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„Open Research Data – Open your data for research”. Notizen zur Netzwerkveranstaltung von Open-Access-Büro Berlin und digiS am 21.10.2019

Posted in Veranstaltungsberichte by maxiki on 31. Januar 2020

von Ben Kaden (@bkaden) & Maxi Kindling (@maxi_ki)

Die Netzwerkveranstaltung “Open Research Data – Open your data for research” wurde im Rahmen der International Open Access Week 2019 gemeinsam von Open-Access-Büro Berlin und digiS im Grimm-Zentrum der Humboldt-Universität zu Berlin veranstaltet. Sie war mit etwa 45 Teilnehmenden sehr gut besucht. Ziel der Veranstaltung war es, regionale und lokale Aktivitäten und Projekte in Berlin und Brandenburg mittels einer Posterpräsentation und durch Impuls-Beiträge sichtbar zu machen und die Akteure in einen Dialog zu bringen. Die Vernetzungsveranstaltung diente als Auftakt für eine Verstärkung der Aktivitäten des Berliner Open-Access-Büros im Themenfeld Forschungsdaten und damit einhergehend auch Kulturdaten. In der 2015 verabschiedeten Open-Access-Strategie für Berlin gehören Forschungsdaten und Kulturdaten neben wissenschaftlichen Textpublikationen zu den drei Schwerpunktthemen.

Forschungsdaten können prinzipiell alle Daten sein, die durch wissenschaftliche Tätigkeiten entstehen bzw. die für die wissenschaftliche Tätigkeit genutzt werden, so dass auch Kultur- und Verwaltungsdaten in den Call for Posters für die Veranstaltung eingeschlossen wurden:

“Es kann sich hierbei um Daten handeln, die im Forschungskontext entstanden sind, um Kulturdaten oder um Daten der öffentlichen Verwaltung, die für die Forschung von Interesse sein können. Die Datensammlungen sollten nach Möglichkeit alle Kriterien der Offenheit erfüllen: Finanziell, technisch und rechtlich uneingeschränkter Zugang sowie weitreichende Nutzungsmöglichkeiten.”

Eine erfreuliche thematische Breite von Aktivitäten und Projekten zu Forschungsdaten in Berlin und Brandenburg zeigte sich in der Sammlung von 15 Postern, die sowohl im Grimm-Zentrum präsentiert wurde als auch auf Zenodo veröffentlicht ist: Das Spektrum reicht vom “Berlin Open Data Portal” über offene Kulturdaten aus Brandenburger Museen bis hin zu Video- und Bilddaten aus wissenschaftlichen Projekten und Digitalisierungsmaßnahmen. Alle Poster der Sammlung „Open Research Data in Berlin und Brandenburg 2019“ können über Zenodo abgerufen werden.

Forschungsdaten sind traditionell nur begrenzt Teil des Publikationsoutputs in der Wissenschaft und als solche zudem in den Wissenschaftsdisziplinen und -feldern unterschiedlich weit verbreitet. Bereits die Datenveröffentlichung an sich ist oft eine Herausforderung für Forschende: Hier spielen datenschutzrechtliche oder ethische Bedenken ebenso eine Rolle wie fehlende Infrastrukturlösungen für eine adäquate Verbreitung oder die hohe technische Komplexität der Daten, die eine Beschreibung und Nachnutzung erschwert. Auch aus administrativer Sicht stellt die Frage “Wem gehören eigentlich die Daten?” Forschende vor Schwierigkeiten. Hinzu kommt, dass wir längst nicht mehr nur über die einfache Bereitstellung reden, sondern über verbindliche Qualitätsstandards sowie die Nachnutzbarkeit nach den Prinzipien der Offenheit und der FAIR-Prinzipien. Nicht zuletzt hängen Datenveröffentlichungen aber auch mit individuellen Motivationen und Bedenken sowie möglichen Anreizsystemen zusammen. Zugleich ist jedoch eine erhebliche Dynamik in diesem Bereich insbesondere auf der Nachfrageseite und damit auch eine Bedeutungsänderung für Forschungsdatenpublikationen in der Wahrnehmung wissenschaftlicher Tätigkeit festzustellen, wobei auch dies disziplinär sehr unterschiedlich ausgeprägt ist. “Anreize” (Incentives), die über die Vorgaben von Wissenschaftspolitik, Forschungsförderern und Institutionen zur Datenveröffentlichung hinausgehen, wurden im Rahmen der Netzwerkveranstaltung als zentrales Thema für Open Research Data adressiert. Neben einem Warm-Up, zu dem die Teilnehmenden sich untereinander über die Bedeutung von verschiedenen Anreizen für das Teilen von (Forschungs-)Daten austauschten, gab es vier Impuls-Beiträge.

 

Open Data LOM (Dr. Evgeny Bobrov, Open Data and Research Data Management Officer am QUEST Center des Berlin Institute of Health)

Evgeny Bobrov vom QUEST Center des Berlin Institute of Health präsentierte den neuen und wegweisenden Ansatz Open Data LOM für Forschende der Charité – Universitätsmedizin Berlin und des Max-Delbrück-Centrums für Molekulare Medizin (MDC). Dahinter steht das Setzen eines Anreizes für die offene Publikation von Originaldaten über die interne sogenannte “Leistungsorientierte Mittelvergabe” (LOM). Die Charité führt damit als erste medizinische Fakultät Open Data als Leistungsindikator ein. Offene Datenpublikationen, die in Zeitschriftenartikeln von AutorInnen der beiden Einrichtungen aus den Jahren 2017-2019 verknüpft sind, werden mit Zusatzmitteln belohnt. Ermittelt werden diese Publikationen mit Hilfe eines Text-Mining-Verfahrens, das zur Nachnutzung bereitgestellt wurde. Es setzt also die technische Auffindbarkeit der Daten voraus, d.h. die Textveröffentlichungen müssen um ein maschinenlesbares Supplement angereichert sein. Die Open Data LOM wird auch auf einem der Poster beschrieben. Die etwa 50 AutorInnen von knapp 100 aufgefundenen referenzierten Originaldatensätzen erhielten in dieser Phase des Vorhabens jeweils rund 1000 Euro. Neben den technischen Voraussetzungen ergeben sich für das Verfahren weitere Herausforderungen wie u. a. die Definition von Mindestkriterien, die eine Forschungsdatenbereitstellung erfüllen muss, damit entsprechend Zusatzmittel zuerkannt werden. Die Abwägung, wie frei, offen oder FAIR ein Datensatz für wen bereitgestellt werden sollte, fällt auch deshalb schwer, weil besonders im medizinischen Bereich bereits aus rechtlichen (vor allem datenschutzrechtlichen) Gründen Forschungsdaten nicht breit publiziert werden können. Daher wird als Ausgleich das Data Sharing unter Peers als Option berücksichtigt. Generell wünscht man sich aber, die Vorgaben der FAIR-Prinzipien so umfassend wie eben möglich einhalten zu können.

Policies als Anreize? (Boris Jacob, Zentrum für Informationstechnologie und Medienmanagement, Universität Potsdam)

Boris Jacob vom Zentrum für Informationstechnologie und Medienmanagement (ZIM) der Universität Potsdam betrachtete in seinem Impuls-Beitrag die Rolle von Datenpolicies. Er betonte, dass Policies allein als Anreize nicht ausreichen. Sie setzen eher einen allgemeinen Rahmen als wirkliche Anreize. Wichtiger für die Motivation zum verstärkten offenen Publizieren von Forschungsdaten wäre eine Veränderung des Publikationsverhaltens bzw. der institutionellen Publikationskultur, wofür konkrete Steuerungsschritte und eine wirksame Strategie der jeweiligen Einrichtungen vorliegen müssen. Die Universität Potsdam hat im Rahmen des Projekts FD-Mentor ein Referenzmodell für Strategieprozesse im institutionellen Forschungsdatenmanagement entwickelt. Die Forschungsdaten-Policy der Universität Potsdam wurde im September 2019 frisch verabschiedet.

Öffnung von Kulturdaten (Philippe Genêt, Projektleitung Coding da Vinci)

Philippe Genêt von der Geschäftsstelle von Coding Da Vinci betrachtete Daten aus der Perspektive des Zugangs zu Kulturdaten. Openness meint für ihn Zugang zu diesen, um damit auch außerhalb konkreter wissenschaftlicher Arbeit eine Aktivierung, Nutzung und Mehrwerte zu erzeugen. Wichtig ist dabei – ähnlich wie in der Wissenschaft, aber doch aufgrund der Reichweite und Zielstellung des Ansatzes anders gelagert – die Datenqualität. Damit ist vermutlich auch ein allgemeingültiger Aspekt benannt: Offene Daten, die nutzbar sein sollen, benötigen notwendig eine Standardisierung und damit in Zusammenhang stehend eine Qualitätssicherung. Die entsprechende Aufbereitung und Qualitätssicherung bringt den datenliefernden Akteuren allerdings zunächst vor allem eines: viel Arbeit. Zugleich befürchten sie – abnehmend, aber nach wie vor ausgeprägt – mit der Öffnung ihrer Datenbestände einen Kontroll- und möglicherweise auch Deutungsverlust. Die Zurückhaltung auf diesem Feld bei der Bereitstellung offener Daten erklärt sich demnach aus der Sorge, die eigene Rolle und vielleicht auch Legitimierung der institutionellen Existenz zu schwächen und zugleich zusätzlich erheblich Aufwand investieren zu müssen. Gemeingutdiskurse haben dafür eine Antwort: Die abstrakte Gefahr beispielsweise einer ungewünschten Nutzung eines Datensatzes wird durch die tatsächliche Möglichkeit einer Vielzahl von neuen, konstruktiven, kreativen, die Kultur bereichernden Nutzungen maßgeblich aufgefangen. Die Herausforderung besteht jedoch darin, diese An- und Einsicht in eine institutionell wirksame und rechtssichere Form zu übersetzen.

Datenpublikationen aus der Perspektive des Vorhabens NFDI4Culture (Prof. Dr. Dörte Schmidt, Professorin für Musikwissenschaft, Universität der Künste Berlin)

Möglicherweise relativieren sich solche Ängste durch eine stärkere Vernetzung und neue Formen der Kooperation, aus denen sich auch neue Rollenbilder und Aufgabenprofile ergeben. Die Konsortien der Nationalen Forschungsdateninfrastruktur (NFDI) können eine solche Entwicklung darstellen und abbilden. Dörte Schmidt, Professorin für Musikwissenschaft der Universität der Künste, präsentierte in diesem Zusammenhang Überlegungen aus dem beantragten NFDI-Konsortium NFDI4Culture. Sie plädiert nachdrücklich für eine überinstitutionelle Adressierung der Herausforderungen, zu denen freilich eine traditionell eher selbstbezogene Herangehensweise der Kulturinstitutionen auch an ihre Bestände zu überwinden wäre. Wichtig ist heute und auch für das Gelingen von Ansätzen wie der NFDI eine stärkere Orientierung auf die Vermittlung, die über reine Digitalisierungsschritte und eine Leseansicht für Digitalisate hinausreicht.

Lessons learned

In Gesprächen und Diskussionen im Kontext der Veranstaltung wurde deutlich, dass die gemeinsame Betrachtung von Kultur- und Verwaltungsdaten unter dem Begriff Forschungsdaten nicht immer selbstverständlich ist. Begriffliche Auseinandersetzungen sind demzufolge weiterhin ein wichtiger Aspekt für zukünftige Aktivitäten – gerade wenn es um die Vernetzung von Akteuren aus unterschiedlichen Domänen geht. Aus Perspektive der Öffnung von Daten mag man für eine diskursive Abgrenzung der drei Kategorien

  • Daten, die im Zuge wissenschaftlicher Vorhaben entstehen (in der Regel als “Forschungsdaten” bezeichnet),
  • Kulturdaten und
  • Verwaltungsdaten

unterscheiden. Mit Blick auf die Datennutzung war eine wichtige Botschaft dieser Veranstaltung, dass es nicht sinnvoll ist, Daten domänenspezifisch einzuhegen. Forschungsdaten sind per se gewissermaßen so neutral, dass sie aus unterschiedlichen Perspektiven und auch in heute noch unbekannten Nutzungskontexten für die Forschung relevant werden können. Gleichwohl sind die Entstehungsprozesse und damit eng verbunden die Maßnahmen zu ihrer Kuratierung in den Domänen sehr unterschiedlich und haben entsprechend Auswirkungen auf die Möglichkeiten ihrer Veröffentlichung.

Eine vierte Kategorie wäre mit den Industrie- bzw. Wirtschaftsdaten zu ergänzen, dürfte aber auf absehbare Zeit für eine offene Bereitstellung kaum eine Rolle spielen. Zugleich können jedoch Akteure der Wirtschaft (Stichworte: App-Entwicklung, Start-Ups) von offenen Daten aus anderen Domänen profitieren. Das Ideal der Nutzbarkeit und Nutzung offener Daten aller Domänen durch Wissenschaft, Gesellschaft und Wirtschaft ist tief in der Vision von Open Science verankert.

Die entscheidende Hürde ist und bleibt auch perspektivisch über alle Domänen hinweg das juristische Management von Forschungsdaten und Forschungsdatenpublikationen. Ein Rechtemanagement kann zwangsläufig nur vor dem Hintergrund aktueller Rechtslagen gestaltet werden. Diese ändern sich jedoch in der Zeit. Für die Langzeitverfügbarhaltung von Forschungsdaten – ebenso vermutlich auch für andere digitale Publikationsinhalte – sind Workflows und Lösungen zu entwickeln, die die Vereinbarkeit der Publikationen mit den jeweils geltenden Rechtslagen absichern. Eine standardisierte Lösung kann es nur temporär geben, weshalb Dörte Schmidt nachdrücklich für ein “flexibles Rechtemanagement” warb, das auch im Konsortium NFDI4Culture so berücksichtigt werden soll.

Für die Weiterentwicklung der Berliner Open-Access-Aktivitäten in Richtung Open Science sind viele Faktoren von Bedeutung, die sich im Rahmen der Vernetzungsveranstaltung zeigten: Ein Kulturwandel im Bereich der Forschungsdatenpublikation kann nur dann gelingen, wenn sich möglichst viele Forschende, Kulturtreibende und OA-Aktivist*innen der Verwaltung und Infrastruktur angesprochen fühlen, indem sie den Nutzen für die Gemeinschaft und das eigene Arbeiten erkennen. Anreize können hier wichtige Impulse setzen – die Etablierung von Anreizen und Reputationsmechanismen steht hier aber erst am Anfang. Verschiedene Ansätze müssen erprobt und vor allem sichtbar gemacht werden, so dass ihre Übertragbarkeit geprüft werden kann. Darüber hinaus werden Unterstützung in rechtlichen Fragen und möglichst umfassende und in den Forschungsprozess integrierte infrastrukturelle Services zur Veröffentlichung nach dem viel zitierten Ansatz: “Soviel wie möglich, so eingeschränkt wie nötig” benötigt, die die Datenprovinienzen und die Datenkulturen der Domänen und Disziplinen berücksichtigen. Der Austausch und die Vernetzung über Domänen und Disziplinen hinweg kann hier wechselseitig wichtige Anstöße und Ideen liefern.

Quellen

Senat von Berlin (2015): Open-Access-Strategie für Berlin. DOI: http://dx.doi.org/10.17169/refubium-26319

„Open Research Data in Berlin und Brandenburg 2019“. Poster Collection. https://zenodo.org/communities/oa-berlin-brandenburg-2019/

Hartmann, Niklas; Jacob, Boris & Weiß, Nadin (2019): RISE-DE – Referenzmodell für Strategieprozesse im institutionellen Forschungsdatenmanagement (Version 0.9). Zenodo. http://doi.org/10.5281/zenodo.2549343

Kip, Miriam; Bobrov, Evgeny; Riedel, Nico; Scheithauer, Heike; Gazlig, Thomas; Dirnagl, Ulrich (2019): Einführung von Open Data als zusätzlicher Indikator für die Leistungsorientierte Mittelvergabe (LOM) Forschung an der Charité – Universitätsmedizin Berlin. https://doi.org/10.5281/zenodo.3511191

Universität Potsdam: Forschungsdaten-Policy der Universität Potsdam. 25.09.2019. URL: https://www.uni-potsdam.de/de/forschungsdaten/richtlinien/universitaet/policy.html

Wilkinson et al. (2016): The FAIR Guiding Principles for scientific data management and stewardship. In: Scientific Data 3 (2016). http://www.doi.org/10.1038/sdata.2016.18

 

 

 

LIBREAS-Verein unterzeichnet Jussieu Call for Open Science and Bibliodiversity

Posted in LIBREAS.Verein by maxiki on 5. April 2018

Der LIBREAS-Verein hat abgestimmt: Nach einem positiven Mitgliedervotum hat der Vorstand des LIBREAS-Vereins den Jussieu Call for Open Science and Bibliodiversity unterzeichnet. Der LIBREAS-Verein unterstützt damit Open Access und Open Science im Sinne der Vereinsziele.

Der Jussieu Call ruft in acht Punkten die wissenschaftliche Gemeinschaft dazu auf, Open Access und Open Science vielfältig und partizipativ zu denken sowie weiterzuentwickeln und nicht allein eine Umwälzung der Subskriptionskosten für wissenschaftliche Journals auf Open-Access-Gebühren zu forcieren.

Das LIBREAS-Journal und die dahinter stehende Struktur an Redaktionsorganisation und Kommunikationskanälen sind der lebende Beweis dafür, dass offene Wissenschaft in der Bibliotheks- und Informationswissenschaft auch anders geht – mit allen Herausforderungen, die damit verbunden sind.

Warum Forschungsdaten nicht publiziert werden.

Posted in LIBREAS.Dokumente, LIBREAS.Projektberichte by Ben on 13. März 2018

Eine Zusammenstellung und Notiz von Ben Kaden (@bkaden)

Eine große und vermutlich noch zu wenig systematisierte Frage aller Diskussionen um eine Offene Wissenschaft lautet zumindest für die in diesem Bereich aktiven Infrastrukturen: Was spricht eigentlich dagegen? Die Erfahrung aus dem Open-Access-Bereich und mehr noch aus dem der Open Science bzw. Open Scholarship zeigt, dass es nicht selten eine erhebliche Lücke zwischen Wünschen, Zielen und Vorstellungen der Forschungsinfrastruktur und den besonders engagierten fachwissenschaftlichen Vertreter*innen in diesem Bereich und einer Gruppe gibt, die hier verkürzt als “Mainstream” der Wissenschaft bezeichnet werden kann.

Eine wichtige, wenngleich auch nicht ganz überraschende Einsicht aus den jahrelangen Auseinandersetzung mit der Offenen Wissenschaft muss lauten, dass die meisten Forschenden vor allem forschen möchten und zwar in der ihnen vertrauten Logik der Publikations- und wissenschaftlichen Publikationskulturen. Defizite auch der Publikationssysteme werden durchaus erkannt, aber nur dann tiefer adressiert, wenn sie zu spürbaren Behinderungen ihrer Forschung führen. In den meisten Fällen wollen Forschende jedoch nicht als Innovator*innen für wissenschaftskommunikative und -infrastrukturelle Lösungen in einer Weise aktiv werden, die zu einer Umwidmung der Aufmerksamkeit vom Forschungsgegenstand auf diese Metastrukturen der wissenschaftlichen Kommunikation führt. Wo also der Leidensdruck im Umgang mit bestehenden Systemen und Praxen aus Sicht der Forschenden nicht übermäßig hoch ist und tradierte Formen nach wie vor die besten Karrierewege öffnen, werden auch hochengagierte und raffiniert geschliffene Keynote-Apelle wenig verändern. Für wissenschaftliche Bibliotheken und andere Akteure der Wissenschaftsinfrastrukturen ist es folglich unerlässlich, zu wissen, welche Ansprüche, Herausforderungen und Ziele in den einzelnen Communities existieren. Die Gründe, warum Forschungsdaten und -materialien disziplinär zwar unterschiedlich intensiv aber nach wie vor eher selten unter den Idealvorstellungen der Offenen Wissenschaft zugänglich gemacht werden, zählen dazu.

Auf dem gestern (12.März 2018) bei der Wikimedia durchgeführten Open-Science-Bar-Camp des Leibniz Forschungsverbunds Science 2.0 gab es genau dazu eine Session „Valid reasons for opting out of sharing openly“, zur der einige Stichpunkte freundlicherweise auch für alle die sichtbar, die nicht teilnehmen konnten, in einem Etherpad hinterlegt wurde: https://etherpad.wikimedia.org/p/oscibar2018_session13

Ich habe mir erlaubt, diese ein wenig zu clustern und auszuformulieren. Im Anschluss an diese Liste ergänze ich noch einige Stichpunkte aus dem eDissPlus-Projekt, das sich mit den Möglichkeiten des dissertationsbegleitenden Zugänglichmachens von Forschungsdaten befasste.

Aufwand

  • Forschende wollen ihre Zeit lieber in die Forschung selbst als in die Organisation eines Austauschprozesses für Forschungsdaten investieren.
  • In der Projektplanung sind keine zeitlichen und personellen Ressourcen für die Aufbereitung von Forschungsmaterialien und Forschungsdaten für ein Teilen bzw. eine Veröffentlichung vorgesehen.
  • Die Veröffentlichung bzw. Zugänglichmachung von Forschungsdaten und Forschungsmaterialien wurden nicht bei der Projektplanung bzw. beim Erstellen des Forschungsdatenmanagementplans berücksichtigt und ist nachträglich zu aufwändig umzusetzen.

Datenschutzrecht

  • Die Veröffentlichung bzw. Zugänglichmachung von Forschungsdaten und Forschungsmaterialien ist aus datenschutzrechtlichen Gründen ausgeschlossen.
  • Für eine Zugänglichmachung bzw. Publikation von personenbezogenen Daten liegt keine informierte Einwilligung vor.

Institutionelle / infrastrukturelle Ausstattung

  • Die eigene Einrichtung bietet keine ausreichende Unterstützung sowohl infrastrukturell als auch beratend für die Verfügbarmachung bzw. Publikation von Forschungsdaten und Forschungsmaterialien an.

Institutionelle Vorgaben

  • Prüfungsordnungen untersagen Promovierenden eine Publikation von Teilen der Promotion vor Abschluss des Promotionsverfahrens.
  • Es gibt keine formalen Auswahlkriterien, welche Forschungsdaten bzw. Forschungsmaterialien wie zugänglich gemacht werden sollten.

Möglichkeiten und Kompetenzen des Teilens / Publizierens

  • Wissenschaftler*innen ist nicht bekannt, wo sie ihre Daten für eine Weitergabe hinterlegen können.
  • Wissenschaftler*innen sind nicht zureichend geschult, um Forschungsmaterialien bzw. Forschungsdaten wissenschaftlichen Publikationsstandards entsprechend zugänglich zu machen bzw. zu publizieren.
  • Forschungsdatenpublikationen sollen ein Peer-Review-Verfahren durchlaufen, das jedoch möglicherweise noch nicht existiert. Die nicht peer-reviewte Publikation von Forschungsdaten wird abgelehnt.

Persönliche Einstellung / Datenkontrolle / Wissenschaftsethik

  • Wissenschaftler*innen  sind am Thema Open Science / Offene Wissenschaft nicht interessiert.
  • Wissenschaftler*innen möchten gern wissen, wer ihre Forschungsmaterialien und Forschungsdaten nachnutzt, weshalb sie diese nur auf persönliche Anfrage weitergeben würden bzw. sich vorbehalten, eine Weitergabe abzulehnen.
  • Kooperationspartner in einem Forschungsdaten sprechen sich gegen eine Verfügbarmachung bzw. Publikation der im Projekt erzeugten Forschungsdaten und Forschungsmaterialien aus.
  • Die Zugänglichmachung von Forschungsdaten bzw. Forschungsmaterialien wird bewusst verweigert, weil entsprechende Anregungen und Vorgaben als Eingriff in die persönliche Wissenschaftsfreiheit interpretiert werden.
  • Die eigenen Forschungsdaten bzw. Forschungsmaterialien werden als für eine Weitergabe zu wenig relevant eingeschätzt.
  • Wissenschaftler*innen möchten verhindern, dass ihre Forschungsdaten bzw. Forschungsmaterialien für von ihnen nicht gewünschte Zwecke nachgenutzt werden.
  • Es bestehen Zweifel daran, dass Dritte die Forschungsdaten bzw. Forschungsmaterialien wissenschaftlichen Standards entsprechend nutzen können.
  • Es besteht die Sorge, dass durch Zugänglichmachung von Forschungsdaten bzw. Forschungsmaterialien Schwächen der Datenerhebung und -analyse sichtbar werden.
  • Die konkreten Forschungsdaten bzw. Forschungsmaterialien sind in einer Weise manipuliert, die verborgen bleiben soll.

Verlags-, Urheber- und Nutzungsrecht

  • Wissenschaftler*innen haben die Nutzungs- und Verwertungsrechte im Zuge einer Copyright-Vereinbarung an einen Wissenschaftsverlag übertragen und besitzen daher keine Verfügungsmöglichkeiten zum Teilen bzw. Veröffentlichen von Forschungsdaten.
  • Promovierende, deren Forschungsprojekt in Kooperation mit Dritten stattfindet, haben nur begrenzt Verfügungsrechte über ihre Forschungsdaten bzw. Forschungsmaterialien. Dies betrifft insbesondere Kooperationen mit kommerziellen Partnern.
  • Es ist nicht bekannt, wer die rechtliche Eigentümerschaft zu den jeweiligen Forschungsdaten bzw. Forschungsmaterialien besitzt.

Weitere Rechtsgebiete / Wissenschaftsethik

  • Das Forschungsthema ist zu sensibel als dass die Forschungsmaterialien und Forschungsdaten frei und international verfügbar gemacht werden können.
  • Es ist unklar, wer langfristig die Verantwortung für die jeweiligen Forschungsdaten bzw. Forschungsmaterialien übernimmt.

Wissenschaftssoziologie

  • Forschungsdaten und -materialien gelten als wissenschaftliches Kapital und werden (noch) zurückgehalten, weil sie in einem späteren Projekt weiter ausgewertet werden sollen.
  • Forschungsdaten und  Forschungsmaterialien sollen als exklusives Asset für einen Antrag auf Projektförderung angeführt werden. Sind sie frei verfügbar, sinkt, so die Wahrnehmung, die Chance auf Förderung.
  • Forschungsdaten und Forschungsmaterialien sollen zunächst exklusiv weiter beforscht werden, weshalb eine Publikation bzw. Zugänglichmachung bestenfalls nach einem Embargo in Frage kommt.
  • Die Publikation bzw. das Teilen von Forschungsmaterialien und Forschungsdaten wird nicht ausreichend als wissenschaftliche Leistung gewürdigt.

Wissenschaftsfreiheit

  • Das Prinzip der Open Science / Offenen Wissenschaft sollte nicht als Druck wirken – im Sinne der Wissenschaftsfreiheit sollten Wissenschaftler*innen selbst entscheiden ob bzw. wie bzw. wann sie Materialien und Forschungsdaten zugänglich machen.

Aus den Erfahrungen des eDissPlus-Projektes, das Einstellungsmuster von Promovierenden zum Publizieren von Forschungsdaten untersuchte,lassen sich, wie angekündigt, noch einige weitere Hürden benennen bzw. genannte Aspekte weiter differenzieren. Dies sind u.a.:

Aufwand

  • Der Aufwand für eine dissertationsbegleitende Forschungsdatenpublikation wird nur sehr selten in der Dissertationsplanung und – sofern überhaupt vorhanden – in Forschungsdatenmanagementplänen berücksichtigt.

Institutionelle und disziplinäre Vorgaben / Rahmenbedingungen

  • In vielen Bereichen fehlen für Forschungsdatenmanagement und das Publizieren von Forschungsdaten Standards, die eine Orientierung geben können.
  • Forschungsdatenpolicies werden im Einzelfall häufig als untauglich empfunden, u.a. da sie zum Beispiel datenschutzrechtliche sowie weitere rechtliche Einschränkungen einer möglichen Forschungsdatenpublikation in keiner Weise würdigen.
  • In vielen Disziplinen gibt es keinen nachhaltigen und systematischen Austausch darüber, welchen Stellenwert und welche Form Forschungsdatenpublikationen für wissenschaftliche Kommunikation haben sollten.
  • Prüfungsordnungen treffen in der Regel keine Aussagen zu Forschungsdatenpublikationen und bieten daher auch keine Orientierung.
  • Für den Titelerwerb sind Forschungsdatenpublikationen in den meisten Fällen nicht erforderlich.

Kompetenzen und Kompetenzvermittlung

  • Bereits für das generelle Forschungsdatenmanagement werden häufig Vermittlungsdefizite benannt: Das Thema findet in Lehre und Methodenausbildung kaum statt. Die Frage der Forschungsdatenpublikation wird in der Regel überhaupt nicht angesprochen.
  • Da in vielen Disziplinen Forschungsdatenpublikationen unüblich sind, kommen Promovierende auch bei der Literatursuche nicht mit dieser Gattung in Kontakt. Die Idee und Möglichkeit einer Forschungsdatenpublikationen ist ihnen daher häufig nicht bekannt.

Persönliche Einstellung / Datenkontrolle / Wissenschaftsethik

  • Forschungsdaten werden im Rahmen von Promotionsprojekten häufig mehr als Mittel zum Zweck als als eigene publikationswürdige Größe angesehen.
  • Promovierende sehen sich angesichts der geringen Etablierung von Forschungsdatenpublikationen in vielen Bereichen überfordert und nicht in der Lage, zusätzlich zu ihrer Promotion entsprechende Pionierarbeit für die Publikationskulturen ihrer Fächer zu leisten.

Rechtliche Aspekte

  • Promovierende können oft die u.a. urheber- bzw. erheber-rechtlichen Folgen einer Forschungsdatenpublikation nur unzureichend abschätzen. So scheint die Bedeutung der Creative-Commons-Lizenzen für konkrete Szenarien oft wenig eindeutig.
  • Das Datenschutzrecht steht einer Publikation von dissertationsbegleitenden Forschungsdaten mit Personenbezug aktuell in fast allen Fällen im Weg, u.a. da selten Forschungsdatenpublikationen von vornherein eingeplant und in den jeweiligen informierten Einwilligungen nicht vorkommen. Das nachträgliche Einholen eine Publikationserlaubnis ist oft nicht möglich oder wird als deutlich zu aufwändig eingeschätzt.

Wissenschaftssoziologie / Forschungsdatenkontrolle

  • Forschungsdatenpublikationen versprechen in den meisten Fällen keinen zusätzlichen Reputationsgewinn. Teilweise wird von den Gutachter*innen eine dissertationsbegleitende Forschungsdatenpublikation sogar als potentiell schädlich eingeschätzt.
  • Forschungsdaten gelten bei vielen Promovierenden als wissenschaftliches Kapital. Besteht die Bereitschaft zur Weitergabe, wird eine selektive Zugänglichmachung auf Anfrage deutlich gegenüber einer allgemeinen Zugänglichmachung als Publikation bevorzugt.

Beide Auflistungen sind sicher keinesfalls erschöpfend. Zu vielen Aspekten wären auch vertiefende Einzeluntersuchungen sinnvoll und notwendig. Deutlich wird jedoch bereits an dieser losen Reihung, dass individuelle Einstellungsmuster zwar einen wichtigen Aspekt darstellen und entsprechend Lobbyarbeit für Open Access und weitere Elemente der Offenen Wissenschaft sicherlich sinnvoll ist. Nachhaltig wirksam werden sie aber nur sein können, wenn auch entsprechende Rahmenbedingungen existieren und zwar sowohl infrastrukturell als auch fachkulturell.

Ein offensichtliches Haupthindernis liegt sicher im aktuell in vielen Fällen deutlichen Missverhältnis von Aufwand und Nutzen. Eine wissenschaftlichen Standards entsprechende Forschungsdatenpublikation erfordert gerade auch angesichts des Mangels an Best-Practice-Beispielen und auch im Einzelfall passenden Leitlinien eine vergleichsweise hohe zusätzliche Arbeitsbelastung, der jedoch kein erwartbarer Reputationsgewinn entgegen steht. Je niedrigschwelliger hier Infrastrukturen Beratung und andere Dienste anbieten können, desto besser. Die Universitätsbibliothek wurde von vielen der befragten Promovierenden im eDissPlus-Projekt als natürliche Ansprechpartnerin für alle Fragen zum Thema Forschungsdaten angesehen und zwar auch für Aspekte, die man gemeinhin eher den Instituten und der dortigen Ausbildung zugeschrieben hätte. Man wünscht sich von der Bibliothek idealerweise ein umfassendes Spektrum an Dienstleistungen von der Beratung über Cloud-Dienste bis zur Langzeitarchivierung für komplexe Datenstrukturen. Was davon wie tatsächlich angeboten werden kann, ist allerdings eine andere Diskussion. In der Erwartungshaltung der Promovierenden, die mit hoher Kompetenz an Forschungsdaten gehen, ist Github ein Benchmark. Bei den anderen eher Dropbox. Im Ergebnis weist der Wunsch in eine Richtung, die beide Dienste mit umfassenden Beratungsangeboten verbindet und überschätzt nebenbei deutlich die Entwicklungskapazitäten, die die öffentliche Hand an dieser Stelle bereitzustellen vermag.

Die zweite große Herausforderung liegt in einer unklaren Rechtslage in Bezug auf Forschungsdaten. Hierzu gab es im Januar 2018 einen Workshop an der Viadrina in Frankfurt/Oder, der erwartungsgemäß wenige Antworten dafür aber noch tiefere Einblicke in die Komplexität der Gemengelage bot.

Und schließlich fehlen für viele Disziplinen tatsächlich praktikable Infrastrukturangebote, auch übrigens von Verlagen oder anderen kommerzieller aufgestellten Anbietern, für eine zeitgemäße und dauerhafte Zugänglichmachung von Forschungsdatenpublikationen. Das Druckparadigma, dass sich im PDF-Format vergleichsweise angenehm spiegeln ließ, funktioniert für digitale Forschungsdaten endgültig nicht mehr. Will man sie zum festen Teil der wissenschaftlichen Kommunikation werden lassen, benötigt man oftmals überhaupt erst einmal adäquate mediale Präsentationsformen – eine Debatte übrigens, die in zahlreichen Bereichen bestenfalls nebenbei geführt wird. Implizit lässt sich hier auch aus den eDissPlus-Befragungen ein weiteres sehr großes Hindernis für Forschungsdatenpublikationen ermitteln: Die Daten sind u.U. mit den bestehenden Möglichkeiten gar nicht sinnvoll als Publikation darstellbar.

Zu all diesen Problemen existiert selbstverständlich engagierte Arbeit hinsichtlich möglicher Lösungen, auch wenn die Digitalisierung der Wissenschaft gerade im Infrastrukturbereich noch ganz anders auch von den Träger- und Förderinstitutionen adressiert werden könnte, als dies bislang geschieht. So ermöglicht beispielsweise der edoc-Server seit diesem Jahr Forschungsdatenpublikationen. Auch Zenodo kann als gelungenes Beispiel für einen zeitgemäßen Publikationsserver für alle möglichen Materialien gelten. Dass Forschungsdaten auf den Publikationsservern mit Metadaten erschlossen, mit DOIs versehen werden und wenigstens teilweise sogar in Bibliothekskatalogen bibliografiert erscheinen, mag ebenfalls ein früher Schritt in Richtung Anerkennung als ordentliche wissenschaftliche Publikation sein. Aber damit endet in den meisten Fällen die Reichweite dessen, was die Bibliotheken und Infrastrukturen zu leisten in der Lage sind.

Die Selbstorganisation der Wissenschaft macht es erforderlich, dass sich die Fachkulturen darüber verständigen, welchen Stellenwert in welcher Form die Publikation von Forschungsdaten und anderen Forschungsmaterialien für sie einnehmen kann und soll. Sie müssen selbst ausdiskutieren, prüfen und entscheiden, ob sie zum Beispiel ein Peer Review wollen, ob komplexe Forschungsdatenpublikationen auch berufungsrelevant sein können, welche Formate sie bevorzugen und welche Metadaten sie brauchen. Die Infrastrukturseite kann aufzeigen, was möglich ist, kann Erfahrungen, Erkenntnisse und Überblickswissen vermitteln. Dafür brauchen wir Veranstaltungen wie das Open-Science-Bar-Camp und Wissenschaftsforschung, wie sie im eDissPlus-Projekt stattfinden konnte. Die Absicherung eines Wissenstands auf der jeweiligen Höhe der Zeit zu den Praxen und Wünschen der Fachkulturen einerseits und den technischen Möglichkeiten andererseits ist bereits für sich eine enorme Herausforderung und zugleich Minimalbedingung jeder zielorientierten Infrastrukturentwicklung. Bereits dafür benötigt man, wenn man so will, Brückenakteure, die sowohl Fach- und Publikationskulturen als auch Ziele, Möglichkeiten, Grenzen von Wissenschaftsinfrastruktur und -organisation kennen. Man braucht solche Akteure aber noch mehr, wenn es darum geht, den eigentlichen Schritt einer digitalen Wissenschaft zu gehen, nämlich die Infrastruktur mit der wissenschaftlichen Kommunikation und an bestimmten Stellen direkt mit der Forschung zu verzahnen. Wir können auf Barcamps und in Workshops umfassend darüber diskutieren, warum Forschende ihre Daten nicht publizieren. Greifbare und praktikable Lösungen werden sich jedoch erst dann daraus ableiten lassen, wenn diese Diskussionen auch mit den Wissenschaftler*innen geführt werden. Dazu ist es notwendig beide Seiten nicht nur zu kennen, sondern in einem stetigen Dialog zu halten. Ich habe eingangs bemerkt, dass Forschende vor allem forschen und sich möglichst wenig mit Infrastrukturfragen befassen wollen. Dies ändert sich bei der digitalen Wissenschaft natürlich dann, wenn Infrastruktur und Forschung zusammenfallen. Ein gutes Beispiel unter anderem auch für die Schwierigkeiten dieser Entwicklung sind die Digital Humanities.

Wir, als Vertreter zum Beispiel der Universitätsbibliotheken bemühen uns unter anderem in Projekten wie eDissPlus intensiv darum, zu verstehen, was die Forschenden als Zielgruppen umtreibt. Konsequent gedacht könnte sich das Konzept der Zielgruppe allerdings an nicht wenigen Stellen zunehmend relativieren und das Gewicht deutlich in Richtung einer Partnerschaft verschieben. Ein unmittelbares Desiderat ist aktuell ein Forum oder eine Form, das bzw. die es uns ermöglicht, Erkenntnisse wie die oben zusammengetragenen in einen übergreifenden und gestaltungsorientierten Dialog mit allen Stakeholdern einzubringen. Ein zweites ist häufig eine stabile und ein idealerweise unkomplizierte Struktur, die es nach Ende von Projekten von eDissPlus erlaubt, über die, wenn man so will, Anamnese hinaus, zu konkretisieren, wie, mit welchen Mitteln und an welchen Stellen die in diesem Fall identifizierten Hürden abgebaut werden können. Diese Situation steht dabei exemplarisch für etwas sehr Generelles: Die Ansprüche einer Offenen Digitalen Wissenschaft werden sich nur als Projekt des Gesamtsystems Wissenschaft realisieren lassen.

(Berlin, 13.03.2018)

Dienste für die dissertationsbegleitende Publikation von Forschungsdaten. Eine Vortragsnachlese.

Posted in LIBREAS.Dokumente by Ben on 7. Juni 2017

Eine Notiz von Ben Kaden (@bkaden)

In dervergangenen Woche fand bekanntlich in Frankfurt am Main der Bibliothekartag 2017 statt, eine seltsam buchfreie und ausgiebig betwitterte Veranstaltung, die wie immer ein ganz guten Rundumblick über den Diskursstand des deutschen Bibliothekswesens lieferte. Das Gesetz zur Angleichung des Urheberrechts an die aktuellen Erfordernisse der Wissensgesellschaft (UrhWissG) und die dagegen anlaufende Initiative der deutschen Presse waren naturgemäß ein Thema auch der Pausengespräche. Digitalisierung, die ja im Prinzip alles mögliche, u.a. Social Media, umfassen kann, ein anderes und begleitet die Veranstaltung nun schon fast zwei Jahrzehnte. Innovation wurde ein weiteres Mal verkündet und eingefordert. Informationsethik wurde kritisiert. Und es wurde, vielleicht am interessantesten, festgestellt, dass es im deutschen Bibliothekswesen oft offenbar schwer fällt,sowohl qualifizierte als auch motivierte Persönlichkeiten für Leitungsstellen zu finden.

Selbstverständlich bleibt Eindruck auch von der Themensetzung nur fragmentarisch, da LIBREAS-Vertreter_innen zwar hier und da durch das Kongresszentrum der Frankfurter Messe wanderten, in der Regel aber mit ihren hauptberuflichen Schwerpunkten und Aufgaben ausreichend beladen und entsprechend zielstrebig. Und mancher kam nur für einen Vortrag und also nur einen halben Tag nach Frankfurt, winkte hier und da jemandem zu, besuchte ein Panel zu Altmetrics, das zu großen Teil Richtung Firmenpräsentation driftete und die Einsicht aufdrängte, dass das Rad der Webanalyse mit Big-Data-Methoden gerade neu erfunden wird.

Nicht neu erfunden, mittlerweile sehr nachdrücklich behandelt wird dagegen das Themenfeld der Forschungsdaten. In dieses fügt sich nun auch der Vortrag ein, zu dessen Nachbereitung nachfolgend einige Kernpunkte fixiert werden. Gegenstand der kurzen Präsentation waren Erkenntnisse aus dem eDissPlus-Projekt. Da sich zudem direkt im Anschluss zur Präsentation, wenn auch zu einem anderen Aspekt des Projektes, in der Twittersphäre Missverständnisse offenbarten, die auch mit den Besonderheiten der Konferenzatmosphäre zusammenhängen können, ist das nur zusätzlich Anlass zur Wiederholung und Erläuterung des Präsentierten. Dies geschieht ausdrücklich mit dem Wunsch, eine Diskussionsvorlage zu bieten. Im vorliegenden Rahmen muss die Darstellung allerdings auf den Präsentationsteil der Humboldt-Universität beschränkt bleiben und dort auf die Befragungen mit Promovierenden und Post-Docs zu Einstellungs- und Erfahrungsmustern hinsichtlich einer denkbaren Publikation von Forschungsdaten.

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LIBREAS.Library Ideas LIBREAS.Dokumentation. Heute: Thesen des Rat für Informationsinfrastrukturen (RfII) zu den Voraussetzungen einer Nationalen Forschungsdateninfrastruktur (NFDI)

Posted in LIBREAS.Dokumente by Ben on 27. April 2017

von Ben Kaden (@bkaden)

Spricht man über die Möglichkeit und Notwendigkeit einer systematischen Organisation von digitalen Forschungsdaten (Forschungsdatenmanagement) sowie ihrem übergreifenden Nachweis und idealerweise auch ihre Verfügbarmachung per Publikation, sind vor allem drei Gruppen von Stakeholdern zu berücksichtigen. Die erste fasst in etwas die Forschungspolitik-, administration und -förderung. Die zweite besteht aus der Forschungsinfrastruktur, also Bibliotheken, Rechenzentren, Netzwerkanbietern etc. Beide Gruppen haben sich, verkürzt formuliert, weitgehend darauf verständigt, dass das Ziel einer offenen Wissenschaft (Open Science und Open Scholarship) erstrebenswert ist und man daraufhin arbeiten sollten, sie als Normalmodus zu etablieren. Und dazu zählt auch die möglichst weitreichende (=offene) Verfügbarkeit der Daten, die bei der Forschung entstehen. Die Hauptgründe dafür sind die Forschungstransparenz und die Nachnutzung.

Dass die Hauptakteure, nämlich die dritte Gruppe in Gestalt der Forschenden, die diese Daten produzieren, potentiell rezipieren, vielleicht bewerten und möglicherweise nachnutzen, noch nicht flächendeckend in diese Richtung streben, erweist sich bei diesem Streben als Herausforderung. Oder auch: Hürde. Theoretisch sind sie sogar oft mit im Boot. Praktisch jedoch scheuen sie jedoch einerseits den zusätzlichen Aufwand, wenn es an den tatsächlichen Schritt hin zu Forschungsdatenpublikationen geht. Oder sie finden, wie gleich noch einmal angedeutet wird sogar nachvollziehbar, Gründe, warum es in ihrem konkreten Fall jeweils nicht möglich ist, diesem Ziel zu folgen. (more…)