Utopie und Praxis. Anmerkungen zur Digital Public Library of America.
von Ben Kaden
Am Anfang steht in gewisser Weise ein Remix, was gut passt, sind doch die USA per se so etwas wie eine grundständige Remixkultur. In zwei nahezu mythischen Bausteinen des Selbstverständnisses der USA verankerte Robert Darnton die Idee der Digital Public Library of America (DPLA, www.dp.la). Erstens in dem Streben nach einer an den Ideen der Aufklärung ausgerichteten Utopie, also einer zukünftigen und besseren Welt, die zugleich mit diversen religiösen Strängen, Zwängen und Ethiken durchsetzt wurden. Und zweitens in einer pragmatischen Einstellung, die die Tat höher schätzt als den Diskurs, was sich vielleicht auch in einer Gegenüberstellung des administrativen Apparats von Europeana und DPLA ablesen lässt und ziemlich präzis die Differenz zwischen der alten und der neuen Welt sichtbar macht.
In gewisser Weise führt Darnton das Beste aus beiden Welten in dem Motto „Think big, begin small” zusammen. Und dies vor allem schnell. Von der Idee zur Plattform mit zwei Millionen Objekten in zweieinhalb Jahren ist fraglos ein bemerkenswertes Tempo. Dokumentiert sind diese Zwischenschritte in einigen Aufsätzen vor allem in der New York Review of Books, die sich mittlerweile in gewisser Weise als ein Making-Of lesen lassen und in der aktuellen Ausgabe noch einen vorläufigen Endpunkt finden. (vgl. z.B. Darnton, 2010, 2011a, 2011b, 2013 bzw. auch Kaden, 2011)
Wobei die nackte Taktung noch nichts über die Qualtität aussagt. Die Deutsche Digitale Bibliothek brauchte auch kaum drei Jahre von der Erstankündigung bis zur Freigabe des BETA-Portals. Andererseits begann die DPLA fast als eine Art Liebhaberprojekt, also durch private Initiative. Vergleiche zwischen US-, europäischen und deutschen Projekten dürften allerdings insgesamt notwendig unfair sein, denn zu unterschiedlich sind die Erstellungskontexte von urheberrechtsräumlichen bis hin zu förderpolitischen Aspekten. Dessen ungeachtet muss man Darnton und seinen Mitstreitern Respekt zollen, wenn sie ein kerneuropäisches Bildungsideal in eine rasant umgesetzte und weitgehend funktionierende Lösung gießen. Wobei die DPLA wir wie sie heute antreffen tatsächlich erst der kleine Anfang sein soll. Und die Begrenzung auf die USA müsste sich genau genommen von selbst auslösen, sind Land und Kultur nicht nur historisch ohne die vielfältigen Verbindungslinien zu europäischen, afrikanischen und asiatischen Kulturen nicht vorstellbar.
Darnton ist weltgewandt genug, um dies zu sehen, denn wie kaum einer seiner Landsleute kennt sich der Historiker aus eigener Anschauung auch mit den Bedingungen der europäischen Wissenschaft und aus eigener Forschung mit den Prinzipien der Aufklärung und also dem Frankreich des 18. Jahrhunderts aus. Außerdem hat es sicher einen Grund, dass die Interoperabilität mit Europeana von Beginn an ein Ziel der Entwicklung ist. So existiert auch bereits eine App mit der sich DPLA und Europeana zugleich durchsuchen lassen (http://www.digibis.com/dpla-europeana). Das Signal der Koexistenz statt Konkurrenz dürfte damit schon gesetzt sein.Es ist mehr als bemerkenswert, wie Darnton es (nicht zuletzt mit unermüdlicher Lobby-Arbeit) nach seiner Emeritierung unternimmt, die von ihm beforschte Idee der Aufklärung in eine konkrete Anwendung zu gießen. Ein Enzyklopädist muss und kann er nicht mehr werden. In dieser Weise waren ihm Jimmy Wales und Larry Singer mit der Wikipedia ein Jahrzehnt voraus.
Die DPLA verkörpert (falls das Wort „verkörpert” auf immaterialle Kontexte anwendbar ist) jedoch etwas viel Offeneres und daher möglicherweise viel Größeres. Auch sie verwirklicht eine in Analogkulturen gewachsene Idee mit der Hilfe neuer Technologien in einem virtuellen Raum. Steht die Wikipedia für die offene, aber streng an Faktualitäten rückgebundene Dokumentation des Bekannten, so steht hinter der DPLA das Drängen hin zu einer ungehinderten Zirkulation der Ideen. Nicht die Datenbank, sondern der öffentliche diskursive Fluss ist die Zieladresse dieses Konzeptes, wobei Darnton sich beim Begriff der Öffentlichkeit eher unentschieden zwischen Michel Foucault und Jürgen Habermas hielt und sich am Ende eher zu Gabriel Tarde hingezogen fühlte. (vgl. Darnton (2002), S.11f.)
Medientheoretisch zeigt sich Darnton erwartungsgemäß auf der Höhe der Zeit, denn dem von ihm gesteckten Ziel der Diffusion von Ideen kam die Drucktechnologie zwar sehr entgegen, zugleich besaß sie jedoch ihre Schwachstellen bezüglich der Reichweite, die erst mit den elektronischen Massenmedien gemindert und – so die Hoffnung – mit dem Internet weitgehend ausgeglichen werden können:
„We have the technological and economic ressources to make all the collections of all our libraries accessible to all our fellow citizens – and to everyone everywhere with access to the World Wide Web. That is the misson of the DPLA.” (S. 4)
Dass die winzige Bedingung „access to the World Wide Web” der zentralen Hürde der Streuung von Printprodukten („low rate of literacy”, „high degree of poverty”) nicht unbedingt entbehrt, weiß Robert Darnton vermutlich auch, reflektiert dies aber im vorliegenden Text nicht weiter. Ein blinder Fleck? Ein trüber vielleicht. Der Digital Divide mag in den USA bei einer Internetversorgung von nahe 80 % der Bevölkerung (Warf, 2013) überschaubar sein, aber ist dennoch nach wie vor gegeben. (ebd.)
Und auch die Idee, dass die derzeitigen Ideen- und Wissenskulturen nicht zwangsläufig in Bibliotheksbeständen repräsentiert werden – die Born-Digital-Materialien spielen in diesen bisher bestenfalls eine Nebenrolle. Den einigermaßen profanen Grund dafür benannte Robert Darnton in einer Replik auf eine entsprechende Anmerkung durch Joseph Raben: „I emphasized written texts, because we face a problem of feasibility.” (vgl. Raben, Darnton 2010)
Er schließt jedoch an derselben Stelle diese Materialien als unbedingt relevant in die Planungen für die DPLA ein. Wenn man schließlich in die aktuellen Materialien hineinbrowst, findet man entgegen der Vermutung überraschend (und bei zweiten Gedanken auch aus offensichtlichen Gründen) viel Archivgut und eine Menge sehr heterogenen Materials, das direkt von archive.org eingebunden wird.
Eine Ursache der forcierten Bibliotheksbestandlastigkeit dürfte neben der grundsätzlichen Anbindung an das Bibliothekswesen der USA aber auch darin zu suchen sein, dass die DPLA eine Art direkte Reaktion auf das Google Books Project war. Der Traum einer kompletten Bestandsdigitalisierung existierte schon bevor es Google gab, aber erst die Alpha-Suchmaschine koppelte die entsprechenden Ressourcen mit dieser Vision und dies mit einer Überbetonung der uramerikanischen Handlungsprämisse. „Am Anfang war die Tat”, die das Projekt schließlich mit einigem Bohei an die gläserne Wand des Copyright Law donnern ließ. Darnton betont, dass es sich bei der DPLA nicht um eine Ersatzveranstaltung zum Google Books Project handelt, dass sie freilich durchaus durch dieses inspiriert wurde. (vgl. dazu auch Darnton, 2011a) Und dass Google als Partner nach wie vor gern gesehen wird.
Rein strukturell ist die DPLA eine verteilte Rechnerarchitektur mit einem zentralen Portal und tatsächlich erinnert einiges in der Beschreibung an die Europeana. Die Plattform greift zunächst auf vorhandene Digitalisate Anderer zurück, wobei dieser Bestand buchstäblich beständig erweitert werden soll, bis man von einer National Digital Library sprechen kann. Nicht nur deshalb ist es sicher auch für die DDB hochinteressant zu sehen, wie sich dieser Anspruch realisiert, wie die Koordination der zahlreichen „Content“ und „Service Hubs“ in der föderalen Struktur der USA funktioniert („forty states have digital libraries“) und welche Stolperdrähte sich erkennen lassen.
Die Leitplanken der Entwicklung der DPLA sind derzeit pekuniärer und urheberrechtlicher Natur: Die Sammlung “will grow organically as far as the budget and copyright laws permit.” Dass sich die Unternehmung als nachhaltig erweist, hängt besonders am Parameter „Geld“. Ein Großteil der Akutarbeit im DPLA-Umfeld wird daher unvermeidlich auf die Akquise von Mitteln zielen. Die üppige Präsenz von Stiftungen in den USA als Adressaten ist der Hauptansatzpunkt, der bereits allein deshalb aussichtsreich ist, weil bereits die Entwicklung der DPLA bis heute bereits zu großen Teilen über diese Kanäle finanziert wurde. Darnton hofft zudem auf die prinzipiell naheliegende Einbindung der Library of Congress in das Projekt, was ein maßgebliches Signal an mögliche Geldgeber sein dürfte.
Am Problemfeld Copyright wird dies vermutlich wenig ändern. Darnton führt aus, wie die derzeitigen rechtlichen Regelungen die Verfügbarmachung von Beständen auf Publikationszeiträume beschränken, welche vor der Prämisse eines Flusses von Ideen vorrangig für eine neohistorisierende Rückbesinnung geeignet sein könnten (die Grenze liegt in der Regel im Jahr 1923), den intellektuellen Esprit selbst der Blüte der goldenen Zwanziger allerdings heute noch nicht digital sichtbar werden lassen. (zum Aspekt des Urheberrechts sh. u.a. auch Dotzauer, 2013) Und auch sonst gilt, was Jeff John Roberts zum Start des Portals notierte:
„While the DPLA is a beautiful and important endeavor, it also feels woefully incomplete.” (Roberts, 2013)
Setzt man mit den Zielen etwas greifbarer an, dann finden sich bereits jetzt Einsatzfelder, die mutmaßlich vor allem im kuratorischen Bereich liegen werden. Das durch Neugier getriebene Stöbern und Entdecken aus Freude ist sicher eine Weile ersprießlich, bleibt aber dauerhaft nur reizvoll, wenn es sich relevant an eine entsprechende Arbeit mit dem Material anbinden lässt. Vermutlich wird dieser Aspekt bei der DPLA nur eine nachgeordnete Rolle spielen können.
Aus wissenschaftlicher Sicht, also vor der Prämisse einer erschöpfenden Materialsichtung, ist die Nutzung der DPLA-Bestände aufgrund der objektiv existierenden Lücken nur sehr eingeschränkt sinnvoll und die Fahrt zur Bibliothek oder ins Archiv wird auch zukünftig unerlässlicher Teil der Forschung bleiben.
Eine aufbereitete Vermittlung, Komposition und Kontextualisierung auf Grundlage der vorhandenen Bestände scheint dagegen etwas zu sein, was sich nahezu aufdrängt. Dass sowohl bei der DPLA wie auch der Europeana die Kulturvermittlung noch wichtiger als die Informationsbereitstellung ist, zeigt sich in gewisser Weise bereits in der Grundanlage.
Darnton betont weiterhin die Rolle der Einbindung der Bestände in die Lehre an den Colleges und auch wenn die Zahl der Studierenden, die sich länger mit digitalisierten Manuskripten von Emily Dickinson befassen, auf bestimmte Fachbereiche limitiert und daher übersichtlich bleibt, so deutet sich an diesem von ihm eingeführten Beispiel an, was die Sammlung zu leisten vermag:
„Teachers will be able to make selections form it and adjust them to the needs of their classes.” (S. 6)
Die DPLA kann so zur virtuellen Lernumgebung für die Geisteswissenschaften avancieren, braucht aber idealerweise entsprechende Werkzeuge zur digitalen Kuratierung. Dem Zeitgeist entsprechend bietet man dafür externen Entwicklern die Möglichkeit, APIs zu nutzen bzw. eigene Apps zu programmieren und in der App Library (der Terminus Library wird hier interessanterweise so verwendet, wie man es aus der Software-Entwicklung kennt und verzeichnet keine Bestände, sondern sozusagen Digital Library Applications) der Plattform zur Verfügung zu stellen. (vgl. zu den möglichen Erweiterungen u. a. Geuss, 2013)
Das Digital Humanities Zentrum der Havard University (metaLAB) bietet mit Library Observatory (http://www.libraryobservatory.org/ bzw. http://www.jessyurko.com/libob/) bereits ein Visualisierungswerkzeug für die DPLA an. Klar ist, dass man sich damit aktuell noch in der „begin small”-Phase befindet und das Angebot weit davon entfernt ist, wirklich als massentaugliches Produkt Teil der alltäglichen Informations- und/oder Kulturarbeit zu werden.
Darntons umfängliche Vorstellungen von der DPLA sollte man daher keinesfalls als Produktbeschreibungen, sondern differenziert als Perspektivlinie verstehen. Diese jedoch enthält deutlich eine ganze Reihe von Aspekten, die generell für die digitale Bibliotheksdienstleistungen bedeutsam sind. Digital Curation und das Hineinholen von Raum- und Objektkulturen in diese Umgebungen (wie es beispielsweise auch Projekte wie epidat angehen: http://steinheim-institut.de/cgi-bin/epidat) dürften zentrale Bauteile dieser mehr digitalen Kulturräume als digitale Bibliotheken sein.
Textmedien sind in diesem Kontext nur eine von diversen Bezugsgrößen für Bibliotheken. Zukünftig dürften alle Artefakte, die digitalisierbar sind und zu denen Metadaten erfasst und relationiert werden können, legitime Bestände digitaler Bibliotheken sein. Die damit verbundenen Herausforderungen sind zweifelsohne immens. Und sowohl die Europeana, die DDB und die DPLA in ihrer aktuellen Ausprägung zeigen, dass wir von diesem Eisberg der digitalen Erschließung von Kultur bestenfalls die Spitze sehen. Und auch die vermutlich erst aus erheblicher Entfernung.
(Berlin, 22.04.2013 / @bkaden)
Literatur:
Robert Darnton (2002) Poesie und Polizei. Öffentliche Meinung und Kommunikationsnetzwerke im Paris des 18. Jahrhunderts. Frankfurt/Main: Suhrkamp
Robert Darnton (2010) The Library: Three Jeremiads. In: New York Review of Books. Volume 57, Nummer 20. http://www.nybooks.com/articles/archives/2010/dec/23/library-three-jeremiads/?pagination=false
Robert Darnton (2011a) Google’s Loss: The Public’s Gain. In: New York Review of Books. Volume 58, Nummer 7. http://www.nybooks.com/articles/archives/2011/apr/28/googles-loss-publics-gain/?pagination=false
Robert Darnton (2011b) Jefferson’s Taper: A National Digital Library. In: New York Review of Books. Volume 58, Nummer 18. http://www.nybooks.com/articles/archives/2011/nov/24/jeffersons-taper-national-digital-library/?pagination=false
Robert Darnton (2013) The National Digital Public Library is Launched! In: New York Review of Books. Volume 60, Nummer 7, S.4-6. http://www.nybooks.com/articles/archives/2013/apr/25/national-digital-public-library-launched/
Georg Dotzauer (2013) Virtuelle Bibliotheken: Aller Welts Wissen. In: Tagesspiegel / tagesspiegel.de, 13.04.2013 http://www.tagesspiegel.de/kultur/digital-public-library-of-america-eroeffnet-virtuelle-bibliotheken-aller-welts-wissen/8059852.html
Megan Geuss (2013) The Digital Public Library of America: adding gravitas to your Internet search. In: ars technica. 21.04.2013, http://arstechnica.com/business/2013/04/the-digital-public-library-of-america-adding-gravitas-to-your-internet-search/
Ben Kaden (2011) Die Materialsammlung. Über Robert Darntons Zwischenbericht zur DPLA in der NY Review of Books. In: LIBREAS.Weblog, 05.12.2011. https://libreas.wordpress.com/2011/12/05/051211/
Joseph Raben, Robert Darnton (2010): Digital Democratic Vista. In: New York Review of Books, 25.11.2010 / http://www.nybooks.com/articles/archives/2010/dec/23/digital-democratic-vistas/
Jeff John Roberts (2013) America’s Digital Library launches — without a peep from Google. In: PaidContent.org. 19.04.2013 http://paidcontent.org/2013/04/19/americas-digital-library-launches-without-a-peep-from-google/
Barney Warf (2013) Contemporary Digital Divides in the United States. In:
Tijdschrift voor economische en sociale geografie. Volume 104, Ausgabe 1, S. 1–17, February 2013. DOI: 10.1111/j.1467-9663.2012.00720.x
Die Materialsammlung. Über Robert Darntons Zwischenbericht zur DPLA in der NY Review of Books.
von Ben Kaden
Einer der wissenschaftlichen Leitsätze, die das bibliothekswissenschaftliche Studium am Berliner Institut durchzogen, lautete, dass die USA Europa hinsichtlich der nahezu aller für dieses Fach relevanten Gesichtspunkte uneinholbare Jahre voraus sind. Nun scheint dieses Verständnis zu etwas Historischem zu werden und sich ein Stück weit umzukehren. Jedenfalls wenn man den Zwischenbericht von Robert Darnton zur Digital Public Library of America (DPLA) in der Ausgabe der New York Review of Books vom 24.11.2011 liest (Jefferson’s Taper: A National Digital Library. S. 23-25). Denn Darnton bringt für das Projekt nicht nur die Europeana als Vorbild ins Spiel. Sondern er sieht auch als eine Gefahr einer nationalen digitalen Bibliothek, die er mit Stefan Gradmann (IBI, Europeana), wohl ohne Absprache aber aus einem Gespür für den Zeitgeist, heraus teilt:
„But it [=a truly “public“ library for the entire country] also might alienate the public libraries that already exist, because of the danger that local authorities could cut the funding for their libraries on the erroneous pretext that the DPLA will provide their basic material.” (Darnton, 2011. S. 23f.)
Hier sind Europa und Amerika gleichauf: Die öffentliche Bibliothek bzw. die Public Library unten an der Ecke muss sich neu erfinden oder – so schlecht der Reim, so dräuend die Gefahr – wird verschwinden. Andreas Kilb zitierte nämlich Stefan Gradmann in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung einen Tag nach dem Erscheinen des Darnton-Beitrags mit einem ganz ähnlichen Ausblick:
„Für die traditionellen Bibliotheken, die ihre Nutzer immer noch Karteikarten durchforsten und Bestellzettel ausfüllen lassen, entsteht dadurch eine mächtige Konkurrenz. Aber auch die Digitalisierung ihrer Schätze birgt auf lange Sicht ein Existenzrisiko: Die kommunalen und nationalen Kulturpolitiker, die den Bibliotheksbetrieb aus ihren Kassen finanzieren, könnten versucht sein, jene Häuser, deren Kundschaft nur noch vom eigenen Bildschirm aus die Bestände nutzt, zu reinen Verteilerstellen für Digitalisate herunterzukürzen. Man müsse sich fragen, wie viele „partikulare Institutionen“ man in Zukunft noch brauche, erklärte der Informatikwissenschaftler [sic!] Stefan Gradmann vergangene Woche bei einer Tagung zur Zukunft des kulturellen Erbes in Berlin nicht ohne Besorgnis.“ (Andreas Kilb: Unsichtbare Vasen für die Menschheit. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 25.11.2011, S. 35)
In beiden Fällen werden die jeweiligen offiziellen Vertreter des breitenkulturellen Digitalisierungsansinnens damit nicht nur Jubel in der Bibliothekswelt für ihre Projekte auslösen. Andererseits überzeugte die Reduktion der Bibliothek auf die Rolle als Zugangsort zu Information noch nie. Die Frage ist nur, ob das die Träger auch so sehen. (more…)
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