LIBREAS.Library Ideas

LIBREAS als Schweigbügelhalter? Eine Position zur newLIS-Debatte.

Posted in LIBREAS aktuell, LIBREAS.Debatte, LIBREAS.Verein by Ben on 4. Juli 2012

von Ben Kaden

Wenn es um Open Access und Fachzeitschriften geht herrscht derzeit ein bisschen Spannung in der Branche. Die Diskussion um newLIS, also einer neuen Open-Access-Zeitschrift der Bibliothekswissenschaft bzw. des Bibliothekswesens bildet dafür den Bogen, der sich auch Richtung LIBREAS spannt, LIBREAS selbst aber, so mutmaßt mancher, nicht berührt. Allerdings bezieht man uns auch selten von Seiten der um newLIS Aktiven direkt ein und obschon im Berliner Bibliothekswissenschaftlichen Kolloquium vom 03.07. die Gelegenheit sehr günstig war, blieb es dabei, dass wir mehr aus der Ferne beobachtet wurden. Warum dem so ist, sollte sicher auch einmal diskutiert werden, denn eigentlich verstehen wir uns schon dergestalt als inklusiv, dass wir auch für diese Debatten offen sind.

Nun findet sich heute hier im Weblog eine Aussage Walther Umstätters, die ein wenig das Problem anspricht:

Die Frage ist ja nicht, welchen Stellenwert Libreas momentan hat, sondern welche Ausbaufaehigkeit sie mitbringt. Dazu gibt es gerade eine Diskussion, die man substantiell anreicher koennte, anstatt sie nur unbegruendet abzubuegeln.

Darauf gehe ich selbstverständlich sehr gern ein und auch wenn die Meinungen innerhalb der Redaktion in dieser Sache ausnahmsweise nicht weit auseinander gehen, möchte ich betonen, dass ich die nachstehende Erörterung des Vorwurfs eine persönliche ist. 

Lieber Herr Umstätter,

wenn ich Sie recht verstehe, bedauern Sie ein gewisse Zurückhaltung seitens LIBREAS in der newLIS-Diskussion bzw. dass wir diese Debatte – in ihren Worten – unbegründet abbügeln? Das tun wir ganz sicher nicht, nur erscheint sie uns weniger als das heiße Eisen, als das sie derzeit bisweilen behandelt wird. Die Folien zum Vortrag im Berliner Bibliothekswissenschaftlichen Kolloquium weisen dahingehend für sich genommen zugegeben nur sehr begrenzte Aussagekraft auf.

Dafür haben wir den überwiegenden Teil der Diskussionszeit am Dienstag auf die Frage ausgerichtet, ob und in welcher Form die deutsche Bibliotheks- und Informationswissenschaft ein neues Open-Access-Journal benötigt. Die Tendenz war, soweit ich sie am Tag danach richtig erinnere:
(1) dass dem nicht so ist,
(2) dass das Medium „Zeitschrift“ im zeitgenössischen elektronischen Kontext eher wenig innovativ ist und man vielleicht doch andere Formen der Diskursabbildung in Betracht ziehen sollte,
(3) dass die deutsche bzw. deutschsprachige Fachwelt nicht die Ressourcen und Größe besitzt, um eine solche Zeitschrift zu füllen und
(4) dass die Verbandstitel IWP und Bibliotheksdienst ohnehin die Zielgruppe der Verbandsmitglieder weitgehend erreichen, der Wechsel zu De Gruyter also für den deutschen Fachdiskurs bestenfalls eine Verstauchung jedoch kein eigentlicher Beinbruch ist.
Und dass (5) eine Internationalisierung besonders im europäischen Rahmen sinnvoll und wünschenswert, möglicherweise sogar als notwendig erscheint.

Selbstredend ist die Diskussion als Metadiskurs richtig und gut. Wir greifen sie gern selbst als Thema in LIBREAS auf. Die Hauptfrage für jedes Unterfangen dieser Art bleibt jedoch: Wer macht’s? Und zwar praktisch. Wer koordiniert die Redaktionsarbeit, wer kümmert sich um die Autorenbetreuung (und um die der Reviewer), wer dokumentiert die Zitatstellen und wer bestellt und verwaltet die Rezensionsexemplare? Und wer schreibt die Beiträge?  Wer redigiert die Beiträge? Und auch: Wer liest die Beiträge, diskutiert, zitiert sie und führt damit den Diskurs fort?

Die Erfahrungen aus LIBREAS zeigen, dass man schon mit einigem Enthusiasmus und Durchhaltevermögen sowie gut ausgeprägter Resilienz in so eine Sache einsteigen sollte, wenn man vorhat 20 oder 21 Ausgaben zu produzieren.

Wenn newLIS tatsächlich der Übergang von der theoretischen Ideensammlung in Etherpad und Wiki hin zur praktischen Publikation gelingt, dann betrachten und begrüßen wir dies mit mehr als Sympathie, leidet doch der hiesige Diskurs häufig im übertragenen Sinn etwas an der zweiten offiziellen Bedeutung von LIS (=Locked-in-Syndrome).
Eine neue Zeitschrift könnte im besten Fall eine weitere Vitalisierung bedeuten. Im schlechtesten Fall könnte sie die Ressourcen, die für die übergreifende Diskursorganisation zur Verfügung stehen, weiter zersplittern.

Eine mögliche Konkurrenzsituation zwischen LIBREAS und einer Zeitschrift für Bibliothekswesen und Informationsmanagement (ZfBI) sehe ich an keiner Stelle. Was uns selbst ein wenig Skepsis in die Betrachtung der Entwicklung legt, ist, dass die aktuelle Diskussion schon mehrere Vorläufer besitzt, die alle in einem gewissen Kreis, nie jedoch in einem konkreten Produkt endeten. So erinnere ich mich, dass wir bereits um 2001 die Idee einer solchen „Zeitschrift für Bibliothekswissenschaft“ in der Dorotheenstraße hatten, aufgriffen und alsbald wieder verwarfen. Aber ich wünsche mir natürlich, dass es diesmal unsere Skepsis ist, die ins Leere läuft.

Die Idee, im Rahmen (oder auch außerhalb) von LIBREAS eine Referatezeitschrift der Bibliotheks- und Informationswissenschaft zu entwickeln, bleibt mir übrigens stabil präsent, auch wenn sie hier in der Umsetzung bislang sehr willkürlich erscheinen muss. Denn auch hier fehlt es an Ressourcen, die beispielsweise die einschlägigen Fachreferenten an deutschen Bibliotheken zu einer regelmäßigen Beitragstätigkeit motivieren könnten.

Insofern bin ich ganz bei Ihrer Stellungnahme in der inetbib und also der Bündelung von Energien bei LIBREAS als einer durchaus eingeführten Marke, die übrigens weitaus mehr als die Zeitschrift einschließt. LIBREAS ist unbedingt für die Integration weiterer Facetten, Themen und Technologien offen und unterstützt Ideen in der Regel nach Kräften. Was wir nicht leisten können, ist, die Umsetzung der Ideen der anderen mit unseren eigenen Ressourcen auf Zuruf anzugehen. Wenn es also heißt:

„Stattdessen kann man in ein und derselben Open Access Zeitschrift problemlos alle wichtigen Sektionen wie News, Personalia, Originalbeiträge, Bibliografisches (z.B. Magisterarbeiten, Disserationen), Referate, Stellenangebote etc. organisiert nebeneinander anbieten.“

dann streiche ich für LIBREAS unbedingt das Wort „problemlos“ und sage: Machen wir mit und zwar mit Freuden – sofern sich auch jemand in die Redaktion findet, der diese wichtigen Sektionen betreut.

Denn selbst setzen wir uns lieber mit anderen Aspekten als Personalien und Verbandsnachrichten auseinander. Worum es uns geht – und was wir am Dienstag auch betonten – ist die Fach- und Wissenschaftskommunikation an sich sowie in ihren mannigfaltigen Ausprägungen, Varianten und Verästelungen. LIBREAS ist auch ein Experimentiermedium. Sich am trägen Konzept der Zeitschrift festzuklammern erscheint mir vor diesem Horizont schlicht zu eindimensional.

Auch diese Annahme hätten wir gestern gern zur Diskussion gestellt und von treffenden Argumenten zerlegen lassen. Nur befand sich eben niemand, der die newLIS-Position vertrat, im Auditorium (bzw. meldete sich niemand auf die direkte Nachfrage ans Auditorium). Daher konnten wir nur LIBREAS positionieren, wobei für uns durchaus von Bedeutung ist, welchen Stellenwert das Kommunikationsmedium hat und wir uns darüber freuen, wenn wir (und Sie!) im Journal of Documentation oder bei First Monday zitiert werden. Wenn das als Kneifen vor oder Abbügeln der Diskussion gesehen wird, fühlen wir uns jedoch gründlich missverstanden. Man mag uns aber vielleicht nachsehen, dass wir uns lieber um LIBREAS als bestehende Publikationsplattform kümmern, als uns (zusätzlich) in Planung und Entwicklung eines neuen Forums zu stürzen.

Abgesehen davon stehen die Türen für jede Art von Austausch und Weiterentwicklung offen. Der LIBREAS e.V. wurde nicht zuletzt explizit mit dem Ziel gegründet, dies auch organisational in greifbareren Strukturen abzubilden. Unkonferenz und Summer School werden ohne Zweifel auch von dieser Debatte geprägt sein.

Wir freuen uns über jede Bewegung in der Bibliotheks- und Informationswissenschaft. Daher hoffe ich natürlich auch auf eine angeregte Diskussion zum Beispiel in Anschluss an die hier zusammengefassten Aussagen und verbleibe bis dahin mit besten Grüßen,

Ben Kaden

04.06.2012

9 Antworten

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  1. Karsten Schuldt said, on 4. Juli 2012 at 23:54

    Ich würde hier auch noch gerne einige Sachen betonen, wenn sich schon die Möglichkeit dazu bietet:
    (1) Die LIBREAS als Zeitschrift ist ein Projekt, dass neben der Arbeit gemacht wird. (Hier zum Beispiel um 01:45 Nachts) Dazu muss sie dann auch eine Zeitschrift sein, die mich interessiert, wenn ich dort in der Redaktion mitarbeite. Das tut sie, weil wir uns Freiheiten herausnehmen, Platz für abseitige Themen haben und von Zeit zu Zeit einen Diskurs pflegen, der vielleicht über die Köpfe einiger Kolleginnen und Kollegen hinausgeht (leider). Ich bin nicht der Überzeugung, dass diejenigen, die sich bislang an der Diskussion um die newLIS beteiligen, das auch gut finden. Vielleicht täusche ich mich, aber ich denke, wir reden über unterschiedliche Zeitschriftenprojekte: eine wilde, eine mehr traditionelle. Würde mich jemand für die Arbeit bezahlen, würde ich auch eine Zeitschrift machen, die ich persönlich eher langweilig finde, aber so wie es jetzt ist denke ich, dass es nicht schlecht ist, wenn sich zwei Zeitschriften nebeneinander entwickeln und nicht zusammen gezwungen wird, was nicht unbedingt zusammen gezwungen werden muss. Dass soll gar nichts gegen die Kolleginnen und Kollegen der potentiellen newLIS sagen. Ich sehe schon den Sinn einer solchen Zeitschrift und finde es sympatisch, statt sich einfach nur über die Entscheidung zum Bibliotheksdienst aufzuregen, ein neues Projekt zu planen. Ich fände eine solche Zeitschrift nur nicht spannend genug, um darin Arbeit hineinzustecken. (Wie ich im Blog der Churer Informationswissenschaft schon schrieb, sind wir uns auch in Chur nicht ganz sicher. Wir beobachten das Projekt mit Interesse und Zuneigung, aber was genau es werden wird… mal sehen.)
    (2) In einer internen Diskussion wurde darauf hingewiesen, dass das Hauptproblem darin besteht, Autorinnen und Autoren zu gewinnen. das ist vollkommen richtig. Schauen wir doch einfach mal wer, was in unserem Bereich publiziert. Wer soll denn eine newLIS mit Inhalt bestücken? Mir scheint gerade das in den newLIS-Debatten nicht thematisiert zu werden, obgleich viele der Beteiligten eigentlich wissen müssen, wie das so ist mit dem Schreiben. Ich sage nur plan3t.
    (3) Falls aber, was ich hoffe, newLIS dieses Problem überwindet, würde ich das als grosse Bereicherung ansehen. Das wird Diskussionen und somit Professionalisierung ermöglichen. Ich hab auch jetzt schon Werbung gemacht bei anderen, denen die LIBREAS vielleicht zu überdreht ist, sich bei der newLIS einzuklinken. Falls irgendjemand bei der LIBREAS eine negative Haltung gegen die newLIS vermuten sollte: Die gibt es nicht. Wirklich.
    (4) Deswegen aber ist mir nicht klar, warum die LIBREAS sich an einer Debatte um das newLIS beteiligen sollte. Wir wollen niemandem ein Projekt aufzwingen oder gleich von vorneherein sagen: „Haben wir schon versucht, klappt nicht.“ Falls es Fragen gibt, wissen die Beteiligten am newLIS, wie sie diese stellen können. Aber jede andere Äusserung scheint mir überflüssig. Die LIBREAS ist eine OA Zeitschrift, aber sie ist kein Modell, dem andere folgen müssten. Alle haben die gleichen Rechte auf’s Ausprobieren.
    (5) Referatezeitschrift etc. ist ja alles dufte, aber auch das muss jemand tun. Vielleicht kommt newLIS am Ende auf die Idee, dass sie genau so etwas sein will. Ich persönlich habe aber den Eindruck, dass Prof. Umstätter davon ausgeht, dass wissenschaftshistorisch eine Wissenschaft ab einer gewissen Grösse eine Referatezeitschrift hervorgebracht hat und das dies auch in der LIS an der Zeit wäre. Ob das so stimmt, weiss ich nicht. Aber eines: Die Leute, die eine Referatezeitschrift machen, müssen das auch machen wollen. Das lässt sich nicht mit dem Verweis auflösen, dass die Zeitschrift notwendig wäre, weil es ähnliche auch in anderen Forschungsdisziplinen gibt. Ben Kaden hat das schon angesprochen, aber ich kann mich auch wiederholen: Die LIBREAS wird nebenher gemacht. Das macht schon Spass, in Berlin und anderswo rumzuchillen und gleichzeitig sehr wissenschaftlich zu sein. Das kann ich mir für mich persönlich (!) bei einer Referatezeitschrift nicht vorstellen. Wenn die These von der Referatezeitschrift stimmt, dann muss jemand anders auftreten und eine solche Publikation (es muss ja gar keine Zeitschrift sein) produzieren, eventuell auch eine Fachgesellschaft.

  2. Jakob (@nichtich) said, on 5. Juli 2012 at 07:52

    Ich frage mich gerade, warum Libreas nicht bereits die Antwort auf die im Rahmen von #newLIS geforderte Frage nach einer OA-Zeitschrift für das Bibliothekswesen ist. Vermutlich ist es das Fehlen einer konkreten Zielgruppe, der es Libreas ermöglicht im Experimentierstatus zu verbleiben. Die konkrete Zielgruppe konnte ich aber auch in der #newLIS-Diskussion nicht finden. Hat man sich dann erstmal auf eine Zielgruppe festgelegt, gilt es deren Bedürfnisse und Erwartungen zu erfüllen. Das macht dann vermutlich weniger Spaß als frei zu experimentieren. Ich denke hier vor allem an die scheinbaren Nebensächlichkeiten Marketing und Usability. Warum gibt es von Libreas keine professionell gestaltete Druckausgabe zum Abonnieren (nein, mittelmäßig gestaltete PDF-Versionen der einzelnen Artikel sind keine Druckausgabe), keine ePub-Version, keine Ausgabe in iTunes u.A. Vertriebskanälen? Es hat sich halt bislang niemand um diese Tätigkeiten, die ich von einem Verlag erwarten würde, gekümmert. Ohne diese Tätigkeiten, bleibt der Leser und Autorenkreis allerdings zwangsläufig unter den Möglichkeiten zurück. Dass bei anderen Zeitschriften Closed Access gefahren wird, statt einen Verlag nur für die Dienstleistungen zu bezahlen, die nicht (genügend) von Freiwilligen übernommen werden, ist ein anderes Thema.

  3. W. Umstaetter said, on 5. Juli 2012 at 08:21

    Lieber Herr Kaden, Lieber Herr Schuldt,

    leider war es mir nicht möglich am Dienstag bei der Diskussion dabei zu sein, sonst wäre das folgende Missverständnis nicht aufgetreten. Ich bedauere nicht die „Zurückhaltung seitens LIBREAS in der newLIS-Diskussion“, sondern eher die Geringschätzung von Dr. Graf., dessen Beitrag gerade in die Diskussion eingebracht wurde, auf die ich mich ja direkt bezog. Sein Versuch der Diskriminierung als „studentische Zeitschrift“, konnte nicht unwidersprochen bleiben. Welchen Rang sich LIBREAS letztendlich im Laufe der Zeit erworben hat bzw. noch erwirbt ist eine Frage der darin enthaltenen Beiträge. Die Qualität dieser Beiträge in Zeitschriften ist weniger eine Frage des „Peer Reviewing“ als der beitragenden Autoren, wie ja eine Diskussion bei LIBREAS kürzlich deutlich machte. Die Zahl der Beiträge ist allerdings ein wichtiger Teil der Herausgeberarbeit, weil sie diese Beiträge anlocken und inkorporieren müssen.

    Zeitschriften mit hohem Impact Factor sind auch Zeitschriften mit vielen Beiträgen ( „Der IF steigt mit der Auflagenhöhe von Zeitschriften, wenn diese bereits einen höheren IF aufweisen“ Dissertation H. Nourmohammadi )

    Dass die LIBREAS „nebenher gemacht“ wird, und dass das eine erhebliche zeitliche Belastung ist, ist natürlich auch mir bekannt. Im Prinzip werden fast alle Fachzeitschriften von den Wissenschaftlern des Faches „nebenher gemacht“. Nur die Verleger müssen ihr Geld meist aus Reklame bzw. den Abbos verdienen. Darum gibt es ja auch jeweils zwei Gruppen von Fachleuten, die einen, die die Wissenschaft voranzutreiben versuchen und zum Publikationsaufkommen beitragen wollen, und die anderen die nur rezipieren.

    Wenn man allerdings das Publizieren eines Wissenschaftlers mit zu seinen Aufgaben zählt, dann ist das kein „nebenher“ mehr und darum werden Wissenschaftler normalerweise für ihre Publikationen auch nicht extra bezahlt. Für sie gilt das alte publish or perish.

    Zur Zeit beobachte ich eine zunehmende Zersplitterung der Diskussionsforen, weil wir den Wechsel von den gedruckten zu den elektronischen Zeitschriften erleben. Natürlich ist es eine alte Erfahrung, dass sich zahllose Mitglieder einer jeden Communitiy profilieren z.T. auch nur auffallen wollen, warum es schon seit Jahrhunderten immer zu viele Zeitschriftengründungen gab, von denen etwa die Hälfte wieder einging, was im übrigen fälschlich als „Zeitschriftensterben“ interpretiert wurde. Dass die andere Hälfte der Zeitschriften überlebte und wir seit Jahrhunderten ein konstantes Wachstum von 3,5% /J hatten wurde dabei übersehen. Auch die Tageszeitungen entdecken nun, dass digitale Zeitungen mehr können als die gedruckten. Dazu gehört auch die rege Diskussion von Beiträgen.

    Für LIBREAS geht es aus meiner Sicht auch um das Überleben, während die Community vielschichtig über eine Neugründung fabuliert. Deren Überlebenswahrscheinlichkeit (bzw. Geburt) ist allerdings noch geringer. Ich denke, LIBREAS ist auf einem guten Weg und hatte zumindest bisher eine gute Unterstützung durch das Institut für Bibliotheks- und Informationswissenschaft, ohne zu große Einflussnahme dessen. Dass viele potentielle Mitarbeiter der LIS-Community lieber darüber nachdenken eine eigene Zeitschrift, eigene Diskussionsforen etc. einzurichten ist ein ganz normaler Wettbewerb um Anerkennung und Einflussnahme.

    Dass es zu wenig Beiträge in der LIS-Community gibt, bezweifle ich, ist aber eine Frage der Qualität. Sehr gute Aufsätze gibt es immer zu wenig, aber oft zeigt sich erst nach Jahren wie gut bzw. schlecht manche Beiträge waren. Darum ist ja das Peer Reviewing u.a. so untauglich.

    Ich halte LIBREAS weiterhin für eine gute Basis für eine zentrale Open Access-Zeitschrift im LIS-Bereich. Übrigens sieht man auch bei Password sehr schön die Bestrebung mit immer mehr freien Mitarbeitern ein Diskussionszentrum zu sein.

    Das Problem ist, sobald eine Zeitschrift sich über Reklame finanziert um ihre Herausgeber zu bezahlen, wird sie mehr oder minder käuflich und die Peer Reviewer müssen Aufsätze stoppen, die mit der Reklame kollidieren.

    Die bisherige LIBREAS-Redaktion kann nur neue Mitarbeiter gewinnen, wenn sie damit auch eigene Einflussnahme abgibt. Das war aber schon bei der Gründung von LIBREAS klar, dass jeder Mitarbeiter seinen Idealismus nur entwickelt, wenn man ihm auch die Entfaltungsmöglichkeit gibt. Rechte und Pflichten müssen ausgewogen sein. Viele Mensch wünschen sich aber mehr Rechte als Pflichten – auch bei der Herausgabe einer Zeitschrift, darum muss mit newLIS gerechnet werden 😉

    Mit freundlichen Grüßen

    Walther Umstätter

    • Ben said, on 5. Juli 2012 at 10:11

      Lieber Herr Umstätter,

      haben Sie besten Dank für die Klarstellung.

      Ich halte es aus sachlichen Gründen für geboten, darauf hinzuweisen, dass das Statement von Klaus Graf aus dem Jahr 2010 ist und er es mittlerweile selbst öffentlich relativierte (in der Diskussion zum Schlachten Heiliger Kühe). Im Vortrag diente es uns vor allem als Pointe zum Einstieg. Ich bin nicht einmal sicher, ob „studentisch“ an sich eine Abwertung sein muss, auch wenn der Kontext der zitierten inetbib-Stellungnahme natürlich auf eine pejorative Verwendung schließen lässt. Für das 2012 ist die Zuschreibung allein faktisch völlig verkehrt, da sich derzeit keine Studierenden im Redaktionsteam befinden. Was wir übrigens nur zu gern wieder geändert sähen, denn gerade in dieser Gruppe finden sich erfahrungsgemäß hoch innovative Querdenker.

      Darauf, wo man uns möglicherweise in einem wie auch immer gearteten Ranking bibliothekswissenschaftlicher oder bibliothekarischer Fachorgane einordnet, können und wollen wir wenig Rücksicht nehmen, zumal wenn es auf einem Einzelurteil aus persönlicher Wahrnehmung beruht. Klaus Grafs Einsortierung läuft für uns vor allem unter dem Sigel „freie Meinungsäußerung“, ist auch interessant und wichtig, beschleunigt unseren Herzschlag aber ansonsten wenig.

      Mit bestem Gruß,

      Ben Kaden

      P.S. Mich freut übrigens sehr, wie wir hier gerade die wissenschaftliche Urtextform des (öffentlichen) Gelehrtenbriefwechsels, der auch den Kern von Mailinglisten bilden kann, konkret in digitaler Form ausleben…

  4. […] ist meine persönliche Replik auf euren Beitrag und die dazugehörige Diskussion. Vorab: Ben, ich wäre gerne zum BBK gekommen und habe dafür auch […]

  5. W. Umstaetter said, on 8. Juli 2012 at 11:36

    Hinsichtlich des Wortes „problemlos“ muss ich noch klarstellen. Es bezog sich auf „ein und derselben Open Access Zeitschrift“ und nicht darauf, dass man dafür natürlich genügend Mitstreiter brauch, die oft sehr divergente Interessen bei der Mitarbeit haben. Dass es sie in ausreichender Zahl gibt, steht für mich außer Zweifel, wie weit viele von ihnen sich mehr Einflussnahme erhoffen, als sie an Zeit und Arbeit bereit sind einzubringen, ist eine andere Frage.

    Es sei aber daran erinnert, dass bei den alten gedruckten Zeitschriften das Verfassen von Texten noch aufwendiger war, jede Seite Papier Geld kostete, jede Seite Papier Porto kostete, dieses Papier verwaltet, in Regalen aufbewahrt und buchbinderisch verarbeitet werden musste. Kurzum, die Verleger waren die direkten oder indirekten Gatekeeper beim Publikationsaufkommen. Das führte ja auch dazu, dass man den Bekanntheitsgrad eines Wissenschaftlers in erster Näherung an seiner Zahl an Publikationen erkennen konnte. Mit dieser veralteten Vorstellung des Publizierens versuchen auch heute noch viele wissenschaftlichen Einrichtungen zu arbeiten. Wobei sie durchaus erkannt haben, dass das immer weniger tragfähig ist, und darum neben der Zahl der Publikationen auch auf den Impact Factor der Zeitschriftten achten. Dass das trotzdem längst obsolet ist, haben sie noch immer nicht bemerkt. Dass ist nicht verwunderlich, wenn man sich daran erinnert, wie lange es insbesondere in Deutschland gebraucht hat, bis die Wissenschaft die Bedeutung des Science Citation Index zur kenntnis nahm. Nun, nachdem sie es endlich begriffen hat, ist aber die Bedeutung des Web of Science weit aus geringer, als es der SCI einst war.

    Wir haben zunehmend wichtige Publikationen im Internet, die in keiner der alten Fachzeitschriften erscheinen. Trotzdem ist es dringend notwendig, dass sich die alten invisible colleges wieder in attraktiven Open Access Zeitschriften zusammenfinden, damit z.B. eine Bibliotheks- und Informationswissenschaftliche Community wieder eine möglichst gemeinsame Agora findet. Nicht weniger wichtig wäre es ein gemeinsames Digitales Lehr- und Handbuch des bibliotheks- und Informationswesens (DLHBIW) zu haben, bei dem sich Laien und Fachleute leicht unterscheiden lassen, in dem man sieht, wer dieses Buch studiert hat und wer nicht. Das Bemühungen auf diesem Gebiet bisher relativ erfolglos waren (wenn man von den einzelnen gedruckten existenten Lehrbüchern absieht) ist bekannt.

    Walther Umstätter

  6. […] Libreas Weblog (wahrscheinlich unfreiwillig eines der Instanzen von #newLIS) haben Ben Kaden und Karsten Schuldt eine zwischen ihnen geführte Debatte zu folgender […]

  7. […] OA-Debatte im Bibliothekswesen geht weiter, diesmal im Libreas-Blog. Sollte man einfach diese, bestehende Online-OA-Zeitschrift “Libreas” ausbauen oder […]

  8. […] Ben Kaden (2012) LIBREAS als Schweigbügelhalter? Eine Position zur newLIS-Debatte. In: LIBREAS. Weblog. 04.07.2014. https://libreas.wordpress.com/2012/07/04/libreas-als-schweigbugelhalter-eine-position-zur-newlis-deba… […]


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