Themen für die Gegenwartsforschung. Heute: (Digital) Impression Management in der Wissenschaft.
Eine Notiz zu
Stefanie Haustein, Timothy D. Bowman, Rodrigo Costas (2015) Interpreting “altmetrics”: viewing acts on social media through the lens of citation and social theories. To be published in: Cassidy R. Sugimoto (Ed.). Theories of Informetrics: A Festschrift in Honor of Blaise Cronin. Preprint: http://arxiv.org/abs/1502.05701
von Ben Kaden (@bkaden)
I
„Are scholars altruistically sharing information for the benefit of the community in which they belong? Or, is information sharing a self-serving activity? Are scholars sharing information in order to assist the profession grow intellectually, or are they attempting to develop a ‘brand’ around themselves?”
fragte sich George Veletsianos 2012 in seiner Betrachtung zur wissenschaftlichen Twitternutzung. Eine Antwort, die nicht „vermutlich aus beiden Gründen“ lautet, erscheint wenig plausibel. In einem Beitrag für eine anstehende Festschrift für Blaise Cronin reflektieren nun Stefanie Haustein, Timothy D. Bowman und Rodrigo Costas das Phänomen der Altmetrics aus der Warte verschiedener sozialwissenschaftlicher Theorien und kreisen damit die Frage Veletsianos‘ weiter ein. Twittern wir, weil wir wollen, dass andere ihr Bild von uns aufgrund dieser Tweets gestalten? Damit sie uns also für besonders geistreich, kompetent, engagiert oder auf der Höhe der Timeline halten sollen?
Die Existenz von Social-Impact-Messstellen wie Klout.com (Slogan: „Be Known For What You Love.“) legt das nah. Wie wir twittern und teilen und was darauf folgt, wird in einen Score umgerechnet, der dann nicht Alt- sondern Social Metrics heißt, aber nach sehr ähnlichen Prinzipien funktioniert: zu einem Objekt (hier ein Objektbündel aus Onlineprofilen) werden die Interaktionen in den digitalen sozialen Netzwerken ausgezählt, in Beziehung gesetzt und zu einem Wert verdichtet, der sich dann mit anderen vergleichen lässt. (Für wissenschaftliche Aufsätze sieht das dann so aus.)
Altmetrics lassen sich also zutreffend beschreiben als
„a new group of metrics based (largely) on social media events relating to scholarly communication.” (Haustein et al, 2015)
bzw. eher wenig handlich definieren als
„events on social and mainstream media platforms related to scholarly content or scholars, which can be easily harvested (i.e., through APIs), and are not the same as the more ‘traditional’ concept of citations.” (ebd.)
Da nahezu alle ausgemessenen Social-Media-Anwendungen wie auch Altmetrics-Dienste kommerziellen Anbietern gehören, stehen das Wie und das Was der Messungen und Kalkulationen naturgemäß ein wenig unter dem Einfluss des jeweiligen Geschäftsmodells und sind deshalb, wie auch Haustein et al andeuten, eher, nun ja, dynamisch.
Es drängt sich selbstverständlich auf, die prinzipielle Messbarkeit digitalen sozialen Handelns auf solchen Plattformen für soziologische und auch wissenschaftssoziologische Fragestellungen zu nutzen. In der Szientometrie sind tweetmetrische Studien mittlerweile erwartungsgemäß regelmäßig zu finden, auch wenn sich stabile Korrelationen zwischen dem Tweetaufkommen zu einer Publikation und früher oder später folgende Zitationen in wissenschaftlichen Veröffentlichungen nicht unbedingt bestätigen. (de Winter, 2015) Das mag allerdings auch daran liegen, dass Wissenschaftler das Medium Twitter je nach Disziplin sehr unterschiedlich nutzen (Holmberg, Thelwall, 2014) und die meisten, so ist zu vermuten, eher gar nicht.
II
Haustein et al erweitern die Perspektive vom Twitter’schen Funktionsrahmen auf andere Social-Media-Formen (Mendeley, Faculty of 1000, Weblogs), was den Ansatz leider stark in die Breite zieht, wo mehr Tiefe eventuell mehr Einsicht verspräche. Eine der Theorien, die sie auf diese Social-Media-Varianten projizieren, ist das auf Erving Goffman zurückgehende Impression Management.
Wenn Social-Media-Anwendungen zunehmend für die wissenschaftliche Kommunikation an Bedeutung gewinnen und wenn diese Anwendungen zugleich, wie nicht zuletzt die eigene Alltagserfahrung zeigt, den bislang üblichen Formalisierungs- und Depersonalisierungsschritten der herkömmlichen formellen Publikation und Vermittlung von wissenschaftlichen Äußerungen einen sozialen Schleier mit allen Konsequenzen überzieht, der ja bekanntlich die Triebkraft sozialer Medien ist (vgl. dazu auch Boyd, 2008), dann dürfte der bewusste Umgang mit Aspekten wie (1) Sozialem Kapital (bzw. der Erwerb, die Reproduktion und die Zurschaustellung des Selbigen), (2) der Aufmerksamkeitsökonomie und schließlich (3) der Verwaltung des sozialen Fremdbilds (also das Impression Managements) zum Spektrum der Schlüsselkompetenzen in der digitalen Wissenschaftswelt zählen.
In jedem Fall sollte sich aus einem (wissenschafts)soziologischen Blickwinkel erklären lassen, wie sich Kommunikationshandlungen in diesen Strukturen jeweils auswirken. Allein das Anlegen eines Profils ist ja nichts anderes als eine mehr oder weniger bewusste Komposition von Fakten, die allen, die dieses Profil aufrufen ein bestimmtes Identitätbild zeigen soll und sei es nur „Ich nehme all das hier nicht so ernst und daher zeige ich nur die drei Informationen, die die Plattform obligatorisch verlangt.“ o.ä. (siehe auch Yates, 2011).
Haustein et al formulieren eine Art Definition dieses Impression Managements in der Wissenschaft, die einen anderen Aspekt hervorhebt: die Grenze zwischen dem Privaten und dem Öffentlichen.
„[I]mpression management describes the ways in which scholars must actively maintain their presentation of self as they navigate the blurring boundaries of the public/private nature of social media.” (Haustein et al, 2015)
Interessant wäre, zu untersuchen, wie sich diese wissenschaftsspezifische “digital halo” (Chong, Choudary, 2014) von ähnlichen Praxen in der analogen Wissenschaftswelt unterscheidet. Eine Hypothese wäre dabei, dass die entsprechende Pflege auf lange Sicht deutlich bewusster und aufwendiger erfolgt (=maintain), weil digitale Medien weitaus stärker konkreten expliziten Input benötigen.Wo früher das Datenblatt für Kürschners Gelehrtenkalender ausreichte und nur bei Adresswechseln neu ausgefüllt werden musste, erfordern digitale Identitätsdokumentationen (womöglich inklusive Aktualisierung einer Wikipedia-Seite) eine fast ununterbrochene Datenverwaltungsaktivität auf diversen Kanälen. Wie das digitale Abbild des Handelns später wieder in unkontrollierbaren impliziten bzw. nun auch algorithmischen Deutungen verschwimmt, ist ebenfalls weithin bekannt.
Dass ein bewusstes Impression Management jedoch schon länger in nahezu allen professionellen Kontexten eine Rolle spielt, wird spätestens dann deutlich, wenn man sich mit der Fülle der einschlägigen Ratgeber konfrontiert. (exemplarisch: Bazil, 2005) Da ein Impression Management prinzipiell kontextabhängig ist und da sich in sozialen Medien die vormals stärker getrennten Bereiche der öffentlichen und privaten und übrigens auch der professionellen (und nicht notwendig öffentlichen) Kommunikation in der Tat vermischen, liegt die eigentliche Herausforderung in einer komplexen und kompetenten Koordination von möglicherweise wirklich neuen digitalen Anforderungen und Praxen der Steuerung des Fremdbilds. Die nach wie vor vergleichsweise jungen Nutzungserfahrungen mit solchen Mischmedien haben noch wenig Zeit zum Etablieren von Standards gelassen, so dass man sich tatsächlich oft weitgehend im habituellen Neuland bewegt. Sofern man die traditionelle Trennung von Beruf und Privatheit dabei nicht strikt ins Digitale überträgt, ist es durchaus nicht ganz einfach, intensiv, gelassen und immer adäquat auf Plattformen zu kommunizieren, auf denen die Fachkollegen, die studentische Hilfskraft, die eigenen Kinder, die eigenen Eltern und hin und wieder die allgemeine Weböffentlichkeit mitlesen.
Ein wichtiger Aspekt des Impression Managements ist in diesem Zusammenhang, dass in derartig vermischten Kommunikationssphären eindeutige Rezipientenerwartungen kaum festlegbar scheinen. Wohl aber besteht die Gefahr, fehl zu kommunizieren, sich über Nacht unerwartet in einem Mediensturm zu finden und schließlich öffentlich auf SPIEGEL online Abbitte leisten zu müssen. In der Sphäre Sozialer Medien und unter dem Monitoring des Online-Journalismus‘ ist man weitaus schneller eine Person des öffentlichen Lebens, als man vielleicht annimmt. Auch hier mangelt es an vielen Stellen noch an allgemein akzeptierten sozialen Konventionen.
Möglicherweise verschiebt sich angesichts des Mangels an verbindlichen Erfahrungsregeln der Gestaltungsanspruch sowieso von einem (nun eher locker definierten) Rollenbild zu dem, was man als individuellen Stil bezeichnen kann. Man schafft sich selbst einen Rahmen, möglicherweise aus so genannten Narbs (narrative bits), in dem man seine Impression platziert und aus dem man tunlichst nicht fallen möchte. (Niemand möchte als Personality Spammer gelten.) Wir spielen nicht mehr so sehr Theater wie bei Goffman. Sondern wir spielen konsequent uns selbst, idealerweise kompatibel mit den Selbstbildern derer, zu denen wir gehören wollen. Und versuchen darüber hinaus nicht angreifbar zu sein.
III
Haustein et al beschränken ihren Blick sinnvollerweise auf die Selbstdarstellung von Wissenschaftlern gegenüber Wissenschaftlern. Aber auch hier böte es sich an, entsprechende Verschiebungen des sozialen Handelns aus der Vor-Social-Media-Zeit in die Gegenwart zu untersuchen. Bei der Gelegenheit könnte man zudem ermitteln, ob bzw. wie sich das Gender-Gap des Impression Managements spiegelt, das Singh et al (2002) ermittelten:
„Many women (and some men too) seem uncomfortable with using IM. Women do not always want to play „the organizational game“ by the male-constructed unwritten rules, but prefer to trust good management and systems fairness for just rewards. Younger and junior level women managers often recognize that IM may be a useful tool but reject its use for themselves. Women seem to prefer to rely on extra high performance and commitment for visibility to their seniors rather than the networking, ingratiation and self-promotion strategies used more by males.” (ebd.)
Und ob dagegen eventuell professorale Herzlichkeit (und damit die öffentliche Untertreibung bezüglich eigener Kompetenzen, vgl. Holoien, Fiske, 2013) auch etwas ist, das in sozialen Medien überhaupt einen Platz finden kann.
Die Neurowissenschaft bestätigt übrigens, dass wir, wenn es um die Gestaltung unseres Fremdbilds geht, eher zu positiven Übertreibungen neigen. (Farrow et al, 2015) Wir sind also vermutlich bescheidener, wenn wir verbindlicher erscheinen wollen und extrapolieren unsere Kompetenz ein wenig, wenn es um akute Konkurrenz geht. Eventuell modifizieren wir sogar unseren Interest-Graph jeweils entsprechend. Auch die Prüfung dieses Aspektes kann man für die Forschungsagenda einer entsprechend orientierten Wissenschaftssoziologie notieren.
IV
Insgesamt lässt sich die Arbeit von Haustein et al, die derartige Details notwendigerweise nicht aufgreift, vor allem als eine erste allgemeine Annäherung an denkbare Wechselbeziehungen zwischen Altmetrics und soziolgischen Theorien, zumal aus der Perspektive der Bibliotheks- und Informationswissenschaft, lesen.
Die Bewertungen des Nutzungshandelns der betrachteten Angebote sind daher wenig mehr als eine schematische Einordnung. Sozialpsychologisch interessante Differenzierungen (Alter, Karrierestufe, Geschlecht, eventuell auch Struktur des jeweiligen nationalen Wissenschaftssystems, Disziplin) spielen hier noch keine Rolle.
Für das Literaturverwaltungsnetzwerk Mendeley wird beispielsweise festgestellt, dass ein Nutzer, der dort seine eigenen Publikationen einspeist, dies mit der Motivation tut, andere Nutzer mit der eigenen wissenschaftlichen Leistung zu beeindrucken oder wenigstens bestimmte Leistungsnachweise für das aufzuzeigen, was das Fremdbild derer, die sich solchen Listen ansehen (Kollegen, Studierende, Gutachter), antizipiert bestätigt.
Das Senden eines Tweets ist in diesem Schema eine Handlung, die anderen vermitteln soll, dass der Twitternde auf dem Stand des Fachs ist, als vertrauenswürdiges Streumedium für einschlägige Materialien taugt oder schlicht seine Rolle als Experte in einem bestimmten Gebiet per Tweet sichtbar aktualisiert. Statustweets auf Konferenzen dürften hier ein dankbares Forschungsdatum sein.
Im Netzwerk der Faculty of 1000 geht es schließlich darum, sich als verlässlicher und kompetenter „Gatekeeper“ oder, vielleicht freundlicher, Wissenschaftsvermittler zu etablieren bzw. diese Fremdwahrnehmung zu aktualisieren.
In den zitationstheoretischen Bereich gelangt man schließlich beim Wissenschaftsbloggen:
„Finally, impression management may explain why a blogger might cite a specific scholarly document, as the blogger must be concerned about the impression he or she is creating by applying the document. Thus the blogger may be attempting to create an impression that implies they understand and have expertise on the cited material.” (Haustein et al, 2015)
Eine daraus erwachsende sehr naheliegende (Forschungs)Frage wäre, inwieweit sich dieses Verhalten von üblichen und ganz gut beforschten Zitierkonventionen unterscheidet? Und in Ergänzung, ob sich das Altmetrische dieser Zitationen in Weblogs auf die Zitierpraxis selbst auswirkt, also man beispielsweise deshalb etwas nicht zitiert, weil man es nicht noch weiter (altmetrisch) popularisieren möchte? (Was mutmaßlich einer Art Uncitedness IV entspräche. vgl. Umstätter, 2001 bzw. Nourmohammadi, 2007) Bei der Gelegenheit könnte man sich weiterhin sogar damit befassen, inwieweit Altmetrics das Phänomen des so genannten hate-links angemessen zu berücksichtigen in der Lage…
Am Ende ist die Herausforderung, soziologische Theorie mit mehr oder szientometrischen Verfahren zu integrieren, nicht neu. (vgl. z.B. Gläser, Laudel, 2001) Ob sie im Digitalen, das eine weitaus größere Bandbreite von track- und messbaren sozialen Spuren und Verbindungen erzeugt, leichter oder schwerer fällt, kann derzeit sicher kaum beurteilt werden. Klar ist, dass die Arbeit von Haustein et al, wie sie auch selbst schreiben, nur ein erster Schritt ist. Es würde gerade der Bibliotheks- und Informationswissenschaft, die an sich behänd zwischen diesen Bereichen navigieren können sollte, ganz gut anstehen, ein paar weitere folgen zu lassen.
(Berlin, 10.03.2015)
Literatur
Vazrik Bazil (2005) Impression Management. Sprachliche Strategien für Reden und Vorträge. Wiesbaden: Gabler.
Danah Boyd (2008): Taken Out of Context: American Teen Sociality in Networked Publics. Ph.D. thesis, Berkeley: University of California.
Mark Chong, Sangeet Choudary (2014) Digital halo: Strategies for building online personal reputations. In: Journal of Digital & Social Media Marketing, Number 3 / Winter, 2014, S. 258-268.
Tom F.D. Farrow, Jenny Burgess , Iain D. Wilkinson , Michael D. Hunter (2015) Neural correlates of self-deception and impression-management. In: Neuropsychologica. Volume 67, January 2015, S. 159–174. DOI: 10.1016/j.neuropsychologia.2014.12.016
Jörg Gläser, Grit Laudel (2001) Integrating Scientometric Indicators into Sociological Studies: Methodical and Methodological Problems. In: Scientometrics. 11-2001, Volume 52, Issue 3, S. 411-434. DOI: 10.1023/A:1014243832084
Stefanie Haustein, Timothy D. Bowman, Rodrigo Costas (2015) Interpreting “altmetrics”: viewing acts on social media through the lens of citation and social theories. To be published in: Cassidy R. Sugimoto (Ed.). Theories of Informetrics: A Festschrift in Honor of Blaise Cronin. Preprint: http://arxiv.org/abs/1502.05701
Kim Holmberg, Mike Thelwall (2014): Disciplinary differences in Twitter scholarly communication. In: Scientometrics. November 2014, Volume 101, Issue 2,S. 1027-1042. DOI: 10.1007/s11192-014-1229-3
Deborah Son Holoien, Susan T. Fiske (2013): Downplaying positive impressions: Compensation between warmth and competence in impression management. In: Journal of Experimental Social Psychology. Volume 49, Issue 1, January 2013, S. 33–41. DOI: 10.1016/j.jesp.2012.09.001
Hamzehali Nourmohammadi (2007): Über die szientometrische Bedeutung des Impact-Faktors. Diss.. Berlin: Humboldt-Universität. http://edoc.hu-berlin.de/dissertationen/nourmohammadi-hamzehali-2007-02-12/PDF/nourmohammadi.pdf
Sing, S. Kumra, S.Vinnicombe (2002) Gender and impression management: Playing the promotion game. In: Journal of Business Ethics. Volume 37, Issue 1, 2002, S. 77-89. DOI: 10.1023/A:1014782118902
Walter Umstätter (2001) Die Bedeutung des Bradford’s Law of Scattering für die Bibliothekswissenschaft [PDF]. Berlin.
George Veletsianos (2012) Higher education scholars‘ participation and practices on Twitter. In: Journal of Computer Assisted Learning, Volume 28, Number 4, 1 August 2012, S. 336-349. DOI: 10.1111/j.1365-2729.2011.00449.x
J.C.F. de Winter (2015) The relationship between tweets, citations, and article views for PLOS ONE articles. In: Scientometrics. February 2015, Volume 102, Issue 2, S. 1773-1779. DOI: 10.1007/s11192-014-1445-x
Sarah Gibson Yates (2011) User: Reflections on the narrativization of self within social networking sites: A presentation and discussion of the processes involved in the development of a creative work-in-progress. In: Book 2.0, Volume 1, Number 1, 1 February 2012, S. 31-37. DOI: 10.1386/btwo.1.1.31_1
Eine Antwort
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Die Bereiche Bibliometrie, Szientometrie und auch Altmetrics sind nicht ganz unberechtigt immer wieder Kritik ausgesetzt. So hat eine häufige Zitation ebenso wenig mit der hohen Qualität einer Publikation zu tun, wie die Versuche sie totzuschweigen. Bekannteste Beispiele sind die Werke auf dem Index Librorum Prohibitorum die später zu Weltrum gelangten. Wenn E. Garfield nachweisen konnte, dass etliche der viel zitierten Publikationen zu Nobelpreisen geführt haben, so war dies ein Beleg, dafür, dass man bekannt sein muss um einen Nobelpreis zu bekommen, aber auch ein Beleg dafür, dass weit mehr Autoren oft zitiert werden, aber keinen Nobelpreis erringen. Fazit: Durch häufiges publizieren, Aufmerksamkeit zu erregen etc. um in den Altmetrics hervorzustechen, ist zwar zu einem verbreiteten Sport im Internet geworden, ersetzt aber nicht den wichtigen wissenschaftlichen Beitrag, der aufmerksame Leser eine wirklich neue Erkenntnis gewinnen lässt.
Das größere Problem ist dabei ein altes, dass es immer wieder vorgekommen ist, dass solche Erkenntnisse von anderen Autoren bekannt gemacht wurden, und dass die Urheber weitgehend unbekannt blieben. Das ist aber weniger ein Problem der modernen „Social-Media-Anwendungen“, als vielmehr schlichter Betrug. Dieser entsteht aber durch ein interessantes szientometrisches Phänomen. Urheber einer neuen Erkenntnis zu sein ist wichtig, aber noch wichtiger ist es, Anhänger zu finden, die dieser Erkenntnis verstehen und mit verbreiten, und dazu muss die Zeit reif sein. Sonst bleibt man ein Rufer in der Wüste.
Im Gegenteil, der Hinweis: dass „Altmetrics-Dienste kommerziellen Anbietern gehören“ ist insofern gut und richtig, weil er zeigt, dass diese die Altmetrics immer mehr zur eigenen PR missbrauchen. Bestes Beispiel auf diesem Gebiet waren die Journal Impact Factors (JIFs) von E. Garfield, die, sobald sie bekannt wurden, dazu führten, dass die großen Verlage ihre Selbstzitationen um ein Mehrfaches anhoben.
Es gibt auch heute noch Autor/innen, bei denen man die Publikationen ausdauernd studiert, weil man weiß, dass auch scheinbar unsinniges, meist sehr gut durchdacht ist, und es gibt sehr viele andere, bei denen man sich eher wundert, wenn sie mal wirklich etwas essentielles beitragen. Dieser Kampf um wissenschaftliche Glaubwürdigkeit ist nur durch gute Arbeiten, aber nicht durch Tricks im Altmetrics-Bereich zu erreichen.