Gedanken im Anschluss an Katrin Weller, Dominic Mainz, Indra Mainz und Ingo Paulsen (2007) Wissenschaft 2.0? Social Software im Einsatz für die Wissenschaft.
Katrin Weller, Dominic Mainz, Indra Mainz; Indra und Ingo Paulsen (2007) Wissenschaft 2.0? Social Software im Einsatz für die Wissenschaft. In: Ockenfeld, Marlies (Hrsg.): Information in Wissenschaft, Bildung und Wirtschaft. 29. Online-Tagung der DGI. 59. Jahrestagung der DGI. Frankfurt am Main 10. bis 12. Oktober 2007. Frankfurt am Main: DGI e.V. 2007, S. 121-136
– Ein Kommentar von Ben Kaden –
Ein neues Web, voll Leben, Muth und Kraft…?
Wer auf der diesjährigen Buchmesse umherstreifte (oder auch nur die Medien- bzw. Wirtschaftsseiten der Tagespresse der letzten Monate
mit dem halben Auge verfolgte), weiß, was die Stunde geschlagen hat, nämlich, dass das Web 2.0 nun endgültig Mainstream-Thema geworden ist.
Einerseits nimmt dadurch die Quantität des Textaufkommens zum Phänomen noch einmal enorm zu und die Early Adpoter werden sich, wie das so bei Trends üblich ist, vielleicht etwas frustriert wiederfinden, wenn auf einmal Boulevardzeitungen all die Werkzeuge zur Kundenbindung nach dem Prinzip des Prosumer (Produzent+Konsument in einem) benutzen und umsetzen, von denen vor drei, vier Jahren kaum jemand etwas wissen wollte.
Andererseits ergibt sich aus der Zunahme der Aufmerksamkeit und der Marktrelevanz auch ein enormer Entwicklungs- und Differenzierungsschub, an dessen nächstem Etappeziel womöglich stehen wird, dass Social Tagging, Social Search und Social Navigation nunmehr Alltagswerkzeuge sind, von denen man fast nicht glauben mag, dass es sie nicht schon immer gab – so wie es uns heute mit schlichten Volltextsuchmaschinen, E-Mail und Online-Buchhandel geht.
Da nun für nahezu alle Bereiche der Kommunikation entsprechende Werkzeuge zur elektronischen Umsetzung verfügbar sind, ist es nur folgerichtig, dass sich auch die Wissenschaftskommunikation des Web 2.0 für ihre Zwecke bedient, obschon die Wissenschaftler – jedenfalls bestimmte Disziplinen – weitaus stärker als berücksichtigt, sehr(!) früh Nutzer elektronischer Kommunikationsmittel waren. Die frühen Formen sahen allerdings etwas grobschlächtiger aus, waren häufig schwieriger zu bedienen und hatten nicht den unmittelbaren Interaktionsgrad, den uns AJAX etc. heute in den Anwendungen bieten.
Poltern wir nun in die Ära einer Wissenschaft 2.0? Katrin Weller, Dominic Mainz, Indra Mainz und Ingo Paulsen tun ganz recht daran, die Überschrift ihres Beitrags für die diesjährige Online-Tagung der DGI mit einem Fragezeichen zu versehen. Die dazugehörige Präsentation konnte ich leider nicht besuchen, der in den Proceedings enthaltene Beitrag bietet sich allerdings sehr für eine nähere Betrachtung an und damit einen Anlass, das etwas vernachlässigte LIBREAS-Referate-Blog neu anzustupsen, wobei gleich ein Nebenaspekt deutlich wird, der in dem Beitrag des Autorenteams leider keine Beachtung findet: Wie steht es mit dem Zeitmanagement, bzw. wer soll all das in Ruhe lesen, verarbeiten und möglichst noch kommentieren, was dank des Unmittelbaren der Weblogs als (Semi)Publikationsmittel in ziemlich geringen Zeitabständen durch die Newsfeeds flitzt?
Auch dies ist eine Frage für eine „Wissenschaft 2.0“, die ihre Antwort harrt. Und es gibt weitere – dazu später mehr. Der gut und schnell lesbare Beitrag verfolgt das buchstäblich grundlegende Ziel, „Einblicke in neue Ansätze des Web 2.0, vor allem dahingehend, wie gemeinschaftlich Wissen und Daten gesammelt, aufbereitet und verwaltet werden können“ zu geben. Das „neu“ erscheint mir deplaziert, da ich mir nicht so richtig „alte“ Ansätze des Web 2.0 vorzustellen vermag, aber das ist nun ein bisschen stilistische Haarspalterei und eigentlich sekundär.
Primär ist das Verfahren der Autoren, dass a) ein eher allgemeines Vorstellen der Social Software-Anwendungen und b) ein konkretes Prüfen in Hinblick auf die Wissensgewinnung bzw. des Wissensmanagements in der Wissenschaft umfasst. Der erste Abschnitt beschreibt zunächst einmal den „Wandel zum Web 2.0“ und fasst dabei die wichtigsten Entwicklungslinien seit Tim O’Reilly bis zur eScience zusammen. Leider wird hier auch wieder die „neue Ära“ ausgerufen, in der der Nutzer Prosumer wird, wobei ich mich frage, ob sich denn niemand an die nicht gerade kleine Online-Community Geocities erinnert (oder auch an das Usenet). Einfach waren die Teilhabemöglichkeiten – abgesehen von dem nicht selten schwierigen Netzzugang – dort ebenfalls, allerdings grafisch meist nicht ganz so ansprechend. Und auch die Merkmale einer Many-to-Many-Kommunikation ließen sich dort finden. Zudem galt bereits dort, dass für die Nutzer „anstelle der Vernetzung von Computern in einem Netzwerk…die Beziehungen der Benutzer im Vordergrund“ steht. Dies ist also kein Novum, das WordPress und Facebook etc. in die Welt brachten, wie manchmal behauptet wird (hier mit dem schnell+kompakt Leitfaden „Social Software“ von Martin Szugat , Jan E. Gewehr und Cordula Lochmann (Frankfurt/Main: Entwickler.press, 2006) im Zitat, S. 121).
Es ist also nicht ganz neu aber ganz richtig und wichtig, dass Computer und die plattformbasierten Softwarelösungen Infrastrukturelemente zum Zweck der Sozialen Vernetzung darstellen. Auch wird niemand bestreiten, dass die dafür entwickelten Oberflächen mit vielseitiger Nutzung des Hypertextprinzips, die beispielsweise Social Tagging erst möglich macht, einen Qualitätssprung darstellen. Und auch wenn die Idee an sich nicht neu ist, so erscheinen die Communities auf StudiVZ und MySpace durchaus anders, als die, die über Usenet ihre Interessen diskutierten und sich manchmal auch verabredeten. Was bis heute gleich bleibt, ist, dass eine Community nur ab einer gewissen Teilhabebereitschaft und/oder kritischen Masse der Benutzer vital
bleibt. Was damals die E-Mail war, sind heute Weblog oder Wiki. Im Ansatz neuartig ist vielleicht der Objektbezug, wie er beispielsweise den Wikis oder auch Connotea zugrunde liegt, d.h. dass mehrere Nutzer gemeinsam ein Dokument entwickeln oder beschreiben. Aber eigentlich liegt die Innovation auch nur in der leichteren Möglichkeit, die die Anwendungen „Sozialer Software“ bieten, denn von Gruppen gemeinsam gepflegte themenspezifische Webseiten gab es ebenfalls bereits tief in den 1990ern. Nur waren diese nicht ganz so öffentlichkeitswirksam und erfolgreich.
Netzwerk Wissenschaftskommunikation
Nun aber zur Wissenschaft: „Fest steht, dass Kooperationen in der Wissenschaft einen wachsenden Stellenwert einnehmen“ schreiben die Autoren und auch diesen Satz kann so spätestens seit der Entdeckung der Big Science formulieren, ohne verkehrt zu liegen.
Dabei ist die Wissenschaft, seit sie entsprechende übergreifende Kommunikationsmedien nutzt, (Journals) eine große Kopperationsgemeinschaft mit zahlreichen Untergemeinschaften, in denen gemeinschaftlich (oder auch kollaborativ) Erkenntnis erzeugt, kommuniziert und nachgenutzt wird. Auch die Notwendigkeit „neuer Kommunikationskanäle und Hilfsmittel“ (S. 122), trägt bereits der Ursprung des WWW, der durchaus in der Wissenschaft(skommunikation) zu verorten ist, als Leitgedanke. Insbesondere für die Wissenschaftskommunikation war das Netz schon immer „sozial“: Das arXiv, auf dem Wissenschaftler Inhalte für den über elektronische Netze vermittelten Zugriff durch andere Wissenschaftler zur Verfügung stellten, gibt es seit 1991.
Allerdings hat es bekanntlich seitdem zahlreiche Innovationen gegeben, die das Spektrum der Möglichkeiten bemerkenswert erweiterten und die besonders im Web 2.0-Bereich keinen direkten wissenschaftlichen Hintergrund mehr aufweisen. Das kommerzielle WWW ist – die elektronischen Zeitschriften einmal ausgeklammert – wenig wissenschaftsorientiert, sondern erwirtschaftet seine Umsätze in ganz anderen gesellschaftlichen Sphären. Parallel dazu vollzogen und vollziehen sich Innovationen in der Computer-Hardware – von der allgemeinen Leistungszuwächsen der für Endnutzer verfügbaren Geräte bis hin zur Aufrüstung der Übertragungsinfrastruktur, die weiträumige Dauerzugänge mit hohen Übertragungsgeschwindigkeiten ermöglichen.
Die Simplifizierung der Oberflächen und die sukzessive Gewöhnung an die Verfahren der Webkommunikation, die vor 10 Jahren so noch nicht gegeben war, führt, so meine These, einfach zu besseren Voraussetzungen, nun auch das zwischendurch etwas angestaubte Wissensmanagement zu reaktivieren und mit neuen, attraktiveren elektronischen Hilfsmitteln einzusetzen.
Das für mich eigentlich Interessante des Textes von Weller, Mainz et al. liegt in den verschiedenen Dimensionen, die die Autoren für den Einsatz Sozialer Software in der Wissenschaft entwerfen:
1. Der Wissenschaftsbetrieb als Unternehmen Dieser Aspekt greift Web 2.0-Anwendung vorwiegend im Sinne einer Wissenschaftsvermarktung – oder vielleicht etwas breiter angesetzt – als Werkzeug zur Unterstützung der Wissenschaftsvermittlung, also etwas, was gemeinhin mit Public Understanding of Science gemeint wird, auf. Die Autoren nennen es „Öffentlichkeitsarbeit“.
2. Die zweite Dimension zielt auf die Koordination von Wissen in abgeschlossenen Arbeitsgruppen und lässt sich vielleicht knapp als Fortsetzung der Groupware mit anderen, nämlich einfacher nutzbaren, Mitteln beschreiben, die obendrein bessere externe Anschluss- und Vernetzungsmöglichkeiten bieten.
3. Die dritte Dimension greift am weitesten, denn sie umschließt das Feld der Publikation („Verbreitung…“) sowie des Diskurses („…Diskussion wissenschaftlicher Inhalte“). Neu ist dabei vor allem auch die Verfügbarkeit direkterer Kommentar- und Annotationsmöglichkeiten, wobei dieses „Referat“ zum Text gleich ein Beispiel verkörpert. Neben Publikation und Diskussion bildet die „Informationsversorgung“ den dritten Baustein der dritten Dimension.
Interessant erscheint mir beispielsweise in Hinblick auf Wikis die Frage, wie sich eine auf Reputation bezogene Wissenschaftskultur, in der Erkenntnisäußerungen und vor allem -zitationen idealerweise einem konkreten, individualisierbaren Autor zuschreibbar sind, mit einer Wikikultur, die den individuellen Autor in gewisser Weise auflöst, in Übereinstimmung zu bringen sind. Hier bleibt, wie die Autoren auf S. 124 bemerken, breiter Diskussionsbedarf. Vielleicht kann man im Charakter des ewigen „Perpetual Beta“ von Texten der Wikipedia, die sich verändern, wenn etwas Neues zu einem Gegenstand bekannt wird, auch eine Demaskierung der Illusion von „final works“ in der Wissenschaft sehen. Denn eigentlich ist jeder Text nur eine „work in progress“, nämlich Grundstock für Anschlusserkenntnis und neue Texte.
Die Abgeschlossenheit gilt also genau genommen nur für die Form. Der Inhalt – so nach meinem Verständnis auch das Ziel der Wissenschaft – soll selbstverständlich über die Grenze dieser Form hinaus wirken. In der Wikipedia fallen Inhalt und Form interessanterweise sehr direkt zusammen. Ob und wie dieses Prinzip aber auf die tradierten Textformen der Wissenschaftskommunikation tatsächlich übertragbar sein kann, ist in der Tat ein erstklassiger Diskussionsgegenstand in den Debatten um Web 2.0, Bibliothek 2.0 und „Wissenschaftskommunikation 2.0“.
Der auf S. 125 erwähnte didaktische Wert der Sozialen Software besitzt momentan sicher größere Bedeutung und Anwendungsnähe als ihre Rolle in der eigentlichen Wissenschaftskommunikation – die eventuelle Nutzung von Wikis in geschlossenen Kontexten zur kollaborativen Produktion von Primärtexten einmal ausgeklammert. Entsprechend wäre ein Ansatz auch die Herausdifferenzierung einer „Dimension“ an einer Grenzlinie zwischen Lehrkommunikation und Forschungskommunikation.
Als sehr interessant erscheint mir persönlich die verstärkte Nutzung des Social Networking in Hinblick auf die Kontaktaufnahme von Experten. Die Wissenschaft funktioniert an dieser Stelle ähnlich zu einer ganzen Reihe anderer kultureller Facetten der Gesellschaft: Über gemeinsame Interessen werden Kontakte geknüpft und über Bekanntschaftsverwaltungen (die in den Angeboten häufig leider den Ausdruck aushöhlend „Freund“ genannt werden) recherchier- und verwaltbar sind.
Das Nature Network (link), in dessen Umfeld beispielsweise auch Connotea (link) gehört, nutzt das Verfahren für die Zielgruppe Wissenschaft, so wie Xing eher im Geschäftsbereich und StudiVZ auf Studenten zugeschnitten ist. Die Differenzierung ist sinnvoll und notwendig, um das Abgebot an entsprechende Bedürfnisse der jeweiligen Zielgruppen adressieren zu können.
Von den drei Dimensionen – (1) Außenwirkung, (2) Kooperation und (3) Publikation, Kommunikation und
Datenmanagement – ist hier die zweite angesprochen. Die gemeinsame Datenverwaltung, also der Punkt, an dem sich Dinge wie Repositories oder auch Publikationsserver mit direkten Web 2.0-Elementen treffen können und sollten, fungiert in gewisser Weise als Schnittstelle zwischen Kooperation und Datenmanagement, lassen sich doch die Expertenprofile anderer Wissenschaftler – also der Kern des Social Networking – auch als Daten, die es analog zu relevanten Publikationen oder – wie bei Swivel (link) etc. – Rohdaten sehen.
Für Bibliotheken und die Entwicklung der Kataloge hin zu personalisierbaren Arbeitsoberflächen im Sinne dessen, was momentan unter der Bezeichnung Cloud Computing thematisiert wird, geht es vermutlich auch längerfristig primär um die Verwaltung von „Literatur“, wobei dieser Begriff in Anbetracht von – allerdings momentan noch nicht allzu hoch entwickelten Phänomenen wie der Blog Science u.ä. – nicht mehr auf bestimmte Medientypen festlegbar ist und damit mehr oder weniger frühe Ideen der Dokumentation wieder aufgreift.
Dass Folksonomies und Social Tagging demnächst Bestandteile der OPACs 2.0 sein werden, wird sicher kaum noch bezweifelt. Die Verknüpfung von durch Nutzer vergebenem unkontrollierten Vokabular und dem kontrollierten der Bibliotheksklassifikationen sowie den normierten Schlagwörten stellt obendrein einen idealen Lernparcour für das Semantic Web dar – lassen sich doch die auf konkrete Objekte bezogenen idealen und realen Eigenschaftszuweisungen, die zahlreiche Anschlussverknüpfungen besitzen, prima abcrawlern. Elaborierte Vorschlagssysteme sind dabei – so jedenfalls die Fantasie – nur ein mögliches Ergebnis. Den hier besprochenen Aufsatz zieht es nicht ganz so weit in diese Richtung, aber einige Elemente, z.B. FOAF, werden erwähnt. Generell bleibt er aber bei einer annotierten Bestandsaufnahme und diese fällt in der Gesamtschau sehr gut und überzeugend aus.
Die abschließend formulierten Szenarien fragen einerseits, ob die Wissenschaft „speziell maßgefertigte Tools benötigt“ oder „allgemein zugängliche Angebote unverändert genutzt werden können.“ Hier argumentiere ich entschieden für die erste Variante und sehe für Bibliotheken wunderbare Ansatzpunkte, wenn es ihnen gelingt, ihre Kataloge um entsprechende Funktionalitäten zu virtuellen Arbeitsräumen mit Social Networking, Diskursplattformen und Quellenmanagement zu erweitern. Die Nature Publishing Group arbeitet, wie man unschwer sieht, seit ein, zwei Jahren offensiv an solchen Angeboten.
Andererseits unterscheiden die Autoren danach, ob Werkzeuge „innerhalb der Kooperation einer festen Arbeitsgruppe benötigt werden oder ob ein Austausch mit einer allgemeinen, offenen Interessengemeinschaft über das Internet unterstützt werden soll.“ (S.133) Hier sollte die Antwort m. E. „sowohl als auch“ heißen. Ideal wäre eine entsprechend, wie man so schön sagt, skalierbare Lösung, die sowohl
a) die Ebene des Einzelnutzers und seine individuelle Verwendung der entsprechenden Werkzeuge im Sinne eines PIM (Personal Information Management),
b) die Möglichkeit geschlossene Arbeitsgruppen, z.B. zu bestimmten Projekten und
c) die Option für eine größere Scientific Community mit Anschlussstellen an die allgemeine Öffentlichkeit
berücksichtigt.
Es bleibt jedoch die Frage, ob die Wissenschaftler dies überhaupt wollen und darauf weist der letzte Satz des Beitrags hin, der für mich der wichtigste ist:
„Für den Erfolg von Social Software in der Wissenschaft wird auch eine entscheidende Rolle spielen, wie weit die wissenschaftliche Welt zu
Formen von Open Science bereit ist und inwiefern neue Angebote den Aufbau wissenschaftlicher Reputation unterstützen.“ (S.133)
Entsprechend würde ich das „auch eine entscheidende“ in „die entscheidende“ umformulieren. Denn die Prosumer im Kommunikationssystem der Wissenschaft 2.0 sind nur dann Prosumer, wenn sie auch etwas „produzieren“, also das System, das besonders in puncto Vernetzung ganz andere Möglichkeiten als das Usenet der frühen 1990er Jahre bietet, aktiv nutzen.
Anschlussfragen
In der Ergänzung dazu möchte ich die Gelegenheit nutzen und zwei Anschlussfragen aufwerfen:
1. Was in der Diskussion m.E. häufig zu kurz kommt, ist die Frage, wie vertrauenswürdig die jeweiligen Akteure, auf die man bei den im Text genannten Web 2.0-Anwendungen zurückgreift, sind. Ist es erstrebenswert, die Wissenschaftskommunikation über in der Hauptsache kommerzielle Akteure (Yahoo, Google) zu vermitteln, die nicht unbedingt dieselben Ansprüche, wie sie der gemeinhin dem Idealtypus des hauptsächlich auf Erkenntnisproduktion hin arbeitenden Wissenschaftlers entsprechen, aufweisen? Eine Abhängigkeit ist sicherlich unvermeidbar, aber eventuell sollte man intensiver als bisher darüber reflektieren, was dies für die Wissenschaftskommunikation bedeutet bzw. bedeuten kann?
Oder ist dieser Typus eines hauptsächlich mit dem Primat Erkenntnisproduktion als Wert an sich forschenden Wissenschaftlers ohnehin passé, da in der Big Science auch die Wissenschaft vorwiegend über Wirtschaftlichkeit und möglichst auch eine Ausrichtung auf eine kommerzielle Nachverwertung über Start-Up-Unternehmen etc. organisiert wird?
2. Wie verfahren wir in einer gemeinhin von den auf Innovation orientierten STM-Fächern dominierten Entwicklung in der Wissenschaftskommunikation mit den eher argumentativen geisteswissenschaftlichen Fächern und ihren Forschungsfragen, die sich nur bedingt mit entsprechenden Nachnutzungen in Übereinstimmung bringen lassen? Gerade hinsichtlich der diversen Wissenschaftskulturen sehe ich größeren Differenzierungsbedarf, sowohl was die Frage nach einem sinnvollen Einsatz wie auch der jeweiligen Ausdifferenzierung der elektronischen Kommunikationsmittel betrifft.
Daraus ergibt sich zwangsläufig die grundsätzliche Frage, inwieweit sich die Diskurse in den Wissenschaften an die bestehenden Möglichkeiten zur Kommunikation anpassen und inwieweit die Möglichkeiten der Kommunikation an bestehende Diskurspraxen angepasst werden. Auch wenn die Kybernetik nicht mehr ganz en vogue ist, scheint mir der Lösungsansatz hier die Rückkopplung zu sein. Auch hier wird es am Ende sich auf ein „Sowohl-als-auch“ hinauslaufen und für die Bibliothekswissenschaft ergibt sich daraus die Aufgabe, das „wie“ zu gestalten.
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Ben Kaden, 18. Oktober 2007
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