Das Tribünal: Auch die NZZ berichtet über die jüngste DFG-Kritik.
Ein Kommentar von Ben Kaden
Am vergangenen Freitag gab es im Berliner Ensemble ein Stelldichein des Heidelberger Instituts für Textkritik, das sich mittlerweile auch Institut für Forschungspolitik-Kritik oder – falls das zu sperrig ist – Institut für DFG-Kritik nennen könnte. Uwe Jochum, Roland Reuß, Volker Rieble und Georg Siebeck standen mit vorbereiteten Diskussionsbeiträgen im Programm zur Veranstaltung mit dem bissigen Titel „Freie Wissenschaft vs. geheime Wissenschaftsförderung. Zur Reform der DFG“.
Dazu war dann noch der Verleger KD Wolff als Anmoderator jedoch kein Vertreter der DFG im Foyer des Berliner Ensembles aktiv an den Reformplanungen beteiligt. Was auch nicht notwendig war, denn offensichtlich handelt es sich eigentlich gar nicht um ein Reformvorhaben sondern um eine Schwarzbuchlesung.
Die DFG wird dennoch mit Interesse die Presseberichterstattung zum Thema sichten. Gestern gab es bereits in der Süddeutschen Zeitung einen soliden Report von Jens Bisky (Wut-Wissenschaftler attackieren Bürokratie-Wahnsinn). Ein ausführlicher Kommentar zu diesem Text erschien im IBI-Weblog (Das Protestensemble). Heute legt nun Joachim Güntner in der Neuen Zürcher Zeitung einen etwas schwächeren Artikel mit der Überschrift Gelenkte Forschung. Das Tribunal über die DFG in Berlin nach. Er erweitert das bisherige vor allem um die so unglückliche wie irreführende Metapher des Tribunals, denn für deren überzeugende Verwendung fehlt es dem Text eindeutig an Ironie.
„Nach einer Begrüßung durch den Verleger KD Wolff verlasen sein Kollege Georg Siebeck, der Rechtswissenschaftler Volker Rieble, der Bibliothekar Uwe Jochum und der Literaturwissenschaftler Roland Reuß ihre Anklageschriften.“
In dieser Darstellung mutet das mehr oder weniger Verstandgericht zu Berlin schon eine Spur mehr als grotesk an. Dass die Protestsozietät sich als Anwalt der Wissenschaftsöffentlichkeit geriert ist eine Sache. Dass indes die Presseberichterstattung den Eindruck erweckt, bei der Aufführung ginge es zu wie in einer Schillerballade und zwar mit Recht, rangiert diesen Kranichzug aufs völlig falsche Gleis. Man kann zur DFG stehen, wie man will. Aber hier scheint man in Zusammenarbeit mit einer durchaus etwas rohen vierten Gewalt, die eben nicht noch einmal kritisch aufkocht, was sich der Heidelberger Zirkel so zusammenbraut, doch etwas zu sehr im trügerischen Bild der vermeintlich hofwissenschaftlichen Willkür aufzugehen:
„Sie [die DFG] formuliert Erwartungen und prämiert Ergebnisse in einer Weise, die Konformismus, wenn nicht gar «Speichelleckerei» (Reuss) erzeugt und der Idee ergebnisoffener Forschung widerstrebt. Ihre Fachreferenten agieren als Königsmacher, die bereits mit der Wahl des Gutachtens über Wohl und Wehe eines Antrags auf Förderung entscheiden; die Gutachter selbst fällen wiederum ihr Urteil im Schutz der Anonymität wie Dunkelmänner.“
Abgesehen von den Bühnen schlechter Kriminaltheater sind solche Holzschnittszenarien so gut wie immer fehl am Platz. Verborgen bleibt zudem, was die Tyrannenschelte eigentlich auf lange sich bezwecken soll. Wer schon einmal mit einem Antrag bei der DFG auflief, nach Monaten im Ungewissen eben doch nicht loslegen und die gesamte Leidensskala des Zurückgewiesenseins durchleben durfte, pflichtet vielleicht zustimmend bei. Er wird dennoch kaum im Anschluss an dieses Gepolter die Revolution ausrufen. Sondern den nächsten Antrag schreiben. Was dann noch bleibt, ist der Effekt der öffentliche Skandalisierung, die einem eine sichere Stellung im Reputationsmarkt und zwar auf der sonnigen Seite derer, die richtig liegen, verschafft. Dass man sich damit allerdings abseits der selbst mit nachdruckt geschwenkten Ziele der Wissenschaft bewegt, liegt dann auch offen.
Man kann nicht oft genug daran erinnern, dass Wissenschaft und auch die Selbstorganisation der Wissenschaft ein diskursives Geschehen sind. Die Stärke des Sozialsystems Wissenschaft liegt darin, dass man dabei gewissen Kommunikationsnormen folgt, die allen Teilnehmern im Spiel verbindlich sind. Die Möglichkeit eventuelle Normverstöße der Anderen mit eigenen Normverstößen legitim zu attackieren, ist darin nicht vorgesehen. Vielleicht traut sich nun jemand, das Notwehr-Argument einzuwerfen, das hier jedoch keines zum Totschlag ist. Denn selbst wenn die DFG keine Konkordanzdemokratie darstellt, so ist sie nüchtern betrachtet auch weit entfernt von einem Tyrannenstaat. Eine Verständigung sollte also machbar sein. Dies setzt freilich eine Dialogbereitschaft auf Augenhöhe voraus. Natürlich ist so etwas weniger als Spektakel umsetzbar, als der Versuch, sich als Deviationistenverband zu stilisieren.
Wie das Tischtuch, dass das süddeutsche Quartett mit solchen Veranstaltungen zerrupft, jemals wieder zusammengenäht werden soll, bleibt offen. Ob sich die DFG von einer für jeden erkennbar schwachbrüstigen Überziehung einer an nicht wenigen Punkten prinzipiell sicher berücksichtigenswerten Kritik wirklich beeindrucken lässt, ist genausowenig bekannt. Das Team Textkritik macht es ihr mit einem derartigen Schauschimpfen allerdings auch leicht, über die Vorwürfe hinwegzugehen.
Joachim Güntner wagt in seinem etwas matten Bericht nur im Abschlussabsatz eine kleine Positionierung zu den Veranstaltern:
„Als eigensüchtig oder bloss querulantisch lässt sich ihre Kritik an der DFG dennoch nicht abtun. Die geschilderten Missstände sind allemal von Übel.“
Er irrt leider in der ersten Aussage und zwar gravierend. Denn genau dieser Eindruck lässt sich nicht vom Tisch wischen und die Schicht, die hier aufgetragen wird, überdeckt alles andere inklusive der geschilderten Missstände. Sollte die Rechnung in irgendeiner Form dennoch aufgehen, vielleicht weil Multiplikatoren wie Joachim Güntner das Ganze ungefiltert und damit mutmaßlich als die ganze Wahrheit in die Wahrnehmungswelt der Zeitungsöffentlichkeit streuen, dann wäre es umso mehr ein Zeichen, dass der Grundanspruch der Wissenschaft hinter der Selbstinszenierung verblasst.
In der Frankfurter Allgemeinen Zeitung berichtet morgen Regina Mönch nicht unerwartet dafür aber sehr sachlich und auf jede eigene Bewertung verzichtend über die Veranstaltung (Undurchsichtige Auftragsforschung. Ausgabe 06.07.2011, S. N 5). Das ist ganz gut so, denn nun werden dem Puzzlebild, dass sich der Zeitungsleser zur Veranstaltung zusammensetzt, doch noch einige konkrete Reformvorschläge beigefügt:
Auch die Besetzung und Verflechtung von Gremien soll, so Roland Reuß, transparenter werden, um Interessenkonflikten vorzubeugen. Ebenso solle die Rolle der Fachreferenten geprüft werden, denn, so die Einschätzung Roland Reuß‘:
Und schließlich dürften Gutachter nicht mehr anonym begutachten.
Es geht in allen Punkten um nicht mehr und nicht weniger als Transparenz und so taucht erwartungsgemäß das Kaaba-Motiv wieder auf (vgl. auch hier). Würde man auf solche Bilder verzichten, hätte man es aber vermutlich leichter, so ein Anliegen mit mehr Wirkungsbreite bei denen zu kommunizieren, die es vorrangig angeht: den Wissenschaftlern.
Nebenbei bietet der vorliegende Fall mit durchaus unterschiedlichen Berichterstattungen in drei großen deutschsprachigen Tageszeitungen ein schönes Lehrstück in puncto Presseberichterstattung. Es lohnt durchaus, alle bisherigen Hauptartikel zur Veranstaltung parallel zu lesen. Mehr hätte sich allerdings, wie sich immer mehr herauskristallisiert, der kurze Gang zum Ensemble gelohnt.
Kleiner Nachtrag: Mittlerweile ist der Artikel aus der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom Mittwoch auch online: Kritik an der DFG: Undurchsichtige Auftragsforschung
Ebenfalls vom 07.07. stammt eine Stellungnahme des Präsidenten der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), Matthias Kleiner, zu den erhobenen Vorwürfen. Diese ist über die Startseite und das Nachrichtenarchiv auf dfg.de abrufbar: Haltlose und absurde Kritik. DFG-Präsident weist Vorwurf der Intransparenz zurück. (PDF)
Roland Reuß und Volker Rieble veröffentlichten in der gestrigen Ausgabe der Frankfurter Allgemeinen Zeitung nochmals eine ausführliche Kritik an der DFG in sieben Schritten: Die freie Wissenschaft ist bedroht.
Kurz darauf reagierte die DFG mit einer Pressemitteilung, in der ihr Präsident Matthias Kleiner u.a. mit der Aussage zitiert wird:
Man kann gespannt sein, ob sich ein solcher im Anschluss an die z.T. heftigen Attacken gegen die DFG mit den beteiligten Protagonisten entwickeln lässt oder ob die Gräben zwischen diesen zu tief sind. Auffällig ist der im Vergleich zu anderen Beiträgen und auch zur Rhetorik der Veranstaltung im Berliner Ensemble vom 01.Juli 2011 betont stärker das Argument als den Angriff suchende Stil des Artikels. Damit liegen nun auch diskursfähigere Referenzpunkte vor als sie beispielsweise das Bild der DFG als Kaaba bietet.
Einen Gesichtspunkt griff Matthias Kleiner in seiner knappen Entgegnung bereits auf. Zum Vorwurf
bemerkte er:
Der lange Zeit prominente Angriffspunkt „Open Access“ ist in der gestrigen Kritik übrigens nur ein Aspekt unter vielen. Er wird nur an einer Stelle erwähnt:
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Eine weitere Position zur Kritik an der DFG findet sich in der Mailingliste inetbib. Dort schreibt Walther Umstätter: