Von Geeks und Büchertanten.
Ein Kommentar von Juliane Waack (@Jules_McCloud)
Im Rahmen des #inetbib16, kurz für die 13. InetBib-Tagung in Stuttgart, die vom 10. bis 12. Februar stattfand, geisterte ein Zitat von Bernd Schmid-Ruhe, Leiter der Mannheimer Stadtbibliothek, durch die Twitter-Sphere: „Wir brauchen mehr Geeks und weniger Büchertanten.“
Wir brauchen mehr Geeks und weniger Büchertanten in Bibliotheken sagt @beschruh #inetbib16
— Ute Engelkenmeier (@engelken) 11. Februar 2016
Diese Formulierung ist, gelinde gesagt, ungeschickt. Da kann man sich gegenüber kritischer Einwände jetzt ganz unelegant damit herausreden, dass es überspitzt formuliert wurde, also gar nicht so gemeint war, im Kontext ganz anders war und sowieso ironisch zu verstehen ist und überhaupt, versteht denn niemand hier Spaß?
Nun, Spaß schon, aber Sexismus eher weniger.
„Wir brauchen weniger Geeks und mehr Büchertanten“ ist also eine dieser Formulierungen, die für Diskussionen sorgen sollen. Nichtsdestotrotz sollte man selbst in diesen ankurbelnden Buzzword-triefenden TED-Talk-Aussagen Begriffe verwenden, die man auch so im normalen Diskurs verwenden würde, ohne sich danach erklären zu müssen.
Wer Stereotype und Klischees verwendet, ohne Alternativen zu nennen, der kann sie noch so ironisch meinen, sie werden sich weiterhin in den Köpfen festsetzen. Wer sich ein wenig mit der psychologischen Theorie dessen beschäftigen will, kann dazu tief eintauchen (etwa hier), denn insbesondere in den amerikanischen Rassismus-Debatten hat sich diese Thematik als sehr fruchtbares Studienthema herausgestellt. Um es kurz zu fassen: selbst die humoristische Verwendung von Stereotypen verunsichert die Personen, die davon betroffen sind, verändert ihr (natürliches) Verhalten und nagt außerdem am kulturellen Selbstbild. Zusätzlich sorgt das Auslassen einer Alternative dafür, dass es dennoch nichts weiter als dieses Stereotyp im Diskussionsrahmen gibt (und nein, der „Geek“ ist keine positive Alternative zur „Büchertante“, das wäre höchstens die „Digital Native Büchertante“).
Das wirklich Ärgerliche an der Unterscheidung zwischen „Büchertante“ und „Geek“ ist offensichtlich: das eine ist eindeutig einem Geschlecht zugewiesen, das andere eher nicht, wird jedoch vorwiegend und gerne für Männer verwendet. Sprich: Bibliothek und Bibliothekswissenschaft brauchen anscheinend mehr hippe coole Start-up, Silicon-Valley-Typen (an sich schon eine Einöde, was Diversität angeht) und soll sich von diesen lahmen Bibliothekarinnen verabschieden.
Die müssen sich in diesem Zusammenhang seit eh und je im Gegensatz zu ihren männlichen Kollegen mit Konnotationen auseinandersetzen, die durchgehend auf ihr Aussehen und ihre Rolle als entweder reizlose alte Jungfer oder übersexualisierte Männerfantasie konzentriert wird. Kompetenzen, Qualifikationen und Intelligenz werden nur marginal betrachtet, wenn man sich mit „Büchertanten“ auseinandersetzt und selbst dann sind sie der Grund, warum die „Tante“ noch Single ist (wer mag schon kluge Frauen, igitt).
Wer sich einmal die Rollen von Bibliothekar/innen in Film und Fernsehen ansieht, der wird schnell erkennen, dass vorwiegend Frauen in dem nicht sehr schmeichelhaftem Klischee-Korsett gefangen sind und das seit mehr als 60 Jahren, wie Julia A. Wells in ihrem Essay „The Female Librarian in Film: Has the Image Changed in 60 Years?“ (PDF) hervorhebt.
Bibliothekarinnen sind im popkulturellen Rahmen streng, freudlos und alleinstehend oder aber im krassen Gegensatz nur dazu da, mit knappen Outfits die Wünsche bzw. Fantasien der männlichen Besucher zu erfüllen. Kurzum: die Tätigkeit alleine suggeriert vielen ein frauenfeindliches Bild, das – wenn wir mal ehrlich sind – auch der Bibliothek und deren Wissenschaft keinen Gefallen getan hat und tun kann.
Wer (mit dieser Aussage ausschließlich) Frauen durch absurde Klischees und Stereotype einen Stempel aufdrückt und ihnen sowohl technisches Know-how, Zeitgeist als auch moderne Ansätze abspricht, der sorgt für eine wenig einladende Atmosphäre im Studiengang, der Wissenschaft und dem Berufsfeld. So sehr sich stolze „Büchertanten“ den Begriff zurückholen wollen, um ihn mit positiven Konnotationen zu besetzen (smart, belesen, organisiert und sozial), so sehr sabotiert ein derartiger Sprachgebrauch diese Bemühungen.
Wer heute noch abfällig das Wort „Streber“ in den Mund nimmt, offenbart sich ebenso als intellektuellenfeindlich wie sich ein „Büchertanten“-Denunziant als latent frauenfeindlich angreifbar macht (natürlich spielt bei derartigen Aussagen immer die Intention eine Rolle, gleichfalls stellt sich jedoch die Frage, warum ausgerechnet dieses Wort so locker auf der Zunge lag).
Wer die Bibliothek ins 21. Jahrhundert bringen möchte, der muss sich nicht der engagierten Wissenschaftlerinnen und Bibliothekarinnen entledigen, sondern der Hürden und elitären Ansätze, die scheinbar fortschrittliche, aber eigentlich völlig anachronistische Trend-Berater so von sich geben. Die Bibliothek braucht nicht mehr Geeks, sondern sie muss als Arbeitsplatz und als Wissenschaftsbereich attraktiver für intelligente und aufgeschlossene Menschen werden, die sozial und zukunftsweisend zugleich denken können. Dafür braucht es Anreize, die nicht nur per Nützlichkeitsmessung oder Image-Optimierung zu bestimmen sind, sondern vor allen Dingen einen Diskurs, der nicht mehr als die Hälfte aller Beteiligten mit derartigen, auf Abgrenzung zielenden Sprüchen vor der Tür stehen lässt.
(Berlin, 17.02.2016)
Eine kurze Anmerkung zum Password-Pushdienst vom 3. April bzw. zur Diskussion um die Zukunft der Informationswissenschaft
von Ben Kaden
Willi Bredemeier ging im Password-Pushdienst vom 03.04.2012 kurz auf meinen Text zu Düsseldorfer Runde über die Zukunft der Informationswissenschaft ein und eigentlich wollte ich ihm dort mit einem Kommentar antworten. Da das Captcha der dortigen Kommentar-Funktion jedoch nicht lesbar ist, erscheint er hier. Und weil es ein Kommentar ist auch in übersichtlicher Länge.
„Wer ein Abstraktionsniveau oberhalb aller konkreten Ereignisse, Player, Autoren, Veröffentlichungen und Einrichtungen wählt, nimmt in Kauf, dass er mit seinen Überlegungen letztlich unbeachtet bleibt und keine wissenschaftlichen noch weitere Wirkungen entfaltet. Hier war Ben Kaden mit seiner Einschätzung der Hildesheimer ISI-Konferenz, die später mit einer Einzelkritik an den Beiträgen auf dieser Tagung bestätigt werden sollte, schon mal weiter.“ – Willi Bredemeier, Password-Pushdienst, 03.04.2012
Oder, so suggeriert es die Formulierung „höheres Abstraktionsniveau“, tiefer. Aber eigentlich meint Willi Bredemeier vermutlich, ich wäre schon einmal mehr auf ihrer Linie gewesen. Ich denke, es sollte nicht darum gehen, Beiträge gegeneinander auszuspielen oder zu gewichten. Die beiden Texte haben gänzlich unterschiedliche Ausrichtungen.
Während der kurze Hildesheim-Text tatsächlich einen wahrgenommenen Mangel benannte (gemeint ist wohl diese Passage:
„Bemerkenswert an der Hildesheimer Veranstaltung war, dass sie ungeachtet des wohlklingenden, sehr programmatischen Mottos „Information und Wissen: global, sozial und frei?“ Willi Bredemeiers Vorwurf an die Informationswissenschaft, sie sei kleinteilig, selbstbezüglich und nach Außen kaum relevant, zu weiten Teilen zu bestätigen schien. Eine Metadiskussion fand jedenfalls auch dort kaum statt.“)
wollte ich für die Düsseldorfer Diskussion eine weiterreichende Perspektive eröffnen. Ich näherte mich dort und nähere mich allgemein gern der Bibliotheks- und Informationswissenschaft tatsächlich mehr aus der Warte einer akademischen und weitgehend theoretischen Wissenschaft an. Die skizzierte Idee entspringt diesem Hintergrund.
Möglicherweise glitt ich für die Düsseldorfer Runde damit ein wenig ins Abseits. Es nagt sehr an mir, nicht dort gewesen zu sein. Denn in einer Auseinandersetzung mit der Position Stefan Gradmanns:
„Informationswissenschaft müsse innerhalb des Begriffes Web Science neu definiert werden. Es gehe nicht darum, möglichst viele Informationen zu akkumulieren, sondern sie so darzustellen, dass daraus Wissen wird. Die Informationswissenschaft brauche ein anderes semiologisches Fundament, so Stefan Gradmann.“
hätte ich meinen Standpunkt vielleicht doch schärfer konturieren können. Wo mir Web Science als Alternativbenennung vergleichsweise nichtssagend und daher überflüssig erscheint, bin ich in der semiologischen Frage sehr bei ihm, würde aber, wie beschrieben, die handelnden Akteure und die Zeichen auf der selben Gegenstandsebene verorten – möglicherweise auch, um das sumpfige und wuchernde Gebiet der Semantik (des Semantic Web) über diesen Umweg etwas einzuhegen.
Die Gemeinsamkeit zwischen der Position Willi Bredemeiers und meiner ist mittlerweile eindeutig benannt: Die Konzentration auf den Menschen, also den konkreten Akteur und sein kommunikatives Handeln. Das schlägt sich m.E. (vgl. dazu die umfängliche Diskussion mit Karsten Schuldt in diesem Weblog) in besonderer Form, z.B. in Publikationen, nieder. Für deren Analyse verfügen wir traditionell über ein recht weit entwickeltes methodologisches Fundament. Allerdings gilt es, dies anzupassen und gezielt zu erweitern.
Das Ziel kann meiner Ansicht nicht mehr die Optimierung von Informationsflüssen an sich sein. Es muss vielmehr in der Gestaltungen von Kommunikation (daher auch meine Betonung des Diskursiven) liegen. Information ist dabei nur ein Mittel zum Zweck. Die großen aktuellen Dominanten im Web (Google, Facebook, z.T. Amazon) zeigen uns deutlich auf, wie diese Schwerpunktverschiebung von der reinen Vermittlung zur möglichst weitreichenden Lenkung aussieht.
Die deutsche (und wahrscheinlich auch die europäische) Bibliotheks- und Informationswissenschaft wird solche Angebote angesichts ihrer Ressourcen nicht entwickeln. Sie kann aber eine analysierende und reflektierende Auseinandersetzung mit diesen Tendenzen vornehmen. Der Unterschied von mir zu großen Teilen des – sicher auch durch die Strukturen der Wissenschaftslandschaft darauf ziemlich festgenagelten – bibliotheks- und informationswissenschaftlichen Establishments liegt darin, dass es mir nicht darum geht, Produkte, Dienstleistungen und Projekte zu entwickeln, sondern tatsächlich fast ausschließlich um die Reflexion und Analyse von Entwicklungen, die das informationelle und kommunikative Verhalten der Menschen beeinflussen, prägen und kontrollieren.
Wenn das Fach versteht, was geschieht, kann es selbstverständlich anderen, stärker produkt- und dienstleistungsorientierten Institutionen in diesem Bereich (z.B. Bibliotheken) Hinweise, Orientierung und Handlungsmodelle geben. Sowie parallel eine Transferleistung der Öffentlichkeit gegenüber erbringen, die sachlich fundiert erläutert, welche Bedingungen und Folgen den Phänomenen digital organisierter sozialer Welten innewohnen.
Der Kulturinfarkt – Ärgernis oder Vision für Bibliotheken?
zu: Dieter Haselbach / Armin Klein / Pius Knüsel / Staphan Opitz: Der Kulturinfarkt. Von allem zu viel und überall das Gleiche. Eine Polemik über Kulturpolitik, Kulturstaat, Kultursubvention. München, 2012
Ein Kommentar von Susanne Brandt
Um es gleich vorweg zu nehmen: So richtig spannend wird das Buch erst in der zweiten Hälfte. Um dorthin zu gelangen, wo es um Visionen und Zukunftsszenarien geht, die Widerspruch, Zustimmung oder eben die viel beschworene Phantasie so richtig auf Trapp bringen, muss man bis zur Hälfte des Buches eine Menge Zynismus und Verallgemeinerungen überstehen. Das ist im Sinne der gewollten Polemik nicht überraschend, in dieser Form und Länge allerdings ziemlich unergiebig. Zu oft ist von „allen“, von „niemand“, von „immer“ oder „nie“ die Rede, wo es um „einige“ oder „zeitweilige“ Phänomene und Beobachtungen geht. Zu schnell und teilweise unkritisch werden einzelne Statistiken herangezogen (z.B. zum Leseverhalten), an deren Seite andere Erhebungen genannt werden müssten, die zu einem anderen Ergebnis kommen. Zu oft wird die alte Tante Kultur auf der Couch gesehen – mal als todkranke Patientin und lieber noch als träge Masse, die sich selbstgefällig auf den Kissen staatlicher Förderungen ausruht. Wer den Alltagsbetrieb in kulturellen Institutionen kennt, weiß, dass dieses Bild für die Mehrheit der Engagierten dort einfach nicht passt. Auch das Argument von der offenbar grenzenlosen Mobilität in der Bevölkerung, mit dem wiederholt eine Verknappung von Standorten kultureller Institutionen gerechtfertigt wird, lässt sich wohl kaum auf die pauschal in vielen Aufzählungen mit genannten Bibliotheken übertragen, wenn diese gleichzeitig den an anderer Stelle wiederum geforderten Anspruch von Bürgernähe und Nutzerorientierung erfüllen. Ein Grundschulkind aus einer türkischen Familie zum Beispiel kann die Schließung einer Stadtteilbücherei in seinem Bezirk eben nicht so einfach verschmerzen und allzeit mobil auf einen weiter entfernten Standort ausweichen. Das finden die Autoren dann irgendwann auch und relativieren in der Mitte des Buches einige ihrer Aussagen wieder. Doch muss man sich an dieser Stelle fragen, ob für das Buch nicht das gilt, was darin für die Kultur durchaus richtig festgestellt und eingefordert wird: Quantität erzeugt keine höhere Qualität! Will sagen: Der erste Teil des Buches könnte um die Hälfte gekürzt werden, um an Prägnanz und Überzeugungskraft zu gewinnen. (more…)
Die sogenannte Geisteswissenschaft. Ein Kommentar zu Willi Bredemeier.
„Würde das Fach aus dem unversitären Spektrum verschwinden, gäbe es ein paar arbeitslose Akademiker mehr. Sonst würde man nicht viel merken, und vermissen würde man wahrscheinlich auch nichts.“
Im Oktober 2002 besuchte der Journalist Konrad Adam den Deutschen Soziologen-Tag, verfolgte die Eröffnungsrede Jutta Allmedingers und formulierte im Anschluss in der WELT sein Verdikt unter dem Titel Überflüssige Soziologie.
Nun macht eine schlechte Rede noch keine schlechte Wissenschaftspraxis und es ist am Abend eines Soziologentages nicht sonderlich sinnvoll, die Qualität des Faches anhand eines Tagungsbeitrages, selbst wenn es die Eröffnungsrede ist, zu beurteilen. Die Soziologie selbst nahm die Spalte in der WELT auch entsprechend gelassen hin.
Aber vielleicht lässt sich ein übergeordnetes Stimmungsbild ermitteln, wenn man alle Beiträge der zentralen Tagung einer Disziplin heranzieht und kritisch beleuchtet. Immerhin durchdringt man auf diesem Weg die zwei Bestandteile einer disziplinären Praxis zugleich: die Fachgemeinschaft und die Fachagenda. Über diesen Umweg sind in der Erweiterung möglicherweise Aussagen zur Stellung der Wissenschaft als solcher möglich.
Willi Bredemeier, Herausgeber des Informationsnewsletters Password, versucht genau dieses. Anhand der Proceedings des 11. Internationalen Symposions für Informationswissenschaft (ISI2009) arbeitet er an einer auf sechs Teile angelegten „Kritik der Informationswissenschaft“, deren erster jüngst erschien (PASSWORD 07/08-2010, S. 12-16) und bereits von Jakob Voß kurz gewürdigt wurde. Ganz wie bei Konrad Adam zielt diese Kritik auf die „gegenwärtige Praxis“ des Faches.
Allerdings spielt die Tagung im Auftakt zur Reihe keine explizite Rolle. Vielmehr grundiert der Autor in dem mittlerweile auch frei zugänglichen Text Kritik der Informationswissenschaft. Anmerkungen eines interessierten und besorgten Bürgers mit Common Sense mithilfe einer Reihe von allgemeinen Thesen zur Informationswissenschaft seinen Ansatz.
Der gewählte Weg ist zwar durchaus begrüßenswert ist, die Ausführung erscheint aber bereits an dieser Stelle aus folgenden Gründen problematisch:
- Die Selbstpositionierung als außenstehender Beobachter kann nicht überzeugen.
Er betont mit seiner erklärten „Bürger“-Rolle per Überschrift zwar eine klare Perspektive, verfälscht diese aber selbst wieder in der Ausführung des Textes. Es ist zudem nicht erkennbar, welche Position der Beitrag im informationswissenschaftlichen Diskurs spielen kann und soll.Dies ist dann unglücklich, wenn über die Kritik tatsächlich ein Einwirken auf die disziplinäre Praxis gewünscht ist. Wissenschaftliche Gemeinschaften sind überwiegend selbstorganisierend. Ein externer Text muss demnach erst über Mediatoren in den Diskurs der Gemeinschaft eingebracht werden, um eine Wirkung zu entfalten. Es bleibt offen, ob bzw. in welcher Form das mit diesem Text möglich ist. - Dies gilt umso mehr, da der Autor in seinem Einstieg wissenschaftstheoretisch zu argumentieren versucht, wenn er die Informationswissenschaft in die Kategorie der Geisteswissenschaften einordnet. Das ist generell zwar möglich, sollte aber, um als Aussage Bestand zu haben, eben doch von Willi Bredemeier nicht als einem besorgten Bürger, sondern Willi Bredemeier als einem Informationswissenschaftler vorgenommen werden.
- Die Begründung der These, die Informationswissenschaft sei eine Geisteswissenschaft, ist in der vorgenommenen Form wenig plausibel.
In meiner Kritik der Kritik gehe ich auf diese Aspekte näher ein. Dies bedeutet keinesfalls, dass die von Willi Bredemeier angesprochenen Probleme nicht vorliegen bzw. die Kritik an sich als nicht notwendig erachtet wird. Eher im Gegenteil. Aber gerade eine darauf gerichtete kritische Argumentationsführung wird nur dann zweckmäßig, wenn sie als Perspektive einen offenen Dialog aufweist. Dies scheint in Willi Bredemeiers Text aufgrund der nicht glücklichen Positionierung des Autors und der eindimensionalen Ausrichtung der Argumentation nicht zureichend gegeben.
Wissenschaft und Sichtbarkeit. Anschlussgedanken zu Eric W. Steinhauers Überlegungen zu Open Access und Wissenschaftsfreiheit
von Ben Kaden
Es war schon erstaunlich, mit welcher Intensität die öffentliche Diskussion um Urheberrecht, Open Access, um Autorenrechte und Wissenschaftsfreiheit in der Folge des Heidelberger Appells auf den Plan trat. Das diskursbasierte Aushandeln von Interessen ist die Grundlage jeder Entscheidungsfindung in unserem Gesellschaftsmodell. Je entgegengesetzter die Interessen sind, desto heftiger ist die zu erwartende Debatte. Nach der Ouvertüre in Form eines rhetorischen Feuerwerks besonders in der Tagespresse, in dem man von Internet-Raffkes (Henrik Werner, WELT), E-Bolschewismus (Jens Jessen, ZEIT), Interdisziplinaritätsfuror (Volker Gerhardt, FAZ) oder Geschäftsmodelljodlern (Roland Reuß, FAZ) lesen konnte, wird die Debatte mittlerweile im Rahmen des Dritten Korbs von nahezu allen Parteien erfreulich sachlich angegangen. (more…)
Pur oder püriert? Wissenschaftskommunikation zwischen Blog und Journalismus.
Ein Kommentar zu Lugger, Beatrice (2009): Die puren Stimmen der Wissenschaft. Blogs bringen eine neue Dynamik in Forschung und Medien. In: Gegenworte, H. 21, S. 26–29.
von Ben Kaden
Wissenschaftsblogs werden mitunter im Umfeld des „Science 2.0“, in das auch manchmal Open Access gezählt wird, gern als eine perspektivisch maßgeblich Variante der Wissenschaftskommunikation angesehen. Beim Bloggen gilt dies aktuell allerdings weniger für die traditionell formalisierte Wissenschaftskommunikation über Publikationen, mitunter für die informelle Kommunikation der Wissenschaftler untereinander und zumeist vor allem für etwas, was auch unter der Bezeichnung „Public Understanding of Science“ gefasst wird: Die Kommunikation zwischen Wissenschaft und der allgemeinen Öffentlichkeit.
Daneben existieren selbstverständlich auch Weblogs, die innerhalb einer Fachgemeinschaft ähnlich den Mailinglisten als Kommunikationswerkzeug genutzt werden, jedoch in geringerer Zahl (vgl. dazu auch hier). In der Regel erfüllen sie die Funktion einer koordinierenden Metakommunikation, die durchaus in den Bereich der informellen Wissenschaftskommunikation einzurechnen ist. (more…)
Die Verwechslung: Soziale Software und Massenmedien.
Anmerkungen und Anschlussgedanken zu Graff, Bernd (16.März 2009): Gezwitscher im Netz. Der Fall Winnenden und der Irrtum schneller Meldungen. In: Süddeutsche Zeitung, Ausgabe 62, 16.März 2009, S. 9.
von Ben Kaden
Die Debatte zur Kommunikationskultur erfährt momentan die mediale Beschleunigung, die die Beschleunigungskritiker voraussagen. Dabei mutet es an, also würden gerade diese Voraussagen wie ein Tritt auf das Gaspedal wirken. Gestern meldete sich in der Süddeutschen Zeitung Bernd Graff, mittlerweile wohl pensionierter Kulturredakteur bei der Süddeutschen Zeitung, zu Wort. Er bekam in der Vergangenheit schon manches Mal ordentlich Feuer für seine Internetskepsis, was die Vermutung man hätte es mit einem gebrannten Kind zu tun, nahe legt:
„Es ist eine lange Schmierschrift ohne ein einziges Argument, angefüllt mit Denkansätzen, die die intellektuelle Tiefe von Kevin Kuranyi haben. Wenn überhaupt.“ – so Handelsblatt-Blogger Thomas Knüwer im Jahr 2007 (link)
Der aktuelle Artikel enttäuscht glücklicherweise diese Erwartung, denn er ist fast zurückhaltend sachlich orientiert. Vielleicht liegt dies am ernsten Anlass: Den Amoklauf in Winnenden und die Verwendung des Microblogging-Dienstes Twitter nimmt Graff als Ausgangspunkt für seine Betrachtung. Allerdings ist dieser eher austauschbar, genauso wie das etwas eigenwillige Beispiel der ratlosen DDR-Bürger, die im Supermarkt des Jahres 1989 an „37 verschiedenen Toilettenreinigern“ verzweifeln. (more…)
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