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It’s the frei<tag> 2012 Countdown (6): Ist das Thema Digitalisierung mittlerweile ein ‚Alter Hut‘ oder immer noch eine ‚Herausforderung‘?

Posted in LIBREAS Veranstaltungen by libreas on 11. August 2012

Ulf Preuß

Mit Bezug auf Beitrag (10): Denkraum von Manuela Schulz greife ich das Thema ‚kulturelles Erbe‘ und dessen Nutzbarmachung via Digitalisierung auf. Immerhin wird mittels digitaler/virtueller Informationssammlungen ein Betrag zum Konzept des Denkraums geleistet, wobei dieser auf eine ortunabhängige, quasi freie, Ebene gesetzt wird.
Bibliotheken nehmen in Punkto Digitalisierung, mit Bezug auf ihre Bestandsdaten und repräsentative Einzelmedien, seit Jahrzehnten eine Vorreiterrolle unter den Informationswissenschaftlichen Institutionen ein. Hat sich deshalb das Thema Digitalisierung zur puren Alltäglichkeit entwickelt? Sind alle damit verbundenen Herausforderungen angenommen worden und mit nachhaltigen Lösungsansätzen hinterlegt? Hier seien nur einige Aspekte  erwähnt, wie Finanzierung der Digitalisierungsvorhaben, Qualitätssicherung auf technischer und vor allem personeller Ebene, Entwicklung und Implementierung einer nutzerfreundlichen und gleichzeitig ökonomischen Infrastruktur etc.

Großformatscanner im Einsatz an der FH Potsdam

Licht am Ende des Digitalisierungstunnels oder doch der sprichwörtliche ‚entgegenkommende Zug‘ voller neuer Problemstellungen? Mit einer Digitalisierung werden keine informationswissenschaftliche Probleme gelöst, sondern eine Vielzahl von Herausforderungen geschaffen. Das fängt mit der Frage ‚Was soll Digitalisiert werden?‘ an und hört noch lange nicht mit einer Klärung der langfristigen Nutzbarkeit der erzeugten Digitalisate auf.

Als ein probates Mittel der Finanzierung gilt die Public-Privat-Partnership, welche in großen Bibliotheken gern in Verbindung mit Google eingegangen werden. Hierzu hatte der Kulturstaatsminister mit Blick auf das Projekt ‚Deutsche Digitale Bibliothek‘ folgende Anmerkung:
„Mit der Deutschen Digitalen Bibliothek bleibt die digitale Verfügungsgewalt für die dort zugänglichen Kulturgüter in öffentlicher Verantwortung. Da Kulturgüter Teil der kulturellen Identität von Nationen und damit genuin öffentliche Güter sind, sei dies besonders wichtig, hatte Kulturstaatsminister Bernd Neumann im Mai 2009 anlässlich der Debatte über die Google-Aktivitäten („google books“) im EU-Ministerrat erklärt.“[1]
Schön das es Sicht der Politik die Verfügungshoheit über die Kulturgüter unseres Landes, auch in der digitalen Welt, in öffentlicher Hand bleiben soll. Wie immer gilt auch hier: ‚leichter gesagt als getan‘. Folgt man den Aussagen aus dem Kompetenznetzwerk DDB, so konzentriert sich deren Finanzierungsmodel auf den Aufbau und Betrieb der eigenen Infrastruktur. Der Bereich Digitalisierung, also die Generierung des Inhaltes der DDB, liegt allein bei den Institutionen welche sich an ihr beteiligen wollen. Hierbei wird einerseits auf die Möglichkeit der Finanzierung unter Beteiligung privater Geldgeber – ACHTUNG GOOGLE – und anderseits auf die Verantwortung der Träger, der meist klammen Kultureinrichtungen, verwiesen – ACHTUNG GENERELLES HAUSHALTSDEFIZIT -.[2] Es kommt bei allen Herangehensweisen auf eine sachliche Abwägung und letztendlich auf rechtlich tragbare und faire Vereinbarungen an.
Wenn man davon ausgeht, dass digitale Informationssammlungen per se ein Thema für das Informationsmanagement sind, so gilt es auch zu klären welchen Beitrag wir für andere spartenfremde Kultureinrichtungen beim Thema Digitalisierung erbringen könnten.
[1] Beauftragter für Kultur und Medien: Beta-Version im Herbst 2012 online. URL http://www.bundesregierung.de/Webs/Breg/DE/Bundesregierung/BeauftragterfuerK
ulturundMedien/medien/dtDigitaleBibliothek/_node.html (letzter Aufruf: 08.08.2012)
[2] Parzinger, Hermann ; Schleh, Bernd: »Der große Traum von der Demokratisierung des Wissens«. In: Forum Bibliothek und Information 64 (2012), Nr. 03, S. 208–212

3 Antworten

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  1. W. Umstaetter said, on 12. August 2012 at 10:46

    Die Aussage, „dass digitale Informationssammlungen per se ein Thema für das Informationsmanagement sind“, ist richtig, wenn man nicht vergisst, die Redundanz als ein wichtiges Element eines jeden Informationsmanagements mit einzubeziehen.

    Die Tatsache, dass die Digitalisierung seit einigen Jahrzehnten immer preiswerter und auch qualitativ immer besser wird, hatte bisher den großen Nachteil, dass die Planungen von Digitalisierungsgroßprojekten rascher veralteten als sie auf den Weg gebracht wurden. Dazu kommt, dass die Verlage immer größeren Widerstand leisten, je billiger die Digitalisierung wird – nicht zuletzt darum, weil ihre eigenen Digitalisierungen im Rückblick oft zu teuer waren.

    Dahinter steht aber noch ein weitaus größeres Problem, das der juristischen Verwechslung von Information und Redundanz. Durch die Digitalisierung kann unmöglich ein Urheberrecht erworben werden. Sie ist eine einfache Erzeugung von Kopien bzw. von Redundanz, und tangiert damit die Urheberschaft zunächst in keiner Weise. „Unter diesem Aspekt ist das Copyright eindeutig als ein ,Redundanzrecht’ zu definieren und das Urheberrecht als ,Informationsrecht’. (Umstätter, W.: Lehrbuch des Bibliotheksmanagements S. 3)

    So merkwürdig es ist, dass wir uns daran gewöhnt haben, dass Autoren oft nach der Zahl der Kopien entlohnt werden, was heute weder einen Leistungsbezug, noch einen Risikobezug aufweist, so erstaunlich ist es, dass es noch immer Juristen gibt, die der Meinung sind, dass es etwas mit Gerechtigkeit zu tun hat, wenn ein Autor für den Abruf einer Kopie von einem digitalen Dokument, dessen Urheber er ist, extra Geld erhält, obwohl noch nie jemand auf die Idee gekommen ist, dafür zu bezahlen, dass ein Buch beispielsweise ein zweites oder drittes Mal gelesen worden ist. Das Risiko der Verlage bezog sich früher auf die teure Produktion und Verteilung von bedrucktem Papier, und dieses Risiko verschwindet immer weiter.

    Darum sind die Verwertungsrechte der Verleger heute noch fragwürdiger, die in der Diskussion nicht selten mit den Urheberrechten verwechselt werden. Wenn ein Internetbenutzer sich eine Kopie von einer digitalen Publikation zieht, so ist es zunächst nicht der Verlag, der hier kopiert, sondern der Nutzer selbst. Dass die Digitalisierung und die Bereitstellung von Publikationen Geld kostet, und letztendlich auch bezahlt werden muss, steht außer Frage. Die Tatsache, dass Google beispielsweise diese Kosten zu tragen bereit war, aber die Verlage unter dem Deckmantel der Urheberrechte ohne jede Eigenleistung von diesem Kuchen etwas abhaben wollen, ist höchst fragwürdig, insbesondere dann, wenn sie auf dem Recht der Digitalisierung bestehen, dies aber nur, um eine mathematisch korrekt gesagt, unendliche Erhöhung der Kosten durchzusetzen.

    Die Digitalisierung bringt es immer deutlicher an den Tag, dass die veraltete Vorstellung eines Urheberrechts als Informationsrecht, durch ein modernes Redundanzrecht ergänzt werden muss.

    Warum übrigens Google ein solches kostenloses Angebot machen kann, ist eine nicht weniger interessante Frage der Nationalökonomie des Geistes, die allerdings auf einer ganz anderen Ebene der Wirtschaftlichkeit liegt und dort diskutiert werden muss.

    Walther Umstätter

    • Ulf Preuß said, on 13. August 2012 at 10:13

      Ich möchte den Hinweis auf das Thema Redundanz in digitalen Informationssammlungen aufgreifen und ergänzen, dass hierbei der Aspekt des Zugangs zu den Informationen nicht unterbewertet werden darf. Bestimmte analoge Informationsquellen sind, ob des Erhaltungszustandes, des finanziellen Wertes, der Handhabbarkeit etc., für die Benutzung nicht verfügbar. Erst durch die Erstellung von digitalen Repräsentanten und deren Einbindung in digitale, zugängliche Informationssammlungen sind die enthaltenen Informationen ersichtlich. Aus dieser Perspektive setzt Redundanz dann erst wieder auf der digitalen Ebene mit den möglichen Vervielfältigungsmöglichkeiten ein.

      Ein weiteres Problem der Redundanz (hier in Form einer Parallelität der Informationsträger) ist auch auf der Ebene des Umgangs mit den erstellten digitalen Kopien bzw. digitalen Repräsentanten zu sehen. Die zentrale Fragestellung lautet hierbei: ‚Räume ich (als Institution) den digitalen Kopien den selben Status ein den das Original hat?‘. Damit sind beispielsweise die Frage der (redundanten) Bestandserhaltung auf Seiten des Originals und der originalen, digitalen Kopie (Masterfiles) verbunden. Oder direkter ausgedrückt:

      Ist eine perfekt aufbereitete digitale Ausgabe der Gutenbergbibel Teil des (digitalen) kulturellen Erbes und wie geht man dann damit um?

      Ulf Preuß

      • Ben said, on 13. August 2012 at 14:56

        Was wäre denn eine „perfekt aufbereitete digitale Ausgabe der Gutenbergbibel“?

        Ich stelle die Frage deshalb, weil es bei derartigen Objekten häufig nicht vorrangig um den Inhalt geht, sondern um die Objekthaftigkeit, also die materielle Fassung des Inhalts, die sich digital kaum wiedergeben lässt. Das Wechselspiel zwischen Form und Inhalt digital nachvollziehbar zu machen, scheint mir eine große und bisher kaum zu bewältigende Herausforderung bei der Digitalisierung derartiger Werke.

        Das Digitalisat ist in diesem Kontext m.E. als eine möglichst detaillierte Dokumentation des Objektes zu verstehen. Es verhält sich aber zum Original so, wie sich ein Ereignis zu Protokoll des Ereignisses verhält: Es bleibt bei einer Beschreibung des Objektes. Ob diese eine eigene Objekthaftigkeit entwickeln kann, die ausreicht, um sie als eigenständigen Teil des kulturellen Erbes zu bewerten, vermag ich nicht zu entscheiden. Einen mit dem Original vergleichbaren Status würde ich allerdings bestreiten.

        Eine interessante Positionierung zu diesem Thema findet sich in einem Interview mit dem Antiquar Heribert Tenschert, das unlängst in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung erschien:

        Ihnen geht es, wie Sie am Beispiel der Stundenbücher deutlich gemacht haben, um das Buch als Kunstwerk. Der literarische Inhalt ist zweitrangig. Ist es beim E-Book nicht genau umgekehrt? Das Buch als Objekt verschwindet, und was bleibt, ist die absolute Reduktion auf den Inhalt, ohne jede Sinnlichkeit. Aber wären nicht auch digitale Faksimileausgaben denkbar?

        Das gibt es meines Wissens nach bislang nicht. Und wenn es das gäbe, wäre es eine doppelte Perversion. Der Abgrund zwischen dem Original und einem Faksimile bleibt unüberbrückbar. Das gilt für die seltsamen Nachbildungen des Pergaments aus Papier ebenso wie für die Reliefwirkung der Schrift und der Malerei, die nur das Original hervorrufen kann. Bislang ist die Qualität sogar der für Forschungszwecke erstellten elektronischen Faksimiles in der Regel eher erbärmlich. Sosehr ich Walter Benjamin schätze, muss ich ihm doch widersprechen: Je länger das Zeitalter der technischen Reproduzierbarkeit des Kunstwerks andauert, desto mehr gewinnt die Aura des Originals an Wirkkraft. […]

        Er spricht zweifellos aus einer besonderen (auch besonders privilegierten) Position. Nicht jeder hat die Gelegenheit, derart mit Originalen zu hantieren. Andererseits, und auch das schimmert im Interview durch, ist die Buchgeschichte in dieser Richtung auch eher eine Veranstaltung für den kleinen Kreis. Die Zahl derer, die sich tatsächlich durch das Digitalisat einer Gutenberg-Bibel blättern und vielmehr noch die, die damit direkt in irgendeiner Hinsicht arbeiten, ist mutmaßlich äußerst begrenzt. Objektdigitalisierungen solcher Art erfüllen möglicherweise sogar oft mehr die Rolle von Prestigeprojekten, als dass sie einen tatsächlichen Bedarf adressieren. Es geht hier nach meinem Dafürhalten stärker um museale Aspekte als um Inhalte. Daraus ergeben sich gänzlich unterschiedliche Anforderungen bei der Digitalisierung.

        Vielleicht passt das Beispiel der Gutenberg-Bibel oder anderer Wiegendrucke also gar nicht so gut in diesen Zusammenhang. Interessanter scheint mir jedenfalls die Massendigitalisierung von Inhalten, deren Träger aufgrund der industriellen Produktion bei weitem weniger spezifisch scheinen.

        Irgendwo in der Geschichte des Publizierens gibt es einen Scheidepunkt, an dem das Verhältnis zwischen Inhalt und Form (inklusive Aspekten wie Paginierung, Typographie, etc.) eindeutig Richtung Inhalt kippt und an deren vorläufigem Ende die ziemlich trägerflexiblen Content-Partitionierungen des Web 2.0 stehen. Bereits die medienhistorische Bestimmung dieser Zeitmarke wäre eine exzellente wissenschaftliche Herausforderung. Bibliothekswissenschaftlich könnte man mit diesem Wissen im Idealfall sogar differenzierte Digitalisierungsansprüche (mit unterschiedlicher Kostenintensität) entwickeln.


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