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Im Kreuzungsbereich: Eine Lektüre der Überlegungen Yael Keshets zum Verhältnis von Taxonomien und Folksonomien

Posted in LIBREAS.Referate by libreas on 1. Februar 2011

„Es scheint ein wenig, als wüchse sich die Wechselbeziehung zwischen Folksonomien und Taxonomien zu einem bibliotheks- und informationswissenschaftlichen Trendthema aus.“

Auch wenn die Wahrnehmung subjektiv geprägt ist, freut man sich über die Bewegung, die dieses Thema in Bibliotheks- und Informationswissenschaft trägt. So findet sich fast als Ergänzung zweier aktueller Dissertationen in der Ausgabe 1/2011 des Journal of Documentation neben ein paar anderen äußerst interessanten Beiträgen ein Aufsatz der israelischen Soziologin Yael Keshet mit dem Titel Classification systems in the light of sociology of knowledge. In diesem stößt sie, im Rahmen des in einem solchen Aufsatz Möglichen, in die Lücke vor, die in der Besprechung der Dissertationen von Isabella Peters und Katrin Weller markiert wurde. Daher drängt sich eine Lektüre mehr als auf und eignet sich hervorragend, den LIBREAS.Referate-Bereich dieses Weblogs zu reaktivieren:

Ben Kaden: Im Kreuzungsbereich. Yael Keshets Überlegungen zu Taxonomien, Folksonomien und möglichen Hybriden. Eine Lektüre.  – PDF-Download

2 Antworten

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  1. Jakob Voss said, on 2. Februar 2011 at 21:24

    Danke für die ausführlichen und anregenden Gedanken zu Taxonomien (hieß das früher nicht monohierarchische Klassifikationen?) und Folksonomien. Ich wundere mich allerdings immer wieder über die Aufstellung von Gegensätzen, wo doch beide Ansätze mehr gemeinsam haben als sie trennt. Außerdem wird zu oft frei theoretisiert, anstatt die genannten „Hybriden“ mal umzusetzen. Ich kann mir viele Systeme auf dem Kontinuum (!) zwischen Taxonomie und Folksonomie vorstellen., z.B. von Nutzern frei änderbare Hierarchien, parallele Hierarchien, die bekräftigt, oder angezweifelt werden können etc. Nur sollten bitte auch konkrete Beispiele vorliegen. Letzendlich ist es auch sinnvoller die Systeme mehrdimensional zu betrachten: die Achse Taxonimie-Folksonomie ist nur einer von vielen Aspekten – und gar nicht unbedingt der interessanteste.

  2. Ben said, on 3. Februar 2011 at 12:00

    Hallo Jakob,

    hab besten Dank für die Anmerkungen.

    Ich stimme ohne zu zögern dahingehend zu, dass eine steife dichotome Aufsplittung, wie sie häufig erfolgt und wie ich sie in gewissere Weise reproduzierte, dem Sachverhalt nicht unbedingt gerecht wird. Aber sie senkt zunächst einmal die Komplexität und erleichtert das Verständnis.

    Wir befinden uns m.E. nach wie vor auf der Ebene der Problembestimmung und dafür ist das Abstecken der Extrempole hilfreich. Von dort ausgehend kann man sich an der weiteren, zusätzliche Dimensionen berücksichtigende Differenzierung hinsichtlich des von Dir erwähnten Kontinuums abarbeiten. Dein Einwurf ist ein wichtiger Schritt.

    Weniger nachvollziehbar ist mir Deine Abneigung gegen freies Theoretisieren. Mir erscheint es gerade da, wo Sachverhalte unscharf bestimmt vorliegen, als eine durchaus angemessene Methode zur Annäherung. Das Durchdenken verschiedener Varianten und das offene Notieren und möglicherweise auch Irren und Verwerfen von Gesichtspunkten bleibt für mich ein wichtiger Bestandteil einer Wissenschaft. Ich verstehe, dass Du – sehr berechtigt – auf die konkrete Operationalisierung hinaus möchtest. Mein Blickwinkel ist aber generell ein anderer.

    Es ist sehr vieles vorstellbar und die von Dir anskizzierten Feedback-Schleifen sind ungemein spannend. Offen bleibt für mich gerade aus praktischen Erfahrungen heraus der Aspekt der Nutzeraktivierung.

    Wenn die Bibliotheks- und Informationswissenschaft selbst erst mit vergleichsweise simpler Handhabe um die Relation Taxonomie-Folksonomie zu kreisen beginnt, ist es schwer, von einer größeren Nutzergruppe das für die Wahrnehmung derartiger Feedback-Möglichkeiten notwendige Vorverständnis zu erwarten.

    Das ist kein Anlass, hier nicht weiter zu denken und zu arbeiten, sondern eher ein Ansporn. Man muss jedoch zunächst damit rechnen, dass dynamische Gestaltungsoptionen für parallel geführte Hierarchien vorwiegend von einem selbst und, sofern man Glück hat, der eigenen Arbeitsgruppe genutzt werden.

    Ich bin überzeugt, dass Du den richtigen Weg aufweist und dass Rückkopplungs-Verfahren zur Hierarchisierung – ob nun explizit durch gezielte Bestätigung oder Negation der hierarchischen bzw. semantischen Beziehung oder implizit über die Auswertung eines konkreten Nutzungsverhaltens – für die Entwicklung eines pragmatic web als Ergänzung des semantic web entscheidend sein werden. Dennoch erhöht jeder Parameter, den wir dazu addieren, die Komplexität, die sich auch in der Umsetzbarkeit niederschlägt.

    Für mich ist es zunächst wichtig, dass man in unserer Disziplin den Diskurs diesbezüglich öffnet und aktiv führt. Ich verstehe das Bedürfnis nach greifbaren Umsetzungen. Aber was treibt uns? Roland Reuss mag nach den Grotesken um seinen Heidelberger Appell kein guter Gewährsmann sein und sein Artikel zur Wechselwirkung von Denken und Typographie in der heutigen Ausgabe der Neuen Zürcher Zeitung ist ebenfalls nicht ohne streitbares Potential. Aber in einem Punkt muss man ihm zustimmen, nämlich darin, „dass Denken Zeit und Geduld, mit einem Wort: die Langsamkeit eines Studiums braucht.“ Und den andauernden Dialog ergänzen.

    Reuss unterschätzt bzw. fehlinterpretiert, dies nur nebenbei, das Potential des Internets: Die Informationsversorgung und Datenverarbeitung ist zwar ein wichtiger, aber eben doch auch ein trivialer Aspekt. Entscheidender scheint mir die Rolle als Kommunikationsmedium. Kommunikation geht dem Diskurs immer voraus. Denken ist, jedenfalls so, wie ich es verstehe, nur zur Hälfte Rezeption. Die andere ist der Dialog über das Rezipierte, dessen Interpretation sowie natürlich den Rezeptionsprozess. Das Dialogische beschleunigt erfahrungsgemäß erheblich das Denken. Es braucht aber ebenfalls Zeit. Die sollten wir uns nehmen.

    Ich würde es sehr begrüßen, wenn sich an dieser Stelle ein solcher, ruhiger, geduldiger und doch frischer Dialog zur Zukunft der Klassifikation entwickeln würde.

    Viele Grüße,

    Ben


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