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Das coole UND. Anmerkungen zur Umbenennung der DGI.

Posted in LIBREAS aktuell, LIBREAS.Debatte by Ben on 4. Mai 2013

von Ben Kaden

„Die Namensänderung der DGI hat für Furore gesorgt. Das kann ich verstehen, jedoch nur aus euphorisch positiven Gründen“

schreibt Clemens Weins heute im Weblog der nun Deutschen Gesellschaft für Information und Wissen (DGI). Ich sehe das nur bedingt. Furore im Sinne einer Begeisterung ist es nicht. Und Furor im Sinne wütender Proteste lässt sich in der Fachöffentlichkeit auch nicht erkennen. Treffender wären vielleicht Worte wie Kopfschütteln oder Verwunderung. Irgendwo in diesem Umfeld wäre jedenfalls meine Reaktion zu verorten.

Als Bibliotheks- und Informationswissenschaftler scheint es mir jedenfalls für Euphorie kein Anlass zu bestehen, wenn man die Informationswissenschaft streicht, um sie durch die unscharfen Ausdrücke „Information“ und „Wissen“ zu ersetzen. Möglicherweise muss eine „agile“, also laut Duden „regsame und wendige“, DGI diesen Schritt gehen, um damit ihre Agilität bzw. Augenhöhe zur Zeit zu beweisen. Eventuell ist sie damit ihrer Zeit auch voraus, wenn mit ihr ein „Paradigmenwechsel […]  vom institutionellen Denken zum inhaltlichen Austausch“ angestrebt wird und man annimmt, dass strenge Wissenschaftlichkeit durch das Kriterium des pragmatischen Passens abgelöst wird. Das setzt voraus, dass sich die Grenzen von Wissenschaft und Praxis tatsächlich vermischen und man hat wenig Möglichkeiten, entsprechende Anzeichen zu ignorieren. In der Gesamtschau wäre dies das Ende der Wissenschaft, wie wir sie kennen und vielleicht ist es auch das Schicksal der Informationswissenschaft, frühzeitig diesen Schritt zu vollziehen.

Clemens Weins bringt mit dem Beispiel der „modernen IT-Unternehmen“ das Vorbild ins Spiel. Die großen Dominanten (Google, Facebook, Apple, Amazon) verwenden nicht nur etliche Elemente, die man aus der dokumentationswissenschaftlichen Grundausbildung kennt, sie integrieren sie auch überdisziplinär mit allem, was für Netzwerkanalyse und Rückkopplungsverfahren u.ä, an Methoden zweckmäßig erscheint. Wenn man so will, haben sie und nicht etwa die Informationswissenschaft (oder die Soziologie), die Gesellschaft zur Netzgesellschaft gemacht und informationswissenschaftlich wie informationssoziologisch durchdrungen.

Eine Nebenwirkung könnte bei dieser Entwicklung sein, dass sich dabei die wissenschaftliche Disziplin Informationswissenschaft einfach auflöst zugunsten wohlklingender und pragmatischer Lösungen und zu einem Evaluations-und Think-Tank für (tatsächliche und denkbare) Informationsdienstleistungen zusammenschnurrt. Selbstverständlich machen sich Unternehmen „intern Gedanken, was neue Technologien auslösen können und stellen sich sofort den praktischen Herausforderungen“, denn davon hängt ihre Geschäftsentwicklung ab. Diese ist im Gegenzug aber auch Erkenntnis leitend. Und hier liegt der Unterschied zur akademischen Informationswissenschaft, die sich um all die Aspekte kümmern kann (und sollte), die zwar aus Sicht von Verwertung und Produktentwicklung irrelevant sind, die aber für die Gesellschaft eventuell gerade deshalb eine große Bedeutung besitzen.

Ich habe folglich Probleme, mir Wissenschaft derart unternehmerisch eingefärbt zu denken. Und gerade, wenn man wie Clemens Weins Informationswissenschaft etwas hemdsärmlig als „Soziologie der Informatik“ definiert, was ich an sich begrüße, was allerdings vor nicht allzu langer Zeit nur sehr eingeschränkt nachweisbar dem Selbstverständnis der Disziplin entsprach (vgl. Kaden, Kindling, Pampel, 2012), sollte man sich vom Kriterium der „Faszination“ lösen.

Man muss nicht mit bzw. besser nach Pierre Bourdieu „Soziologie als Kampfsport“ (vgl. z.B. Hollerstein, 2012) ansehen. Doch man sollte anerkennen, dass es vor allem um Analyse und Kritik geht, also das gezielte und systematische Infragestellen von Scheingewissheiten idealerweise auf Grundlage empirischen Materials. Das steckt in gewisser Weise schon in dem Wunsch, „Informationen fließen zu lassen und immer verstehen wollen, wie sie fließen.“ Es ist auch vereinbar mit dem Bild der „Menschen, die verstehen wollen, wie sich Gesellschaft durch neue Informationstechnologien verändert und auf der Suche nach neuen Geschäftsfeldern sind.“ Nur wirkt der Ausdruck „Geschäftsfelder“ hier in der Rückbindung an die Wissenschaft genauso als Splitter im Text, wie die Reduzierung der Soziologie auf die Technologie- und Methodenanalyse. Wenn Clemens Weins den entsprechenden Absatz mit der Basta-Formulierung „Damit ist alles gesagt.“ einleitet, muss er sich auch darauf hinweisen lassen, dass in seiner Darstellung neben Technologien und Methoden der Grundgegenstand der Soziologie schlicht fehlt.

Es ist wahrscheinlich Teil des Zeitkolorits, Wissenschaft stark in Hinblick auf Innovation, Spin-Off-Projekte und mögliche wirtschaftliche Verwertungsszenarien zu betreiben und zu denken. Das beißt sich allerdings mit dem Konzept der Soziologie als Wissenschaft, wie ich sie verstehe. Mehr noch: wissenschaftliche Erkenntnisproduktion ist nach meinem Verständnis gerade nicht der Fluss sondern viel mehr die Staustufe der Information. Es geht in ihr nicht um die Optimierung und Stromlinienformgebung für reibungslose Übertragung, sondern darum, das, was geschieht, in einem größeren Rahmen zu verorten. Diesen Rahmen bildet die Größe Mensch. Es geht um den Menschen, sein Handeln, die dahinterstehenden Motivationen und wie er sich im Gefüge der Handlungsfolgen bewegt. In der Informationswissenschaft wäre das dann mindestens an den Phänomenen „Information“ und „Wissen“, gern auch noch mit „Redundanz“, „Rauschen“ und „Bedeutung“ zu konkretisieren und beispielsweise auf die in letzter Zeit mehr vom Feuilleton als von der Wissenschaft reflektierten Informationsethik orientierbar. (also vielleicht eben doch im Bourdieu’schen Kampfsportstil, vgl. Hollenstein, 2012, S.68: „Soziologie ist Kampfsport, fasst Bourdieu sein wissenschaftliches Selbstverständnis […] zusammen: Selbstverteidigung der Schwachen gegen Ungerechtigkeit. Soziologie ist also für Bourdieu „per se kritisch“, sie offenbart „Geheimnisse“, der Soziologe ist ein „Störenfried“.“)

Erfahrungsgemäß wirkt bereits der Streit um die Begriffs- und Gegenstandseingrenzung deutlich bremsend (also störend). Dazu addiert sich, dass Wissenschaft, wie ich sie hier denke, vorwiegend retrospektiv arbeitet, da ihr Material erst entstehen bzw. beobachtbar werden muss, bevor sie es durchdringen kann. So ist sie selbst gerade kein Innovationsmotor. Im Ergebnis könnte sie jedoch im Wechselspiel mit der Praxis dieses Wissen über an die gestaltenden Akteure (z. B. die Praxis) weitergeben, die es beispielsweise in ihr Wissen wie einfließen lässt. Oder eben nicht.

Das gravierendste Problem der Umbenennung der DGI liegt für mich in der Reproduktion des Urproblems der Informationswissenschaft selbst: der Terminologie selbst. Es gibt keine übergreifend anerkannte Definition der Ausgangsbasis „Information“ und dem Verhältnis zum nicht minder vieldeutigen Begriff des „Wissens“. Dazu kommt seit einigen Jahren der nicht minder ambivalente Omnibus „Inhalte“, für die die DGI mittlerweile offensichtlich steht, ohne sich, so könnte man flapsig sagen, in Deutsche Gesellschaft für Inhalte benannt zu haben.

Ich schreibe dies als jemand, der die Gelegenheit hatte, bei zwei zentralen Antagonisten dieser Debatte in der deutschsprachigen Informationswissenschaft zu lernen und der dabei erkennen durfte, wie wichtig eine genaue Bestimmung des Bezugsrahmens für diese Ausdrücke ist. Diesen Rahmen finde ich in der Argumentation im Blog nicht zureichend dargestellt.

Information und Wissen sind dank ihrer Universalität äußerst divers verwendete, bisweilen einfach sehr missverständliche Konzepte. Die Einhegung auf das Feld der Informatik bzw. Informationstechnologie, also auf die bitweltlich verarbeitbare Information wäre womöglich eine gangbare Spezifizierung (wenn auch nicht die mir sympathischste). Aber das geht aus dem neuen Namen nicht vor. Den problematischeren Begriff des Wissens (laut Walther Umstätter „begründete Information“, laut Rainer Kuhlen eine Art Agens der Informationsprozess) blieben dann immer noch unbestimmt. Der Container „Inhalt“ sowieso.

Als Nicht-Mitglied der DGI kann ich ihre Umbenennung gelassen nehmen. Als Informationswissenschaftler bedauere ich dennoch die Streichung der „Informationwissenschaft“ im Namen der DGI, zumal mich der Ersatzname in keiner Hinsicht und trotz der verständlichen und engagierten Erläuterung durch Clemens Weins nicht als bessere Wahl überzeugt. Das Fach, um das es mir geht, vermag ich im neuen „und“ jedenfalls nicht mehr erkennen. Und auch was Willi Bredemeier als einen Grund zur Umbenennung anführte, überzeugt mich, offen gesagt, keinen Millimeter:

„Der neue Name klingt gut oder ist, wie ein Teilnehmer der Mitgliederversammlung sagte, „cool“.“ (Bredemeier, 2013)

 (25.04.2013  / @bkaden)

Verweise

Willi Bredemeier (2013) DGI – Neuer Name verabschiedet. In: Password / passwordonline.de, 28./29.04.2013, http://www.passwordonline.de/cms/news/28.-29.-april-2013.html

Oliver Hollenstein (2012) Soziologie als Kampfsport – Pierre Bourdieu. In: dersb. (2012) Das doppelt geteilte Land. Neue Einblicke in die Debatte über West- und Ostdeutschland. Wiesbaden: Springer VS. S.67-78

Ben Kaden, Maxi Kindling, Heinz Pampel (2012) Stand der Informationswissenschaft 2011. In: LIBREAS. Library Ideas. No.20  S. 83-96 urn:nbn:de:kobv:11-100199781.

Weins, Clemens (2013):  Die agile DGI – ein Club für Informationsphilosophen und -pragmatiker. In: http://blog.dgi-info.de / 04.05.2013

Anmerkung: Namentlich gekennzeichnete Beiträge in diesem Weblog geben ausschließlich die Meinung der jeweiligen Autoren wieder.

6 Antworten

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  1. Walther Umstätter said, on 5. Mai 2013 at 15:13

    Als es vor rund zwanzig Jahren eine zunehmende Abkehr, insbesondere in den USA, vom Wort Information zum Wissen gab, habe ich mich sehr geärgert, dass es der DGI 1998 nicht gelang diesen Fortschritt mitzugehen. Denn das spürten auch Laien, dass Wissen eine höhere Qualität als die meisten Informationen (und die damals viel beklagte Informationsflut bzw. der „information litter“ „M. Line Information management in perspective In: Information Management in Wissenschaft und Forschung, Ed. Cronin, B. und Klein, S., Vieweg, Braunschweig 1990) hatte.

    Das war die Zeit als die Informationswissenschaft sich an vielen Stellen immer mehr demontierte, indem sie ihre Basis, die Definitionen von Dokument (mit Dokumentationseinheit und dokumentarischer Bezugseinheit), Information, Wissen, Redundanz, Rauschen etc. bis in die Lehrbücher hinein ignorierte oder auch zerredete.
    Interessant ist nun zu sehen, dass es in Deutschland auch noch im Jahre 2013 problematisch ist, wenn die DGI das Wort Wissen integriert. Zu einer Zeit in der Hinz und Kunz über Wissen redet, ohne das die Fachwelt dazu etwas substantielles zu liefern vermag. Es ist aber für die Big Science typisch, dass die Gesellschaft Themen vorgibt, die die Wissenschaft lösen soll, während in der Little Science noch begnadete Wissenschaftler der Gesellschaft vorauseilten.

    Um so erfreulicher ist, das der vorliegende Beitrag zeigt, dass die DGI-Mitglieder nun gezwungen sein werden, sich Gedanken über den „Eiertanz“ zum Thema „Information und Wissen“ (Kuhlen, R. KSS-6 S. 2) zu machen.
    Es stimmt: „Dazu addiert sich, dass Wissenschaft, wie ich sie hier denke, vorwiegend retrospektiv arbeitet, da ihr Material erst entstehen bzw. beobachtbar werden muss, bevor sie es durchdringen kann.“ Mit anderen Worten, aus Erfahrung lernen, das kann kein Fehler sein. Der Sinn dessen ist aber meist der, Fehler in der Zukunft zu vermeiden, oder auch Innovationen voranzutreiben. Schon allein an der finanziellen Situation der DGI ist zu erkennen, dass sie und ebenso die Informationswissenschaft in einer großen Krise stecken, weil eine Informationswissenschaft, die noch nicht einmal ihre Basis, die „Mathematical Theory of Communication“ zur Kenntnis nimmt, und behauptet, nicht zu wissen was Wissen ist, nachdem sich Sokrates, Plato, F. Bacon oder Descartes recht unmissverständlich dazu geäußert haben, hier einen dringenden Nachholbedarf hat.
    Als Shannon schrieb:
    “I thought of calling it ‘information’, but the word was overly used, so I decided to call it ‘uncertainty’. When I discussed it with John von Neumann, he had a better idea. Von Neumann told me, ‘You should call it entropy, for two reasons. In the first place your uncertainty function has been used in statistical mechanics under that name, so it already has a name. In the second place, and more important, nobody knows what entropy really is, so in a debate you will always have the advantage.”
    sollte das ein Witz sein, der nur die zum lachen herausfordert die genug Wissen haben.
    Konfuzius sagt: “Was man weiß, sollte man als Wissen gelten lassen, was man nicht weiß, als Nichtwissen.“
    Es scheint also doch so, dass der Wissensbegriff nicht so unklar ist, wie manche Informationswissenschaftler meinen. Insbesondere der informationswissenschaftliche Nachwuchs, sollte hier wieder definitorische Ordnung schaffen, denn es ist seine Zukunft.
    Walther Umstätter

    • Clemens said, on 6. Mai 2013 at 07:32

      Ben, vielen Dank für die Reaktion! Nun zum Inhalt:

      „…und man annimmt, dass strenge Wissenschaftlichkeit durch das Kriterium des pragmatischen Passens abgelöst wird“

      Wie kommt dieser Ausschluss zustande? Ich habe in keinem Wort erwähnt, dass man sich auf inhaltlicher Ebene wissenschaftlich unscharf ausdrücken soll. Ich sehe nur nicht, dass die DGI eine Universität ist oder ein Unternehmen. Die DGI kann sich nur als Think-Tank verstehen – Warum?

      1. Wissenschaftlich gearbeitet wird an den Universitäten
      2. Märkte werden von Unternehmen erobert

      Die DGI ist das UND, weil die DGI zwischen beiden Punkten steht. Das Bindeglied zwischen Wissenschaft und Praxis.

      „Eine Nebenwirkung könnte bei dieser Entwicklung sein, dass sich dabei die wissenschaftliche Disziplin Informationswissenschaft einfach auflöst zugunsten wohlklingender und pragmatischer Lösungen und zu einem Evaluations-und Think-Tank für (tatsächliche und denkbare) Informationsdienstleistungen zusammenschnurrt.“

      Diese Entwicklung ist gut, da sich mit ihr neue Chancen der Veränderung auftun, die nicht Altbewährtes sondern nur Altausgedientes beiseite schaffen. Aus meiner Sicht sollte die Informationswissenschaft erhalten bleiben. Eben nicht als wirtschaftsorientierter Studiengang, wie oft in Richtung Wirtschaftsinformatik. Informationswissenschaft war als Magisterstudiengang der bestmögliche Studiengang, um genau das zu sein: die Soziologie der Informatik. Man hatte Raum und Zeit, sich Gedanken zu machen, Wissen zu bilden und Meinungen zu äußern. Diese Zeit ist aus anderen bekannten Gründen leider vorbei! Jetzt gilt es sich Gedanken zu machen, was hier neu getan werden kann. Dafür sind die Universitäten in der Pflicht, Lösungen zu finden. Hiermit hat die DGI jedoch in der Umsetzung nichts zu tun, kann aber empfehlen.

      „Nur wirkt der Ausdruck „Geschäftsfelder“ hier in der Rückbindung an die Wissenschaft genauso als Splitter im Text, wie die Reduzierung der Soziologie auf die Technologie- und Methodenanalyse.“

      Hierbei sehe ich ein Missverständnis. Geschäftsfelder schließen sich innerhalb der DGI mit der Wissenschaft nicht aus, sondern die ergänzen die Wissenschaft um einen praktischen Teil. Die Soziologie wird nicht auf Technologie- und Methodenanalyse reduzert sondern die erweitert sie. Diesen Punkt hätte ich anscheinend deutlicher ausführen müssen.

      „Es ist wahrscheinlich Teil des Zeitkolorits, Wissenschaft stark in Hinblick auf Innovation, Spin-Off-Projekte und mögliche wirtschaftliche Verwertungsszenarien zu betreiben und zu denken.“

      Sehr richtig, aber bitte nicht an der Universität. Hier hat diese Meinungsfärberei erst einmal nichts zu suchen. Doch geht man aus die Universität heraus und begibt sich in Gesellschaften wie z.B. die DGI, dann ist das absolut gewollt – wäre auch schade, wenn nicht!

      „Es gibt keine übergreifend anerkannte Definition der Ausgangsbasis „Information“ und dem Verhältnis zum nicht minder vieldeutigen Begriff des „Wissens“.“

      So ist es. Jedoch schließe ich mich Herrn Umstätter an, Definitionen gibt es zu genüge. Die DGI erhebt den Anspruch, Menschen in einer Gesellschaft zu haben, die diese Meinungsvielfalt zum Thema „Information und Wissen“ widerspiegeln. Und genau hier unterscheiden sich unsere Meinungen gravierend. Anregender und inspirierender könnte dieser Titel kaum sein. Es sind nicht die Informationswissenschaftler alleine, die hierzu Antworten liefern, es sind die Menschen, die Informationsphilosophen und -pragmatiker aus allen erdenklichen Studiengängen, die Antworten liefern können. Und deswegen müssen wir dies im Namen tragen – verständlich und ohne Zungenbrecher.

      • Ben said, on 6. Mai 2013 at 22:29

        Ich freue mich über die Rückmeldungen und also den Dialog. Zwei Ergänzungen und eine Erweiterung möchte ich nachreichen.

        Erstens habe ich überhaupt nichts gegen „Meinungsvielfalt zum Thema “Information und Wissen”“ und ich verstehe, dass die DGI mehr sein muss will und auch mehr sein muss, als ein auf die Informationswissenschaft orientierter Verbund. In meiner oben ausgeführten Position schreibe ich allerdings als Informationswissenschaftler und streite somit für die Sache der Informationswissenschaft, die ich durch die Umbenennung eher geschwächt sehe. Mit der geschilderten Ausrichtung verliert die DGI für mich aus informationswissenschaftlicher Sicht an Relevanz und ich fürchte fast, dass ich nicht der Einzige bin, dem es so geht. Von Außen gesehen scheint es mir, als hätte die ehemalige Deutsche Gesellschaft für Informationswissenschaft und Informationspraxis den Fokus fast komplett auf die Praxis gelenkt, da die deutsche Informationswissenschaft zugegeben relativ wenig Impulse in die Praxis geben konnte, jedenfalls weniger als die bereits angesprochenen Unternehmen.

        Vielleicht hat sich die Informationswissenschaft als akademische Disziplin tatsächlich mittlerweile überlebt und hätte längst den Schritt zu dem Feld vollziehen sollen, dass man im englischen Knowledge Organization nennt und für das sich im deutschen mit der „Wissensorganisation“ bestenfalls das Rudiment eines Gegenstücks findet. Ich kann die Ernüchterung – auch nach der ISI 2013 – ein Stück weit verstehen. Man will eben keine Definitionsarbeit mehr und keine schwierigen bis zähen Debatten, keine akademischen „Eiertänze“ sondern das irgendetwas passiert, was auf den Märkten greift. Dafür braucht man einen Namen, der kein „Zungenbrecher“ ist und vor allem für das Marketing gut funktioniert.

        Dies, nun die zweite Ergänzung, scheint mir jedoch gerade schwierig, denn durch die Allgemeinheit der Ausdrücke „Information“ und „Wissen“ wird es nun nicht nur für die Suchmaschinenoptimierung furchtbar kompliziert, sondern auch für die Profilierung bei Leuten, die nicht mit der DGI vertraut sind. Man hängt jetzt viel stärker in dem ausufernden Feld des so genannten Wissensmanagements, in einem Feld mit selbst ernannten „Wissensmanufakturen“, Wissensdesign und Wissenswelten für Wissensgesellschaften, mehr oder weniger voller Wissensdurst und Wissenslücken, die es zu schließen gilt, also im Kontext einer breiten Marketing- und Phrasenmaschinerie, gegenüber der man sich abgrenzen muss.

        Selbst verwende ich das Wort Wissen gerade angesichts der allgegenwärtigen Hypertrophie seines Gebrauchs nur noch mit großer Vorsicht (jedenfalls bemühe ich mich darum) und mit möglichst klarem Bezugsrahmen. Vermutlich wird die DGI es auch tun. Ich hätte mir nur gewünscht, dass dies sich in einem neuen Namen ebenfalls spiegelt.

        Abgesehen davon, das als Anstoß für die Folgedebatte, habe ich den Eindruck, dass das Thema Wissen weithin (allerdings noch nicht bei den Programmentwicklern der Politik) an Reiz verloren hat. Auch wenn aus einer strengen informationstheoretischen Sicht die Idee der „Informationsflut“ unsinnig sein mag, so ist die subjektive Überforderung angesichts der Botschaften, die im normalen Medienalltag Aufmerksamkeit einfordern (schon allein um sie als irrelevant, desinformativ oder redundant wegzuordnen) zweifellos gegeben. Traditionelle Vorstellungen einer wissenden Erschließung dieser Kommunikationen helfen da wenig. Wir wissen schon mehr als uns lieb ist und dass in jedem Tweet etwas liegen kann, das unser Wissen bzw. unseren Gewissheiten in seinen bzw. ihren Grundfesten verunsichert und wir jeden Tag etliche Dutzend dieser potentiell für unser Wissen bedrohlichen Nachrichten empfangen, sorgt für einen ganz anderen Stress, als ihn noch die gemütliche Informationsdauerbeschallung der letzten Jahre des vergangenen Jahrhunderts bot. Auch Sokrates und Descartes helfen uns in dieser Lage kaum und von den Francis Bacons bietet für die Gegenwart möglicherweise der Maler aus Dublin die stimmigere Gegenwartsdeutung als der Empiriker aus London.

        Man kann der prinzipiellen Irritation womöglich ein bisschen entgegenwirken, in dem man Dogmen aufstellt. Katharina Knorr betonte in Rückgriff auf Rudolf Stichweh unlängst und völlig richtig;

        „Die Wissenssysteme einzelner Professionen müssen soweit dogmatisiert sein, dass eine hinreichende Stabilität des Wissens als Handlungsgrundlage gewährleistet ist.“ (In: Anna Bromley, Michael Fesca, et al. (2013): Glossar inflationärer Begriffe. Berlin: NGBK, S. 133)

        Vermutlich wäre eine zeitgemäße praktische Aufgabe für die DGI die Organisation und Stabilisierung dieser Dogmatisierungen für die Informationsprofessionen, wobei nicht ganz klar ist, was heute überhaupt in diese Kategorie fällt. In einem gesamt(wissens)gesellschaftlichen Rahmen kann ein geteilter Wissenshorizont dagegen bestenfalls sehr abstrakt gesichert werden. Nach meiner Erfahrung geht steigende Bildung mit einer derartigen Diversifikation des jeweils konkreten Wissens einher, dass sich Anforderungen wie auf Fakten orientierter Allgemeinbildung kaum noch erfolgreich formulieren lassen.

        Die Verbindungen zwischen Menschen entstehen tatsächlich wenig aus konkretem Informations- bzw. Schulwissen, sondern vor allem aus abstraktem Handlungswissen (Methoden, Wikipedia, Google), mit denen man sich je nach Bedarf und Situation auf einen Stand (vergänglichen) Wissens bringen kann, der situativ eine halbwegs funktionierende Kommunikation ermöglicht. Die Idee eines Kanons wurde spätestens gemeinsam mit den großen Enzyklopädien verabschiedet. Man akkumuliert Wissen heute weniger systematisch als biographisch und zufällig, womit wir vermutlich noch in unserer Lebenszeit eine Epoche der Menschheitsgeschichte verabschieden, die in der Aufklärung begann und im frühen 21. Jahrhundert ihr Ende findet. Der permanente Fluss von Nachrichten und Botschaften – schön symbolisiert durch die Facebook-Timeline – signalisiert uns permanent, wie unkontrollierbar die Welt eigentlich ist. Sie war das schon immer, aber heute tickert uns diese Gewissheit im Sekundentakt auf unser Smartphone. Mittlerweile haben wir uns daran gewöhnt und irgendwie stört uns das gar nicht mehr.

        In der Konsequenz verzichten wir auf einen festen Kontrollanspruch, steuern so ein bisschen grob unseren Optionen und Neigungen nach und finden so, wenn es gut läuft, einen annehmbaren Modus Vivendi für unsere informationelle und unsere allgemeine Existenz.

        Was mit diesem Trend ebenfalls ein Stück weit schwindet, ist das Bedürfnis Lösungen zu finden. Die Berlin-Mitte-Lebenswelt mag die Perspektive hier besonders zuspitzen, aber mir scheint doch, als geht der Zeitgeist momentan in die Richtung, dass man auch die großen Weltprobleme (Klimawandel, Bankenkrise etc.) halbwegs bequem mit lockerem Slacktivismus oder auch besser noch mit bewusstem Konsumverhalten adressiert, sich aber ansonsten angesichts der erkannten per se unkontrollierbaren Komplexität solcher Entwicklungen von der Idee, man könnte mit irgendeiner Big Science oder Raketenwissenschaft etwas lösen, verabschiedet. Für diese (also meine) Generation geht es mehr um das persönliche und passable Zurechtkommen in einer qualitativ gut genutzten Lebenszeitspanne. Entsprechend hüpfen wir, wenn wir können, zwischen Berlin, Stan- und Oxford und Kopenhagen in temporären Anstellungsstrukturen umher und hoffen dabei mehr auf ein persönliches Fortkommen als darauf, etwas für eine abstrakte Menschheit zu leisten. Fragen wie die danach, wie wir in Zukunft leben werden und welches Wissens und welche Innovation wir dafür brauchen, spielen da kaum eine Rolle. Denn eigentlich leben wir ganz prima. Zudem ist jedem klar, dass die Innovationsindustrie uns ohnehin aus ihrem Selbsterhaltungstrieb heraus ständig verlockende Angebote zur Lebensoptimierung machen wird. Daher gehe ich stark davon aus, dass die so genannte Wissensgesellschaft heute für diese Kohorte, die ja auch die Geschicke der Gegenwart lenkt, wenig mehr als eine Schimäre ist.

        Mittlerweile verbinden – meiner Erfahrung gemäß – geteilte Erlebnisse, Assoziationen (mit bestimmten Symbolen) und Erfahrungen die Menschen stärker als gemeinsame Wissensbestände (die es natürlich nach wie vor gibt, die auch notwendig sind, die aber kein Ziel an sich mehr darstellen). Dieser konkrete Rahmen ist naturgemäß extrem zeitgebunden und lässt sich nicht in Bits umgewandelt kommunizieren, sondern höchstens über Narrative, Bilder und vielleicht sinnliche Repräsentationen. Die Hausse der Visualisierung unterstreicht dies. Was wir im Bereich der Medienindustrien (vom Infotainment des Fernsehens über die massentaugliche Kommunikation/Vermarktung von Wissenschaft bis hin zu den Sozialen Webnetzwerken) derzeit erleben, ist eine Abwendung von der Information und auch vom Wissen hin zur Schaffung von temporären Kontexten, Erlebnissen, Eindrücken und möglichst auch Bedürfnissen. Konsumentenfreundliche Hardwareformate wie Tablet-PCs und der allgegenwärtige Anspruch an unmittelbare Verständlichkeit sind zentrale Bausteine dieser Entwicklung.

        Aus diesem Grund interessieren mich eigentlich Diskurse und Kommunikationspraxen mehr als Information und Wissen. Die Frage meiner Wissenschaft wäre, a) ob sich diese Wahrnehmung verifizieren lässt und b) falls ja, wieso es so kam. Aus diesem Grund gefällt mir auch der Gedanke der „Informationswissenschaft als Soziologie der Informatik“, was zwangsläufig auf eine STS-Forschungsausrichtung hinauslaufen müsste (STS=Science-Technology-Society-Studies). Ob das allerdings noch irgendetwas mit dem zu tun hat, was sich die etablierte Informationswissenschaft oder die DGI vorstellt – nun ja, das wäre noch zu erfragen.

  2. Walther Umstaetter said, on 7. Mai 2013 at 08:19

    Sie schreiben: „Erstens habe ich überhaupt nichts gegen “Meinungsvielfalt zum Thema “Information und Wissen”” was zunächst sympathisch, weil tolerant klingt, aber bei genauerem Hinsehen, nur den bereits zitierten „Eiertanz“ fortsetzt, der die Informationswissenschaft und damit auch die DGI seit Jahren zunehmend ruiniert hat. Eine fundierte Diskussion erfordert ein gewisses Niveau an terminologischer Grundkenntnis, die man in Schule und Hochschule erwerben sollte, die aber gerade in unserer Disziplin schon zu oft vernachlässigt wurde (s. LaiLuMU bzw. KSS). Natürlich haben hypothetische Meinungsäußerungen mit unscharfen Begriffen große Vorteile, man kaschiert seine Unwissenheit, kann nur schwer widerlegt werden, auch wenn man noch so großen Unsinn erzählt, kann bei Urheberschaft im nachhinein immer sagen, das hab ich ja gemeint, etc. Aber der Siegeszug der Wissenschaft bis in unsere heutige Big Science hinein, beruht auf gut begründeten Wissenszuwächsen, und damit auf einer immer differenzierteren fundierten Terminologie, auch wenn man diese im Informationsmüll immer mehr suchen muss.

    Eine nicht unerhebliche Zeit hat die DGI hauptsächlich durch die damalige OLBG (On-Line User Group) überlebt, weil das Informatinsspezialisten waren, die voneinander viel existenziell wichtiges lernen konnten. Die Frage ist also, ob es ihr wieder gelingt Spezialisten aus Hochschulen, Forschungseinrichtungen und Betrieben zusammen zu bringen, die sich gegenseitig geistig und beruflich befruchten können. (Dass die Geheimhaltung in den Betrieben dabei ein zunehmendes Problem ist, kann leider nicht übersehen werden. Ebenso die damit verbundene euphemistische Ausdrucksweise, die mit vagen Andeutungen mehr Schein als Sein vortäuschen will.) Dies zu entlarven und mit dem so gewonnenen Vorsprung gegenüber Außenstehenden die wirkliche Qualifikation in der Öffentlichkeit zu manifestieren ist sicher ein lohnendes Ziel. Aber wenn ein Informationsspezialist in der DGI noch nicht einmal den Unterschied zwischen Information, semiotischer Begrifflichkeit und Wissen zu erklären vermag, sehe ich weiterhin schwarz. Es ist zwar richtig, dass es für diese Begriffe die unterschiedlichsten Abgrenzungen und Deutungen gibt, aber das ändert nichts daran, dass die meisten unsinnig, beliebig unüberlegt und ohne theoretischem Fundament sind, nach dem Motto „Für mich ist Wissen …“ Natürlich könnte Sokrates, Plato, Bacon, Descartes etc. überholt sein, sind sie durch die Informationstheorie auch in gewissem Maße, aber das kann man nicht dadurch zeigen, indem man ihre Erkenntnisse einfach ignoriert. Andererseits hat die Informationstheorie mit den nachfolgenden Computern auch die Aussage: „Für mich ist Wissen nur etwas, was sich in den Köpfen abspielt“ (http://blog.hapke.de/page/10/), falsifiziert, denn das war das Ziel der „Denkmaschienen“, die zunächst nur Information logisch verarbeiteten, nun Semantik (richtiger gesagt Semiotik) betreiben, und natürlich auch schon Ansatzweise die Logik des Wissens nutzen

  3. Ben said, on 8. Mai 2013 at 00:03

    Der Vortrag von Jens-Erik Mai im Berliner Bibliothekswissenschaflichen Kolloquium von diesem Dienstag kam tatsächlich zum perfekten Zeitpunkt zu der sich hier vollziehenden Debatte. Wenn der Professor der Royal School fragt „How to do things with information“ (vgl. das Abstract), dann legt programmgemäß den Schwerpunkt auf das „how to“, also die Frage, was und wieso Menschen Informationen austauschen. Damit verfolgt ein wenn man so will Komplementärmodell zur Shannon-Weaver’schen Position. Diejenigen, die seine wissenschaftliche Arbeit auch sonst verfolgen, erfuhren wenig Neues. Als einführende Herleitung in seinen Ansatz bot die Präsentation jedoch die richtige Dosis an Komplexität. Am Ende stand die allgemeine Definition der Informationswissenschaft (bzw. der Information Studies):

    „Information studies explores the interpretative, societal, social and contextual dependent understandings of information exchange.“ (hier eine verwaschene Handyfotografie der Abschlussfolie)

    Für mich läuft das auf eine Art Informationshermeneutik zu und auch wenn mich die Umsetzung nicht begeistert, scheint mir – wenig überraschend – die Grundausrichtung sehr begrüßenswert. Was daraus beispielsweise für den Aspekt der Informationsqualität folgt, kann man in einem anderen Text, der im LIBREAS-tumblr referiert wird, gut nachlesen. Ob dies sich im Mainstream der Informationswissenschaft verankern lässt bzw. ob die Informationswissenschaft daraus den Schwung schöpfen kann, den sie braucht, um die in so gut wie jedem persönlichen Gespräch kommunizierte Ermüdungs-, bisweilen gar Endzeitstimmung für das Fach zu überwinden, bleibt trotz aller Bemühungen von Jens-Erik Mai, die Relevanz und Zeithöhe der Informationswissenschaft herauszustreichen, so unklar wie vor der Session.

    Das Hauptproblem ist dabei übrigens überhaupt nicht, dass es an motivierten NachwuchswissenschaftlerInnen mangelt, die auch offen genug sind, mit Elan, Mut und solider wissenschaftlicher Kompetenz der Informationswissenschaft eine Perspektive zu erarbeiten. Sondern daran, dass der akademische Betrieb nicht nur aber besonders gravierend in Deutschland kaum Stellen bereithält, die diesen Akteuren wenigstens mittelfristig die Möglichkeit eröffnen, Informationswissenschaft wissenschaftlich zu betreiben. Und solange sich das nicht ändert, haftet derartigen Debatten vermutlich unvermeidlich der Nebengeschmack einer Abrissparty voll guter Wünsche an. So ganz verwunderlich wäre es dann nicht mehr, sollte das, was man heute Informationswissenschaft nennt, wahrscheinlich sogar fast unbemerkt vom Rest der Wissenschaftswelt in sich zusammenstürzen und von seine Reste von den Kehrwagen der Informatik, Medienwissenschaft und vielleicht auch noch ein paar anderen Disziplinen für die Nachverwertung zusammengekehrt werden. Insofern kann man nicht so richtig glücklich aus diesem BBK in die Nacht gehen. Wichtig und inspirierend war es aber trotzdem.

    • Walther Umstätter said, on 8. Mai 2013 at 10:09

      Lieber Herr Kaden,
      zunächst ist bemerkenswert, dass Prof. Mai “In information studies information is organized, used, disseminated, stored, retrieved, collected, managed, evaluated, transformed, transferred, sought and measured.” diese so definiert, wie wir es ursprünglich aus der Dokumentation gewohnt sind. Der Zusatz „measured“ zeigt auch den Rückgriff auf die Informationsmessung in bit.

      Darüber hinaus ist es natürlich naheliegend, dass Dozenten wie er, sich immer Gedanken machen, welches Wissen sie vermitteln, damit ihre Studierenden es im Berufsleben auch nutzen können. In dieser Richtung würde ich auch sein Fazit: “Information studies explores the interpretative, societal, social and contextual dependent understandings of information exchange.” verstehen. Im Hintergrund ist diese dokumentarische Betrachtung nichts anderes als die zunehmende Abkehr vor zwanzig Jahren vom Wort Information zur Semantik und dann zum Wissen. Als Ausbildungseinrichtungen Informationskompetenz bei Zielgruppen wie Bibliothekaren, Dokumentaren, Informationsvermittlern, Information Managern oder auch Knowledge Managern vermittelt haben, war es im Prinzip nicht schwer zu sagen, was in der Praxis gebraucht wird. Meist konnte man sogar in der Lehre schon ein Wissen anbieten, das die Absolventen dann z.B. in die Bibliotheken neu einbringen konnten. Das hat ja so weit geführt, dass alte erfahrene Mitarbeiter vorzeitig in den Ruhestand gingen, um jungen modernen Kräften Platz zu machen. Jetzt dagegen, wo die Bibliotheken und Dokumentationseinrichtungen bei elektronischen Dokumenten massiv enteignet werden, ihre Existenz also auf dem Spiel steht, wo den Studierenden als Rechercheuren von Google beispielsweise vieles nicht vermittelt werden kann, weil es fast täglich Veränderungen unterliegt, vieles geheim gehalten wird und die Informationskompetenz zunehmend zum Schulfach wird, macht sich verständlicherweise Unsicherheit breit. Um so wichtiger ist, dass sich Studierende und Absolventen dem neuen Fachgebiet der Wissenswissenschaft mit Wissens(selbst)organisation, Wissensmanagement, Szientometrie, aber auch gesellschaftlicher Informationslogistik etc. zuwenden, um das dann in die Praxis neu einzubringen.

      Dass diese Spezialisten natürlich als erstes möglichst klar unterscheiden müssen was wirklich Wissen ist, und was nur an Gerede darüber geschüttet wird, ist selbstverständlich. Außerdem muss diese Frage nach wirklichem Wissen, notwendigerweise auf die fundierte Basis der Informationstheorie und der Semiotik gestellt werden.

      Es ist nicht neu, dass Absolventen einer bestimmten Wissenschaft sich entscheiden, ob sie in die Praxis gehen um ihre erlernten Theorien anzuwenden oder in Forschung und Lehre, um die Theorien weiter zu entwickeln. Gerade in unserem Bereich ist es typisch zunächst in der Praxis Erfahrungen zu sammeln um die dann auch wieder an die nächste Generation weiter zu geben. Insbesondere diese Zusammenarbeit von Theorie und Praxis könnte die DGI als Diskussionsforum fördern.


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