ein Einblick in eine Anzahl der zahlreichen Projekte von Bibliotheken und Informationseinrichtungen bezüglich der Wissenschaftskommunikation gegeben, sondern – dem Anspruch der LIBREAS, ein Diskursmedium zu sein, folgend – ebenso die theoretischen Ebenen von Wissensorganisation bearbeitet. Wir hoffen wie immer, dass diese Ausgabe nicht nur Interesse weckt, sondern auch einen Diskurs anstößt.
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Ankündigung: frei<tag> – Bibliothekswissenschaftliche Unkonferenz

Posted in Hinweise, LIBREAS aktuell, LIBREAS Veranstaltungen by libreas on 10. März 2011

Freitag_logo

Im An- und vielleicht als Abschluss zum 100. Deutschen Bibliothekartag in Berlin findet am 10.06.2011 von 14:00 bis 19:00 Uhr am Institut für Bibliotheks- und Informationswissenschaft der Humboldt-Universität zu Berlin eine Unkonferenz namens „frei<tag>“ statt. Diese gibt insbesondere bibliothekswissenschaftlichen Themen, die im Rahmen des Bibliothekartages nicht berücksichtigt werden konnten, ein Forum. Die Teilnahme an der Unkonferenz ist frei. Gewünscht ist eine aktive Beteiligung aller Anwesenden. Die Veranstaltung ermöglicht insbesondere jungen Forschenden und Studierenden der Bibliotheks- und Informationswissenschaft eine Plattform und die Möglichkeit zum Austausch mit der Bibliothekspraxis. „frei<tag> – Bibliothekswissenschaftliche Unkonferenz“ wird vom Institut für Bibliotheks- und Informationswissenschaft der Humboldt-Universität und der Redaktion der LIBREAS. Library Ideas veranstaltet. Weitere Information folgen in Kürze. Kontakt über die LIBREAS-Redaktion.